Die Flüchtlinge vom Protestcamp auf dem Berliner Oranienplatz im Friedrichshain-Kreuzberg planen für 2013 neue Demonstrationen in Berlin.
In einigen Wochen wolle man auch die Berliner in das Camp einladen, sagte eine Sprecherin bei einem Gespräch am Freitag. Man fordere für alle Flüchtlinge in Deutschland, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führen dürften und dass die sogenannte Residenzpflicht in den Flüchtlingslagern abgeschafft werde.
Unterstützer stellen Antrag
Das kleine Zeltdorf existiert seit etwa drei Monaten auf der Kreuzberger Grünanlage. Es wird vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg geduldet. Die Duldung werde von den Betreibern des Camps jeweils für zwei oder drei Monate beantragt, sagte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). „Dann sehen wir uns die Situation im Camp an und sprechen die Duldung aus.“
Dieses Verfahren werde auch weiter beibehalten. Die Befristung gebe dem Amt die Möglichkeit, sich immer wieder über die Lage auf dem Oranienplatz zu informieren. „Wir wollen nicht, dass sich aus dem Flüchtlingscamp, das wir mit tragen, eine Unterkunft für Obdachlose entwickelt“, sagte Schulz. Viele Leute, die nicht in einer Wohnung leben wollen, sähen die Unterkunft im Zelt als interessante Alternative an. „Das würden wir dort nicht unterstützen.“ Schulz sagte auch, sein Referent sei ein oder zweimal pro Woche am Oranienplatz. „Wir achten sehr darauf, zu wissen, was dort vor sich geht.“ Betreiber des Camps sind die Unterstützer der Flüchtlinge, die bereits den Protestmarsch der Flüchtlinge im September 2012 von Würzburg nach Berlin organisiert hatten.
Die derzeitige Duldung laufe im Februar oder März aus, sagte Schulz. Wie lange die Flüchtlinge auf dem Oranienplatz leben, könne er nicht einschätzen. „Das wäre sehr spekulativ“, so der Bürgermeister. „Sie wollen so lange bleiben, bis ihre Forderungen umgesetzt sind.“ Ob die Flüchtlinge bereits einen Erfolg sehen, wenn Teile ihrer Forderungen erfüllt werden, oder ob sie irgendwann die Lebensweise im Zelt aufgeben wollen, das könne man noch nicht sagen.
Camp stößt auf große Resonanz
Die Kreuzberger Umgebung nehme großen Anteil am Camp. „Es gibt nicht nur Sachspenden“, sagte Schulz, „ es kommen viele Menschen, die ihre Solidarität bekunden.“ Die Resonanz sei auch deshalb groß, weil die Forderung der Protestcamper nach besserem Flüchtlings- und Asylrecht für viele nachvollziehbar sei. Zeitlich begrenzt ist die Duldung der Flüchtlinge, die in der einstigen Gerhart-Hauptmann-Schule an der Reichenberger Straße leben.
„Das ist eine Art Kältehilfe“, sagte Schulz. Sie werde bis Ende März gewährt. Es sei nicht das Ziel der Flüchtlinge, ein trockenes Dach überm Kopf zu haben. „Das könnten sie anderswo einfacher haben. Sie wollen aber, in der Öffentlichkeit erkennbar, für ein besseres Flüchtlingsrecht streiten.“ Das Bezirksamt will das Schulgebäude zu einem Haus für Kiezprojekte machen. Dazu werde es eine breite Beteiligung der Bevölkerung geben, sagte Schulz. „Im Februar werden die Interessenten ihre Projekte den Anwohnern vorstellen.“
Wie viele Flüchtlinge im Camp auf dem Oranienplatz leben, könne man nicht genau sagen, sagte Schulz. „Die Fluktuation ist sehr hoch.“ Eine Größenordnung von 50 bis 100 sei realistisch. Aus dem Protestcamp selbst hieß es beim Pressegespräch am Freitag, dass fast 130 Flüchtlinge im Zeltdorf und in der Schule leben, darunter 17 Kinder. Die Familien stammen unter anderem aus Rumänien, aus Uganda, aus dem Sudan.
Junge Leute helfen den Flüchtlingen. Unterstützung komme auch aus der Umgebung, erzählte Napuli, eine junge Frau aus dem Sudan. Anwohner und Geschäftsleute hätten Nahrungsmittel und warme Kleidung gespendet. Sieben Gerichtsverfahren seien gegen die Flüchtlinge im Gange, weil sie in Süddeutschland die Residenzpflicht verletzt hätten, sagte Jaja aus Mauretanien.
Kritik wegen unzulässiger Nutzung
Kritik an der Duldung des Camps kommt aus der CDU Friedrichshain-Kreuzberg. Er habe Ende 2012 beim Landeskriminalamt Anzeige wegen des Camps gegen das Bezirksamt gestellt, sagte der CDU-Abgeordnete Kurt Wansner. „Weil ich das für eine unzulässige Nutzung einer öffentlichen Parkanlage halte.“
Die Staatsanwaltschaft entscheide jetzt, ob sie die Anzeige verfolge oder niederschlägt. Das Amt hätte einen Nutzungsvertrag mit den Flüchtlingen abschließen und ein Nutzungsentgelt vereinbaren müssen, meinte Wansner. „All das ist nicht passiert.“
Wansner sagte, er sei früher Mitarbeiter des Grundstücksamtes in Kreuzberg gewesen. „Ich hätte mir so etwas nicht erlauben dürfen. Sonst hätte ich anschließend ein Disziplinarverfahren bekommen. Denn die Haushaltsordnung erlaubt nicht, dass man so mit Grundstücken umgeht.“
Der Abgeordnete fürchtet auch eine Ausweitung. „Erst gab es das Camp auf dem Platz. Dann haben die Flüchtlinge Schulräume bezogen. Die Frage ist, was kommt als Drittes dazu?“
Auf dem Oranienplatz habe sich jetzt auch die linke Szene aus Friedrichshain-Kreuzberg einen Anlaufpunkt geschaffen. Es sei zu befürchten, dass aus einer kurzfristigen Duldung des Camps eine dauerhafte Regelung werde. „Ähnlich wie im Haus Bethanien am Mariannenplatz“, sagte Wansner. Die Besetzer aus der Yorckstraße 53 seien in den Südflügel des Bethanien gezogen. „Sie sind bis heute drin, und die Künstler sind dadurch vertrieben worden.“