Berliner Gastronomen, die Polizei und der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga wehren sich gegen Schutzgelderpresser. In einem Bereich hat dieser Schulterschluss auch bereits zu einem spürbaren Erfolg geführt: Die italienische Mafia wurde stark zurückgedrängt, berichtet Bernd Finger, Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt (LKA).
Finger sagt aber deutlich, dass es ein „großes Dunkelfeld“ gebe. Dabei geht es vor allem um die russische und asiatische Gastronomie. Häufig würden in Berlin ansässige Gastwirte aus Ländern kommen, in denen das Vertrauen in die Polizei nicht so groß sei, erklärt der leitende Kriminaldirektor. Die zahlten dann eher an die Erpresser, als dass sie sich Hilfe von Ermittlern holen würden. Finger nennt keine Zahlen, mit dem Problem vertraute Experten sprechen jedoch von „zweistelligen Prozentzahlen“ an Betroffenen.
„Es ist nicht möglich, dass wir Straftaten zu 100 Prozent verhindern können“, sagt Finger. „Unser Ziel ist es aber, dass kein Gastwirt vom organisierten Verbrechen ruiniert wird und aufgeben muss.“ Die Summen, die die Erpresser fordern, liegen nach Fingers Angaben zwischen 4000 und 5000 Euro im Monat. In teuren Restaurants beliefen sie sich sogar auf 10.000 bis 20.000 Euro pro Monat.
„Es gibt pro Jahr zwei bis drei Verfahren gegen die italienische Mafia in Berlin“, sagte Finger. Insgesamt werden bis zu zehn Fälle im Jahr bekannt, in denen kleine und mittlere Unternehmen von kriminellen Organisationen erpresst werden.
Großer Erfolg von „Mafia? Nein danke!“
Der Rückgang der Erpressung durch die italienische Mafia ist Resultat eines bis dahin in Deutschland einmaligen Vorgangs. Im Dezember 2007 hatten mehr als 50 Gastwirte in Berlin ein Erpresserschreiben erhalten. Die Hintermänner kamen von der italienischen Camorra, so nennt sich die kriminelle Vereinigung rund um Neapel. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, setzten die Erpresser Autos und ein Restaurant in Brand. Aber bereits gut zwei Wochen danach konnten beide Täter festgenommen werden. Sie wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der schnelle Fahndungserfolg wurde möglich, weil die betroffenen Gastwirte zusammengehalten und mit dem LKA kooperiert haben. Jeder von ihnen hatte Anzeige erstattet.
Nur wenige Monate zuvor hatte eine Gruppe italienischer Gewerbetreibender die Initiative „Mafia? Nein danke!“ in Berlin gegründet. Hintergrund waren die Mafiamorde von Duisburg. Dort wurden am 15. August 2007 vor einem italienischen Restaurant sechs Menschen ermordet. Sie waren die Opfer einer Blutfehde. Seine erfolgreiche Strategie feiert der Verein seitdem jedes Jahr mit einem italienischen Straßenfest, so auch an diesem Wochenende an der Schöneberger Fuggerstraße.
Polizei rät zur Zusammenarbeit
Bei einer Erpressung sei besonders wichtig, dass betroffene Personen sofort den Kontakt zur Polizei suchen, sagt Bernd Finger. Die Spezialisten des Landeskriminalamts bewerten die Vorgehensweise der Täter und können Zusammenhänge erkennen. „Erst in einer Gesamtschau lässt sich kriminalistisch bewerten, ob es sich um eine ernst zu nehmende Tätergruppe handelt oder möglicherweise nur um eine betrunkene Einzelperson“, erklärt Finger. Die Auswertungen der vergangenen Jahre ergaben, dass sowohl ausländische als auch deutsche Täter und Opfer auftraten. Es gibt Drohungen, Sachbeschädigungen und Gewaltanwendungen. Druck wird nicht nur im Lokal, sondern oft auch am Wohnort des Opfers ausgeübt. „Die Mechanismen sind stets ähnlich.“ Entscheidend sei, dass auf keinen Fall auf die Geldforderungen eingegangen wird, sagt er. „Betroffene sollen sofort die 110 anrufen und eine möglichst detaillierte Personenbeschreibung übermitteln.“
In enger Zusammenarbeit mit dem Verein „Mafia? Nein danke!“ klärt das LKA inzwischen Geschäftsleute und Bürger in Seminaren und auf Veranstaltungen auf. „Wir wollen der Öffentlichkeit auch zeigen, dass nicht alle Italiener zur Mafia gehören“, sagt Angilé Fabio, einer der Mitbegründer des Vereins. Der Restaurantbesitzer aus Kreuzberg wurde selber nie das Opfer von Erpressungsversuchen. Seine Schwester und sein Onkel schon.