Gentrifizierung

Pankow will durch Häuserkauf Luxusmieten stoppen

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Sabine Flatau

Foto: Amin Akhtar

Drohen beim Hausverkauf starke Mieterhöhungen, will der Bezirk sein Vorkaufsrecht nutzen - und an Wohnungsbaugesellschaften weitergeben.

Die Bewohner im Kiez halten, die Mietenexplosion stoppen. Für diese Ziele geht das Bezirksamt Pankow ungewöhnliche Wege. Es untersagt Luxussanierungen. Kleine Wohnungen dürfen nicht mehr zu größeren zusammengelegt werden. Außerdem verbietet das Amt die Nutzung von Wohnungen als Ferienunterkünfte. Diese Einschränkungen gelten seit dem 4. Januar 2013, jedoch zunächst nur in einigen Pankower Gebieten.

Nun kündigte Pankows Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) einen neuen Schritt an. Das Bezirksamt will von seinem Vorkaufsrecht für Wohnhäuser Gebrauch machen, wenn die Gefahr besteht, dass diese Häuser an einen neuen Eigentümer übergehen sollen, der die Mieten stark erhöhen will. „Dieses Vorkaufsrecht der Gemeinde gilt bundesweit und schon seit vielen Jahren“, sagte Jens-Holger Kirchner (Grüne). Deswegen könne es auch keine Beschwerden wegen Eingriffs in das Eigentum geben.

Kommune hat gesetzlich verankertes Vorkaufsrecht

Das Vorkaufsrecht für Grundstücke sei gesetzlich festgeschrieben. „Seit Jahrzehnten müssen Hauseigentümer die Kommune fragen, wenn sie verkaufen wollen“, sagte Jens-Holger Kirchner. Der Staat habe sich diese Möglichkeit, bei Verkäufen immer erst gefragt zu werden, im Baugesetzbuch eingeräumt. „Das ist im Sinne des Gemeinwohls, um eventuell eine Kita auf einem frei werdenden Grundstück bauen zu können, oder eine Straße oder einen Sportplatz“, sagte Kirchner. „Das gibt es aber auch bei Wohnhäusern, um zu gewährleisten, dass Sanierung und Mietsteigerung sozial verträglich gestaltet werden.“

In München und Hamburg habe das gut funktioniert, so der Stadtrat. Er hatte Experten aus beiden Städten im Herbst 2012 zu einer Fachtagung über sozial verträgliche Stadterneuerung in Pankow eingeladen. „In Berlin ist diese Möglichkeit in Vergessenheit geraten.“ Pankow werde das als erster Bezirk probieren. „Ich bin überzeugt davon, dass das ein Instrument ist, mit dem man wesentliche Änderungen erreichen kann.“ Das Amt kann von seinem Vorkaufsrecht zugunsten berechtigter Dritter Gebrauch machen. „Das sind in der Regel Wohnungsbaugesellschaften oder Wohnungsgenossenschaften.“ Stadtrat Kirchner will nun in Pankow ein Beispiel geben, wie das geht. „Deshalb treffe ich mich in der nächsten Woche mit den Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsgenossenschaften aus Pankow.“ Das Ziel ist ein Bündnis für Wohnen und für Wohnungsneubau. Vertraglich vereinbart werden soll, dass eine Gesellschaft oder eine Genossenschaft das Haus übernimmt, für das der Bezirk das Vorkaufsrecht beansprucht. Die Erfahrung aus München und Hamburg habe jedoch gezeigt, so Kirchner, dass es in der Regel nicht zum Ankauf durch die Kommune komme, sondern allein die Androhung reiche, um eine gütliche Vereinbarung zu Sanierung und Mietsteigerung zu treffen, eine so genannte Abwendungsvereinbarung.

1000 Wohnungen an Helmholtz- und Teutoburger Platz verschwunden

Die Atmosphäre für diese Neuerungen sei derzeit aufgeschlossen in Berlin, meint der Stadtrat. Denn es gehe um bezahlbare Mieten und um Wohnungsnot. Allein am Helmholtzplatz und am Teutoburger Platz seien in den vergangenen Jahren 1000 kleine Wohnungen verschwunden. „Wenn wir über eine soziale Mischung reden, wenn wir über bezahlbare Mieten reden, dann müssen wir kleine Wohnungen schützen“, sagt der Stadtrat. „Denn sie sind besser bezahlbar als ein 130-Quadratmeter-Quartier.“

Das Verbot der Luxussanierungen, der Zusammenlegung kleiner Wohnungen und das Verbot der Nutzung von Wohnungen als Ferienunterkünfte sind im jüngsten Berliner Amtsblatt veröffentlicht. Sie gelten zunächst nur in den Gebieten, deren städtebauliche Eigenart erhalten bleiben soll. Für sie ist die so genannte Erhaltungsverordnung erlassen. Sie gilt für Gebiete in Prenzlauer Berg wie den Teutoburger Platz und den Humannplatz, den Falkplatz, die Belforter Straße, aber auch für Blankenfelde, die Ostseestraße, Weißensee Süd und die Weißenseer Spitze,. Doch in den kommenden Monaten sollen diese Erhaltungsverordnungen fast flächendeckend auf Prenzlauer Berg ausgedehnt werden. Zunächst auf den Helmholtzplatz, das Winsviertel, das Gebiet an der Wollankstraße und den Kollwitzplatz. „Wir gehen Schritt für Schritt.“, so Kirchner. „Wir wollen die Bevölkerungsstruktur, so wie sie ist, schützen.“ Wegen des Verbots der Ferienwohnungen, das seit 4. Januar in den Erhaltungsgebieten gilt, will der Stadtrat schon in den nächsten Tagen aktiv werden. „Wir werden uns zwei oder drei exemplarische Fälle heraussuchen und sie durchexerzieren“, kündigte der Stadtrat am Montag an.

1500 Ferienwohnungen in Prenzlauer Berg

Man werde sich die Häuser ansehen, Bescheide erteilen und Bußgeld verhängen – wie hoch dieses Bußgeld sein wird, könne man noch nicht sagen. „Das ist noch Neuland für uns, und hängt auch von der Kooperationsbereitschaft der Eigentümer ab.“ Einen Mangel an geeigneten Häusern gibt es nicht. „Anwohner haben uns in den vergangenen Tagen viele Hinweise auf Ferienwohnungen gegeben.“ Schätzungen zufolge gibt es etwa 1500 Ferienwohnungen in Prenzlauer Berg.

Diese Möglichkeiten – das Vorkaufsrecht der Kommune für Häuser, das Verbot für Luxussanierung, für die Umnutzung von Wohnungen als Ferienquartiere und auch die Zusammenlegung von Wohnungen – gebe es schon lange, sagt Kirchner. „Es sind nicht meine Erfindungen, sondern die des Baugesetzbuches.“ In Berlin seien diese Möglichkeiten fast in Vergessenheit geraten. „Wir wenden sie jetzt an, und zwar ziemlich konsequent.“