Engpässe

Berliner Jugendhilfe in Not - Bezirke fordern mehr Geld

| Lesedauer: 4 Minuten
Sabine Flatau

Foto: Sergej Glanze / Glanze

Jugendpolitiker aus allen Teilen Berlins schreiben einen offenen Brief an Wowereit. Der Senat signalisiert Gesprächsbereitschaft.

Jugendpolitiker aus allen Teilen Berlins schlagen Alarm. Immer weniger Geld stehe für die Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung, kritisieren die Vorsitzenden von elf Jugendhilfeausschüssen der Bezirke. Sie haben einen Brandbrief an alle Abgeordneten und die Senatoren für Finanzen und Jugend geschrieben. Auch die Jugendamtsleiter aus zehn Bezirken haben sich in einem offenen Brief geäußert.

Der Personalabbau in den Jugendämtern müsse sofort beendet werden, fordern sie in ihrem Schreiben. Es ist an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD), an alle Bezirksbürgermeister und Jugendstadträte sowie an das Abgeordnetenhaus gerichtet.

Die Chefs der Jugendämter weisen darauf hin, dass die Personalnot in ihren Behörden schwerwiegende Folgen habe. In den Elterngeldstellen gebe es unzumutbar lange Wartezeiten von bis zu 13 Wochen, auch wenn alle erforderlichen Unterlagen eingereicht seien. Die regionalen sozialpädagogischen Dienste könnten nur noch auf Krisensituationen reagieren und keine Sprechstunden mehr anbieten.

Der vom Senat verlangte Stellenabbau in den Bezirken und zusätzliche Aufgaben durch Änderungen von Bundes- und Landesgesetzen „stellen ein unkalkulierbares Risiko für die Leistungsfähigkeit der Jugendämter dar“, heißt es in dem Brief. Bei der derzeitigen Personalausstattung könne die Gefährdung des Kindeswohls nicht mehr in allen Jugendämtern hinreichend überprüft werden.

Immer weniger Gelder für den Jugendbereich

Eine Mindestpersonalausstattung für die sozialpädagogischen Dienste in Berlin fordern auch die Vorsitzenden der Jugendhilfeausschüsse in ihrem Brandbrief. Sie kritisieren außerdem, dass die jährliche Gesamtsumme, die das Land den Bezirken für den Jugendbereich zuweist, seit 2008 jährlich um vier bis sieben Millionen Euro verringert worden sei. Das entspreche einer Kürzung von fünf bis acht Prozent im Jahr. „Auf diese Weise wird sich die Angebotsreduzierung und Schließung von Einrichtungen weiter fortsetzen, da sich die zukünftige Ausstattung mit Mitteln an den Ausgaben des jeweiligen Vorvorjahres orientiert“, heißt es. Somit werde eine nicht zu stoppende Abwärtsspirale in Gang gesetzt. Das geschehe, „obwohl die Zahl der Kinder und Jugendlichen in der Stadt wächst, und gegen den Widerstand der Jugendpolitiker in den Bezirken“.

In ihrem schriftlichen Hilferuf fordern die elf Ausschussvorsitzenden, dass das Abgeordnetenhaus ein Moratorium beschließen soll, das den Abbau der Angebote für Kinder und Jugendliche bis auf Weiteres stoppt. Vorgeschlagen wird, die Bezirke im kommenden Jahr mit einem Budget wie 2011 auszustatten und sie zu verpflichten, die Mittel nur für Kinder- und Jugendangebote zu verwenden. „Denn meist wird in diesem Bereich gekürzt“, sagte Florian Schwanhäußer (CDU), Chef des Jugendhilfeausschusses in Mitte. „Ein großer Teil der Ausgaben im Jugendbereich ist gesetzlich gebunden, etwa die Hilfen zur Erziehung, und da darf man nicht sparen.“

Senat will Jugendarbeit in Bezirken sichern

„Der Brandbrief ist richtig“, sagte Marianne Burkert-Eulitz, jugendpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus. „Er spiegelt die aktuelle Situation wider.“ Es liege im Interesse des Senats, die Jugendarbeit in den Bezirken zu sichern, sagte der Sprecher von Jugendsenatorin Scheeres. Man sei aktuell dabei, mit den Jugendstadträten und weiteren Fachleuten Gestaltungsspielräume auszuloten. Die Senatorin setze sich auch dafür ein, dass die Jugendämter ihre gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben erfüllen könnten. In Anbetracht der Einsparnotwendigkeiten werde es für die Bezirke immer schwieriger, die notwendige Personalausstattung für den Kinderschutz abzusichern. Doch die Bezirke könnten Ausnahmegenehmigungen beantragen, um Mitarbeiter einstellen zu dürfen, so der Sprecher. „Wir unterstützen sie nach Kräften, sollte es hier zu nicht vertretbaren Verzögerungen in der Bearbeitung oder Genehmigung kommen.“