Wozu einen Neubau auf dem Tempelhofer Flugfeld errichten? Das Berliner ICC würde sich hervorragend als Bibliothek eignen, so Architekten.
Das gewaltige freitragende Dach überspannt vier lichtdurchflutete terrassenartige Etagen. Bücherregale entlang der Wände und Treppenanlagen zwischen den einzelnen Terrassen schaffen trotz der enormen Weite des Raumes ruhige Bereiche, in denen insgesamt 4000 Leseplätze Platz haben. So soll sie aussehen, Berlins neue Zentralbibliothek im Internationalen Congress Centrum (ICC) am Messedamm – wenn es nach den Plänen des Büros von KSP Jürgen Engel Architekten geht. Mit der am Dienstag in Berlin vorgestellten Konzeptstudie wollen die Architekten nachweisen, dass die Nachnutzung des Tagungskolosses, für den die Messegesellschaft keine Verwendung mehr hat, möglich ist.
Hintergrund der architektonischen Überlegungen des international tätigen Büros ist der Beschluss des Berliner Senats, das ICC zu sanieren sowie die Absicht des Landes Berlin, einen Neubau für die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) auf dem Tempelhofer Feld zu errichten. „Warum sollte man an anderer Stelle ein Gebäude neu errichten, wenn man bereits auf ein Bestandsgebäude zurückgreifen kann, das in seiner Grundstruktur so flexibel ist, dass es sich für eine Umnutzung zum Sitz der Zentralbibliothek eignet?“, so Jürgen Engel.
Vorschlag mit „besonderem Charme“
Der Architekt kennt das 1979 eröffnete Gebäude gut. Sein Büro hatte bereits 2008 ein Sanierungsgutachten für das futuristische Messeraumschiff erstellt. Nachdem in den vergangenen Jahren immer neue Kostenberechnungen erstellt wurden, war zuletzt sogar von 330 Millionen Euro die Rede, die die umfassende Sanierung des ICC angeblich kosten sollte. Die Fraktionen von CDU und SPD zogen daraufhin die Notbremse und einigten sich im September auf die Deckelung der Sanierungskosten bei 200 Millionen Euro. Diese sollen zudem nur dann aus der Landeskasse fließen, wenn sich neben einer neuen Nutzung auch noch weitere Geldgeber finden. Nach den Vorschlägen des Architekturbüros wäre zumindest letzteres nicht mehr nötig. Weil Berlin sich den mit 270 Millionen Euro veranschlagten Neubau der Zentralbibliothek sparen würde, müssten keine privaten Investoren gefunden werden.
Für Christian Goiny, den haushaltspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat der Vorschlag der Architekten daher „besonderen Charme“. Der Sanierungsbedarf werde mit einer konkreten Umnutzung verbunden. „Ich unterstütze und begrüße die Initiative des Architekturbüros daher ausdrücklich“, so Goiny weiter.
Dem CDU-Politiker ist bewusst, dass er noch viel Überzeugungsarbeit leisten muss. Denn die Idee, die dringend benötigte Bibliothek im ICC anzusiedeln, wird bereits seit Februar dieses Jahres heftig diskutiert. Auf einer Standortkonferenz zur Entwicklung des Tempelhofer Feldes hatten sich viele Teilnehmer sehr kritisch zu dem Neubauvorhaben auf dem ehemaligen Flughafenareal geäußert – die Idee der ZLB im ICC war geboren. In der Berliner Morgenpost hatte der Kulturstaatssekretär André Schmitz im Sommer jedoch klargestellt, dass er von solchen Plänen nichts hält. „Das wäre eine fragwürdige Kompromisslösung mit hohen Folgekosten, weil das Messezentrum mit seinen vielen großen Versammlungsflächen gar nicht dafür ausgelegt ist“, hatte Schmitz im Interview erklärt.
Passende Grundstruktur
Die Konzeptstudie kommt dagegen zu ganz anderen Aussagen. Nach Auffassung der KSP-Architekten biete sich eine Nutzung als Bibliothek geradezu an. Ohne größere Eingriffe in die Grundstruktur sei die Umnutzung möglich. An Stelle der beiden großen Konferenzsäle könne man in den großen stützenfreien Innenräumen wunderbar einen großen Lesesaal mit flexiblen Arbeits- und Studier- und Aufenthaltsbereichen schaffen. Im Bereich des jetzigen Parkhauses könnte man die erforderlichen Magazinflächen unterbringen.
Die Fassade lasse sich ohne Verlust der markanten äußeren Erscheinung energetisch sanieren. Lediglich die Dachschrägen müssten durch Fenster ersetzt werden, damit Tageslicht in den Lesesaal gelangt. „Architektonische Qualitäten wie Größe, Höhe und Ausdehnung der Halle werden nun auch im Inneren erlebbar“, so Engel. Der Komplex mit seinen 313 Metern Länge und 89 Metern Breite biete auf rund 85.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche nicht nur genügend Raum für die Nutzungen der Bibliothek, sondern darüber hinaus noch erhebliche Flächenreserven. „Wir wollen das Gebäude mit behutsamen Eingriffen umwandeln und zukunftsfähig machen“, so Jürgen Engel.