Er ist ein Hingucker: Kunterbunt und alles überragend, prägt der 46 Meter hohe Bierpinsel das Bild der Steglitzer Schloßstraße. Als vor zwei Jahren Streetart-Künstler aus vier Ländern die Fassade des Restaurantturms aus den 70er-Jahren mit Graffiti besprühten, schien das der Start für die Wiederbelebung des lange ungenutzten Steglitzer Wahrzeichens zu sein. Doch die für dieses Jahr angekündigte Wiedereröffnung als Restaurant und Galerie lässt ebenso auf sich warten wie die Wiederherstellung der ursprünglichen purpurroten Fassade.
Miteigentümerin Larissa Laternser macht weiterhin einen Wasserschaden für die Verzögerungen verantwortlich. Im strengen Winter 2010/11 hatte es in dem Bauwerk einen Rohrbruch gegeben. „Wir sind noch immer in Verhandlungen mit der Versicherung“, erklärt Larissa Laternser den schleppenden Fortgang der Sanierung. Es lägen noch immer nicht alle Gutachten vor.
Inzwischen hat die 30 Jahre alte Managerin die Geschäftsführung der Schlossturm GmbH an ihre Mutter Tita abgegeben. „Das ist reine Formsache. Wir haben einfach nur die Rollen getauscht“, sagt die junge Geschäftsfrau. Tita Laternser sei als Immobilienmaklerin versierter in baulichen Fragen. „Sie hat einfach viel mehr Erfahrung im Umgang mit den Gutachtern und Architekten“, begründet die Tochter den Führungswechsel. „Ich werde mich als Teilhaberin der Schlossturm GmbH unvermindert für das Projekt einsetzen“, versichert Larissa Laternser.
Stillstand statt Umbau
Ursprünglich hatte die Steglitzerin angekündigt, den „Schlossturm“ mit der Eröffnung des neuen Einkaufszentrums „Boulevard Berlin“ wieder in Betrieb zu nehmen. Die Spraykunst mit Motiven aus Wissenschaft und Technik sollte sogar nach einem Jahr, also im Frühjahr 2011, wieder überstrichen werden. Doch während das neue Shopping Center an der Schloßstraße seit April Geschäfte macht, sind am markanten Turm an der Joachim-Tiburtius-Brücke seit der neuerlichen Schließung im Oktober 2010 keine Veränderungen erkennbar. Sie bedauere es selbst, dass die Arbeiten nicht schneller vorangingen, betont Larissa Laternser. Der Bierpinsel sei jedoch ein sehr komplexer Bau. Vor einem Fassadenanstrich müsse geklärt werden, ob die Außenhaut durch den Wasserschaden nicht ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen sei.
2007 hatte die Familie Laternser das Bierpinsel-Gelände nach fünfjährigem Leerstand übernommen. Als Projektentwickler stiegen sie in einen Erbbaupachtvertrag mit dem Bezirk ein. Schon damals gab es Diskussionen über Pläne, dem roten Turmkopf einen silbrig schimmernden Anstrich zu geben. Auch ICC-Architekt Ralf Schüler und seine Frau Ursulina Schüler-Witte, nach deren Plänen der Bierpinsel 1972 bis 1976 errichtet worden war, wehrten sich gegen Veränderungen an ihrem Werk der Nachkriegsmoderne.
Der Stillstand an dem Steglitzer Turmbau ist für Ursulina Schüler-Witte nun aber „der Super-GAU“. Die Witwe des inzwischen gestorbenen Architekten Ralf Schüler hat wiederholt gedroht, wegen Änderung der Außenfarbe vor Gericht zu ziehen. Sie habe schließlich auf eine Klage verzichtet, weil die Kunstaktion auf ein Jahr begrenzt sein sollte. Noch immer sei ihr Anwalt mit der Sache betraut, sagt Ursulina Schüler-Witte. Der Bierpinsel habe durch die diffuse Außenfarbe seine Plastizität und damit seine Fernwirkung verloren. „Es ist ein zerstörtes Bauwerk.“
Auch der Steglitz-Zehlendorfer Baustadtrat Norbert Schmidt (CDU) kann sich mit dem neuen Gesicht des Turms nicht recht anfreunden. „Der Bierpinsel war ja eigentlich nicht als Litfaßsäule konzipiert, sondern als Restaurantturm“, so Schmidt zur farbenfrohe Fassade. „Es wäre gut, wenn er bald wieder seine ursprüngliche rote Farbe hätte.“ Das Bauwerk steht jedoch nicht unter Denkmalschutz. Die Behörden hätten deshalb keine Handhabe, die Wiederherstellung der Außenhaut durchzusetzen.
Ob der prominente Bau durch die Kunstaktion eher gewonnen oder gelitten hat, ist ohnehin umstritten. Die Bezirksverordneten-Versammlung hatte sogar beschlossen, die besprühte Fassade so lange wie möglich zu erhalten. Auch Regina Roß vom Schloßstraßen-Management will sich über das Äußere des Bierpinsels kein Urteil erlauben. Für sie steht aber fest: Die baldige Wiederinbetriebnahme wäre für die Einkaufsmeile wichtig. „Uns fehlen hier interessante Räumlichkeiten für Kunst und Kultur.“ Sie werde nahezu täglich von Anwohnern und Geschäftsleuten der Schloßstraße gefragt, wann der Bierpinsel wieder eröffne, sagt Regina Roß. „Schließlich ist er hier eine feste Hausnummer, die Versinnbildlichung der Schloßstraße schlechthin.“
Larissa Laternser aber will sich auf keinen Zeitplan festlegen. „Die Gutachter bestimmen das Tempo.“ Gebe es erst einmal grünes Licht von der Versicherung, werde die reine Bauzeit voraussichtlich nicht mehr als sechs Monate betragen.