Eine 30-Jährige ist in Berlin von ihrem Mann ermordet worden. Die sechsfache Mutter soll schon länger Angst vor Orhan S. gehabt haben.
Ein furchtbares Verbrechen erschüttert Berlin: Eine 30 Jahre alte Frau ist in der Nacht zum Montag in Kreuzberg von ihrem Mann getötet und zerstückelt worden, Körperteile wurden in den Innenhof geworfen, während die Kinder des Ehepaares im Nachbarzimmer eingesperrt waren. Polizisten überwältigten den aggressiven Mann und übergaben ihn der Mordkommission. Bis zum Abend dauerten die Vernehmungen an.
Nachbarn im Mehrfamilienhaus an der Köthener Straße hatten gegen 1.15 Uhr die Polizei gerufen, weil sie nach einem heftigen Streit in der Dachgeschosswohnung den 31 Jahren alten Orhan S. auf der Dachterrasse dabei beobachtet hatten, wie er seine Frau enthauptete und den Kopf in den Innenhof warf. Als die Beamten wenig später in die Wohnung eindrangen, leistete Orhan S. hartnäckigen Widerstand und musste von mehreren Polizisten niedergerungen werden. Er wurde dabei verletzt und zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte dort kamen allerdings zu dem Ergebnis, dass er „verwahrfähig“ sei, also in eine Zelle gesperrt werden kann. Nach dem Zugriff bot sich den Einsatzkräften in der Wohnung und auch auf dem Innenhof des Hauses ein schrecklicher Anblick: Die Leiche von Semanur S. war zerteilt, Körperteile wie der Kopf lagen im Freien. Auch erfahrene Polizisten brachen zusammen und mussten betreut werden.
Tragödie bahnte sich an
Im Verlauf der folgenden Stunden konnte die sich seit geraumer Zeit anbahnende Tragödie rekonstruiert werden. Demnach waren Orhan und Semanur S. seit zehn Jahren verheiratet. Die Frau gebar während der Beziehung insgesamt sechs Kinder – vier Jungen und zwei Mädchen – im Alter zwischen 13 Jahren und elf Monaten. Doch nach Informationen von Morgenpost Online soll Orhan S. auch mit einer weiteren Frau intim gewesen sein und auch mit ihr zwei Kinder haben. „Er hat diese andere Frau favorisiert und die aus dieser Beziehung stammenden gemeinsamen Kinder immer wieder in seine andere Familie integrieren wollen“, so ein Bekannter.
Nicht nur deshalb habe es in der Vergangenheit immer wieder lauten Streit gegeben in dem dunkelroten Mietshaus, das nur einige Gehminuten vom Potsdamer Platz entfernt liegt. Das typisch bunte Kreuzberg zeigt sich hier nicht mehr. Vielmehr prägen schicke Bürogebäude das Bild. Das Haus wirkt wie eine Ausnahme in diesem Bild. Vom Hof führen mit Graffiti besprühte Aufgänge zu den Wohnungen. Kurz vor dem vergangenen Wochenende spitzte sich der Streit des Paars dramatisch zu: Während einer heftigen Auseinandersetzung soll Orhan gedroht haben, seiner Frau eines Tages den Kopf abzuschneiden.
Semanur S. muss den Ernst der Lage erkannt haben – sie vertraute sich einer Nachbarin an und berichtete außerdem von ihrer Sorge, erneut schwanger zu sein. „Sollte dies so sein, werde ich in jedem Fall abtreiben“, soll die 30-Jährige gesagt haben. Und dass sie nun endlich erkannt habe, dass sie nicht mehr mit ihrem Mann zusammenleben könne. In den späten Abendstunden am Sonntag nun die Eskalation: Nachdem sich Orhan S. über seinen zehn Jahre alten Sohn geärgert und diesen bedroht haben soll, hatte das spätere Opfer alle Kinder in ein Zimmer eingeschlossen, um sie vor dem Vater zu schützen. Dann stellte sie sich ihrem Mann. Ersten Erkenntnissen zufolge schlug er seine Frau erst nieder und trat auf die am Boden Liegende ein, um sie dann auf die Dachterrasse zu zerren.
