In einer bewegenden Trauerfeier verabschieden sich rund 2000 Menschen von Burak B. Die Staatsanwaltschaft setzt eine hohe Belohnung aus.

Zum Trauergebet im Hof der Moschee war der Sarg des Verstorbenen mit einem grünen Tuch bedeckt, darauf lag zunächst noch ein rotes Base-Cap. Die Kopfbedeckung war ein Erkennungszeichen von Burak B., der acht Tage zuvor in Neukölln Opfer eines heimtückischen Mordanschlags geworden war. Rund 2000 Menschen hatte sich am Freitagnachmittag auf dem Mohammedanischen Friedhof am Columbiadamm eingefunden, um an der Beisetzung des 22 Jahre alten Deutsch-Türken teilzunehmen und ihm die letzte Ehre zu erweisen.

Am Grab des jungen Mannes spielten sich ergreifende Szenen ab. Tränen flossen, Verwandte und Bekannte fielen sich in die Arme, um sich zu trösten. Immer war zu hören: „Warum nur, warum?“ und „Wir werden Dich nie vergessen.“ Wie berichtet, war Burak B. in der Nacht zu Gründonnerstag unweit der Vivantes-Klinikum Neukölln angeschossen und tödlich verletzt worden. Die Schüsse hatten auch zwei der vier Begleiter getroffen und schwer verletzt. Die beiden 16 und 17 Jahre alten Jugendlichen arabischer und russischer Abstammung werden noch in Krankenhäusern behandelt.

Imam ruft zu Ruhe auf

Schon zum Freitaggebet um 13 Uhr in der benachbarten Sehitlik-Moschee hatten sich mehrere Hundert Menschen eingefunden. Die ersten Besucher waren bereits mehr als eine Stunde vor dem Beginn auf das Gelände der größten Berliner Moschee gekommen. „Der Tod ist eine Tür ins Jenseits“, sagte der Imam. Er rief dazu auf, „ruhig und standhaft“ zu bleiben. Fast alle Trauernden, darunter zahlreiche junge Erwachsene, trugen ein Foto von Burak B. an ihrer Kleidung. Einige hielten Schilder hoch, auf denen zu lesen war: „Rassismus ist ein Verbrechen“. Polizisten versuchten, das zu verhindern. Viele Menschen in dem Trauerzug hatten rote Mützen aufgesetzt, wie sie der Getötete gern getragen hatte.

Hartnäckig hält sich offenbar bei vielen Trauergästen das Gerücht, der Tod des 22-Jährigen könne auf das Konto von Rechtsradikalen gehen. Ein gewichtiger Grund dürfte dabei sein, dass es vom Täter noch keine Spur gibt. Doch die Ermittler haben bislang keine Hinweise auf eine fremdenfeindliche Tat etwa nach dem Muster der Morde der Zwickauer Neonazi-Zelle.

Der Botschafter der Republik Türkei in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, hatte am Freitagsgebet und der Beisetzung teilgenommen. Gegenüber Journalisten sagte der Diplomat, er habe volles Vertrauen in die Berliner Polizei und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass der Schuldige bald gefasst werde. An Spekulationen über die Hintergründe des Verbrechens wollte Karslioglu sich ausdrücklich nicht beteiligen.

Bereits am Donnerstagabend hatten sich nach einem Aufruf über Facebook etwa 400 Menschen am Tatort in der Rudower Straße versammelt, um Burak B. zu Gedenken und eine Schweigeminute abzuhalten. Zuvor hatte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) am Nachmittag die Eltern des 22-Jährigen besucht, um der Familie sein Beileid auszudrücken.

Henkel versicherte Melek und Ahmet B., dass die Kriminalpolizei alles tun werde, um den Mörder ihres Sohnes zu finden, hieß es aus der Senatsverwaltung für Inneres. Der Senator habe bei dem etwa einstündigen Gespräch auch um Verständnis gebeten, dass die Polizei die Hinterbliebenen nicht ständig über den Ermittlungsstand informieren könne. Henkel wollte mit seinem Besuch auch dem Eindruck entgegenwirken, der Staat kümmere sich nicht genug um Opfer aus Einwandererfamilien.

Mehr als eine Woche nach den tödlichen Schüssen an der Rudower Straße kommen die Ermittlungen der Polizei nicht entscheidend voran. Bis Freitagmittag waren 41 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen, ohne dass der Täter identifiziert werden konnte. Auch eine Befragung von Anwohnern in der Nähe des Tatorts über Ostern blieb erfolglos.

Die Staatsanwaltschaft lobte am Freitag für Hinweise, die zur Festnahme des Todesschützen führen, eine hohe Belohnung von bis zu 15.000 Euro aus. Zudem sollen weitere Fahndungsplakate ausgehängt werden, mit der Bitte jede relevante Beobachtung zu melden. Hinweise werden auf Wunsch auch vertraulich von der 6. Mordkommission, Keithstraße 30, in Tiergarten unter Tel: 4664-911601 oder jeder anderen Polizeidienststelle entgegen genommen. Die Ermittler fragen, wer in der Nähe des Tatorts – auch vorher – ungewöhnliche Wahrnehmungen gemacht hat.

Die Freitag aktualisierte Täterbeschreibung ist nach wie vor recht vage. Der Gesuchte soll 1,70 bis 1,80 Meter groß und etwa 40 bis 60 Jahre alt sein. Der Unbekannte trug zum Tatzeitpunkt eine dunkle, eventuell zweifarbige Jacke und hatte ein Base-Cap oder Kapuze auf dem Kopf. Nach den Schüssen sei der Mann zu Fuß in Richtung Möwenweg gelaufen und war kurz davor nach rechts über eine Grünfläche in Richtung Laubsängerweg abgebogen. Das mögliche Tatmotiv sei weiter unklar. Außerdem ist völlig offen, ob es zwischen dem Schützen und seinen Opfern eine Beziehung gab.

Demonstrationen am Abend

Angesichts der tödlichen Schüsse auf den jungen Türken empfanden viele Berliner den für Freitagabend von der NPD angemeldeten Aufzug unter dem Motto „Kriminelle Ausländer ausweisen“ als Hohn. Ursprünglich wollte die rechte Truppe durch den Süden Neuköllns ziehen, wich dann aber nach Mariendorf aus.

Dort versammelten sich am Abend gegen 19 Uhr etwa 40 statt der 100 erwarteten Rechtsradikalen zu einem Aufzug. Zuvor hatten sich Politiker darunter Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD), Bürgerinitiativen und Kirchengemeinden in einer friedlichen Protestaktion gegen den Auftritt der Rechten in Marienfelde gewandt.

Zeitgleich mit der NPD demonstrierten etwa 450 Menschen in Rudow gegen rechte Aktivitäten in Berlin. Zu Zwischenfällen kam es weder in Rudow noch in Marienfelde, die Polizei war mit einem Aufgebot von 500 Beamten vor Ort und verhinderte so Ausschreitungen.