Versteckt in einer Ecke sitzt das junge Mädchen, mit ängstlichem Blick in Richtung Tresen. Vor dem zierlichen Teenager steht ein Cocktailglas. Halb gefüllt mit einem Mix aus Orangensaft weißem Rum, Cranberrysaft, einem Schuss Apricot Brandy und Pfirsichlikör. Das Glas schiebt die Reinickendorferin auf dem polierten Couchtisch schnell zur Seite. Sie weiß, dass sie eigentlich nicht hier sein darf. Nicht bei Alkohol und nicht in dieser Shisha-Bar.
Schnell zieht sie ihren Schülerausweis aus der Handtasche. Noch hat sie Zeit, stehen die Beamten in Uniform am Tresen der Bar nahe dem U-Bahnhof Scharnweberstraße in Tegel. Sie brauchen etwas Zeit, ehe sie den in Rauchschwaden gehüllten Raum betreten, in dem die Jugendliche sitzt.
Dann ein kurzes Aufatmen. Die Nagelfeile hatte sie doch nicht zu Hause liegen gelassen. Schnell kratzt sie die letzte Ziffer ihres Geburtsjahres von dem Plastikchip. „Ich bin Sechszehn“, antwortet sie den Beamten, als diese sie nach einem kurzen Gespräch mit dem Kellner entdecken.
Die Beamten trauen ihr nicht und wollen den Ausweis sehen. „Na, wie alt sind sie wirklich?“, gibt ein Beamter ihr die Chance sich zu korrigieren. Und wieder sagt sie 16. Grund genug für die Polizistin Carmen G., die Personalien überprüfen zu lassen. „Das Mädchen kenne ich, die ist mit meinem Sohn in den Kindergarten gegangen“, flüstert die alleinerziehende Mutter einem Kollegen ins Ohr. Sie ist höchstens 15 Jahre, meint sie und telefoniert schon einmal mit der Zentrale, um die Daten abzugleichen. Vorsorglich fordert sie den Alkoholtester an, ein Kollege holt das Gerät aus dem Funkwagen.
Präsenz zeigen
Mit 15 Kollegen ist Carmen G. an diesem Abend im Einsatz. Zwischen Kurt-Schumacher-Platz und Alt-Tegel streifen die Beamten in Uniform oder auch in Zivil. Sie unterstützen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die sich speziell auf die Kontrolle und Einhaltung des Jugendschutzgesetzes in Gaststätten vorbereitet haben. Ein Einsatz, wie er nicht jeden Tag stattfindet.
Zu dünn ist die Personaldecke, um permanent derartige Einsätze durchzuführen. Doch an diesem Freitag wird Präsenz gezeigt. Eine Gruppe kontrolliert gemeinsam mit zwei Mitarbeitern des Ordnungsamtes einschlägig bekannte Gaststätten auf Einhaltung des Jugendschutzgesetzes. Ein zweiter Trupp, bestehend aus einem Mitarbeiter der BVG und einem Beamten der Polizei, behält in der Zeit von 18 bis 23 Uhr das Geschehen auf den U-Bahnhöfen und in den Zügen der Linien U6 und U8 im Auge.
„Viele Fahrgäste wünschen sich, dass häufiger Uniformen in den Zügen zu sehen sind“, sagt Einsatzleiter Jan Alexy vom Abschnitt 11. Ein zufällig vorbeikommender Fahrgast bestätigt dies. „Immer, wenn ich euch brauche, seid ihr nicht da“, sagt der Mann. Am „Kutschi“, dem Kurt-Schumacher-Platz, treiben Taschendiebe ihr Unwesen. „Nachdem die mir zweimal mein Portemonnaie geklaut haben, habe ich mir eine Hose mit Sicherheitsfach gekauft. Eine mit Reißverschluss gesicherte Hosentasche in der Hosentasche“, sagt der ältere Herr voller Stolz und krempelt für die Uniformierten das Innenleben seiner Hosentasche nach außen.
Offene und verdeckte Kontrollen
Während der Einsatzbesprechung um 17.20 Uhr im Abschnittsgebäude am Borsig-Tor hatte Jan Alexy, die insgesamt drei eingesetzten Gruppen mit ihren Aufgaben vertraut gemacht: Während sich zwei Gruppen nach außen hin in Uniform deutlich zu erkennen geben, streift die dritte Gruppe verdeckt in Zivil und beobachten das Umfeld von Gaststätten und Bahnhöfen.
„Das ist nicht ungefährlich. Wenn etwa angetrunkene Jugendliche meinen, sie müssen uns zeigen, was für tolle Hechte und wie stark sie sind“, sagt ein Zivilbeamter. Hat man sie etwa aufgefordert eine Gaststätte zu verlassen, treffen sie sich nur einen Straßenzug weiter und glauben, nach Abzug der Beamten ihre Plätze in der Kneipe wieder einnehmen zu können.
Inzwischen klingelt das Handy bei Carmen G.. „Ich hatte recht, die Kleine ist erst 15 Jahre alt“, sagt sie und wendet sich an ihren Kollegen, der den Alkoholtester bereit hält. „Einmal tief Luft holen“, sagt er zu der mit immer leiser werdender Stimme sprechenden Jugendlichen, „und dann die Lunge entlüften.“ Immerhin - 0,34 Promille zeigt das Messgerät an. Was folgt ist eine Belehrung der Jugendlichen und eine Heimfahrt mit Polizeibegleitung.
„Wir liefern das Mädchen bei den Eltern ab und werden sie auf deren Fürsorgepflicht gegenüber ihre Tochter hinweisen“, sagt Carmen. Und den Wirt erwartet in den nächsten Tagen ein Schreiben vom Ordnungsamt. Er hat gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen und an eine Minderjährige Alkohol verkauft, obwohl er das Hinweisschild an der Eingangstür zur Shisha-Bar „Zutritt erst ab 18 Jahre“ angebracht hat.
Und noch ein Gesetzesverstoß könnte für den Barbetreiber zu einem zusätzlichen Problem werden. Denn normalerweise bedarf es einer Sondergenehmigung, wenn in einer Shisha-Bar auch Alkohol ausgeschenkt werden soll. Diese Genehmigung konnte der Barkeeper nicht vorlegen.
Später Feierabend
Inzwischen gehen die Kontrollen weiter. Gegen 22.30 Uhr das Ziel eine Szenekneipe am Kurt-Schumacher-Platz. Dort gab es zwar keinen Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz. Doch Auflagen zur gesonderten Kennzeichnung der Notausgänge waren trotz Aufforderung vor einer Woche bislang nicht erfüllt worden. „Ein Notausgang ist zudem mit Müll versperrt“, sagt ein Kontrolleur. Auch der Betreiber dieses Lokals muss mit einem Schreiben der Behörde rechnen. Kommt er ein zweites Mal der Aufforderung von Polizei und Ordnungsamt nicht nach, könnte ihm das die Konzession kosten.
Um 23 Uhr wird der Einsatz beendet. Und während Carmen G. so schnell wie möglich nach Hause zu ihrem Sohn möchte, muss Einsatzleiter Jan Alexy noch den Abschlussbericht fertigen. Das Ergebnis: Insgesamt wurden 65 Personen kontrolliert, davon 25 Jugendliche. Fünf Minderjährige wurden die Zigaretten weggenommen, weil sie in der Öffentlichkeit rauchten. Zudem mussten sieben Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz angezeigt werden. Das Schreiben der Berichte wird den Einsatzleiter noch bis 2 Uhr beschäftigen. Erst dann ist Feierabend.