Anwohner berichten, er habe ein Messer gewetzt und dabei immer wieder von Allah gesprochen. Die Frau habe nach Aussagen einer 18 Jahre alten Zeugin geschrien „wie jemand, der um sein Leben kämpft“, berichtet sie am Montag. Sie habe die Tat gegen 1.15 Uhr von der gegenüberliegenden Dachterrasse beobachtet und die Polizei gerufen. Sie habe hinübergerufen, er solle aufhören. Vergebens. Nach der Enthauptung soll der Mann wie im Rausch weiter auf die Tote eingestochen haben. Anschließend soll er noch einen Fuß vom Bein abgeschnitten haben.
Wenige Minuten später traf die Polizei ein. „Wir können von Glück reden, dass unsere Polizisten bei dem Zugriff nicht schwer verletzt worden sind“, so ein Polizeiführer. Es sei ein schwieriger Einsatz gewesen, für den normalerweise das SEK angefordert werden müsse. „Aber es ging darum, schnell in die Wohnung einzudringen, um die Kinder zu retten.“ Die Polizei betonte am Montag, dass die Kinder die Tat nicht mit ansehen mussten. Möglicherweise aber konnten sie hören, was sich auf der Terrasse abspielte. Was aus den sechs Kindern wird, ist noch unklar. Derzeit sind sie übergangsweise beim Kindernotdienst untergebracht und werden dort auch psychologisch betreut. Zudem liefen am Montag Gespräche mit Trägern von Kinderheimen. Ob die Kinder dort, in Pflegefamilien oder bei Angehörigen unterkommen werden, entscheidet das zuständige Jugendamt.
Innensenator Frank Henkel (CDU) reagierte am Montag bestürzt auf die schreckliche Tat und sprach von einem „abscheulichen Verbrechen“. Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg hat den Anwohnern unterdessen Unterstützung angeboten. Der Bund könne vermitteln, wenn psychologische Hilfe nötig sei, sagte Sprecher Hilmi Kaya Turan am Montag. Der Mann soll vor der Tat „Allahu akbar!“ (Gott ist groß!) gerufen haben. „Es gibt solche Tragödien unter Gläubigen und Nicht-Gläubigen“, so Turan.
Wer ist Orhan S.? Der Türke hatte früher in der Baufirma seiner Familie gearbeitet, galt in den vergangenen Jahren als arbeitslos. Bei der Polizei ist er bislang nicht groß in Erscheinung getreten, gegen ihn wurde aber wegen der Beschäftigung illegaler Einwanderer ermittelt. Er trieb sich den Angaben von Bekannten zufolge gern in Spielcasinos und Cafés herum. Für seine regelmäßigen Wutanfälle nennen Bekannte unterschiedliche Gründe. Zum einen wird von einer ihn verändernden Drogensucht gesprochen, andere berichten von einer psychischen Erkrankung, die durch die Einnahme von Psychopharmaka reguliert werden müsse. Eben diese Medikamente habe er möglicherweise nicht eingenommen.
Arrangierte Ehe
Die Ehe zwischen Semanur und Orhan S. soll vermittelt worden sein, sie soll nicht freiwillig darin eingewilligt haben, alle Angehörigen von ihr leben in der Türkei. Vor zwei Jahren wollten die Eheleute S. dorthin reisen, ein Schaden am Auto ließ diese Pläne allerdings scheitern. Für diesen Sommer war ein zweiter Anlauf geplant. Nun wird wahrscheinlich nicht einmal mehr die Leiche der jungen Frau in ihre Heimat gebracht werden können, weil laut islamischen Regeln eine Beisetzung so schnell wie möglich stattfinden muss.