Brandbrief

SPD beschwert sich über Fäkalsprache der Piraten

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Joachim Fahrun

Aus Sorge um einen Sittenverfall im Parlament schreibt die Berliner SPD einen Brandbrief, der gegen die Umgangsformen der Piraten zielt.

Eines der erklärten Ziele der Piraten ist es, den etablierten Politikbetrieb aufzumischen und neue Umgangsformen in der politischen Auseinandersetzung zu etablieren. Dabei kommt es vor, dass die unangepassten Neulinge auch in der Sprache eigenwillige Maßstäbe setzen. So stellte der Berliner Abgeordnete Christopher Lauer im Plenum jüngst ganz ungerührt die Frage, ob es hier „um Sachfragen“ gehe oder darum, „sich selber einen von der Palme zu wedeln …“. Auch „Scheiße“ und andere Fäkalausdrücke kommen Lauer gelegentlich im Parlament oder in Ausschüssen über die Lippen.

Doch es geht nicht nur um unangemessene Ausdrucksweise. Ein anderer Pirat, Claus-Gerwald Brunner, bekannt wegen seiner orangefarbenen Latzhose und dem Palästinensertuch um den Kopf, hatte Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) in einer Ausschusssitzung „rassistische Äußerungen“ vorgehalten, als dieser die Zuwanderung von Roma aus Bulgarien und Rumänien in seinen Bezirk schilderte.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Torsten Schneider, ärgert sich jedenfalls arg über die „besorgniserregende Verrohung parlamentarischer Umgangsformen“. Dass derartige „bewusste Etikettebrüche in einer tumultartigen Ausschusssitzung“ gipfelten, sei „völlig inakzeptabel“, schrieb Schneider an seine Kollegen der anderen Parteien. Zumal der rüde Ton offenbar abfärbt. Jüngst wurde eine Journalistin in einer Ausschusssitzung von einem Gast aufs übelste sexistisch beleidigt.

In der kommenden Woche soll sich der Ältestenrat des Parlaments mit Schneiders Initiative beschäftigen.

Pirat Lauer gab sich „verwundert“ über Schneiders Brief. Der Umgangston im Haus sei „generell eher rau“. Wenn Schneider die Kollegen auch in der eigenen Fraktion zur Ordnung rufen wolle, „dann begrüße ich das“; sagte Lauer: „Es müssen sich alle an die eigene Nase fassen.“ Es sei schön, wenn die SPD mit gutem Beispiel vorangehen wolle.

Zumal es aus Sicht der Opposition nicht nur um angemessene Ausdrucksweise gehen müsse. Lauer erinnerte daran, wie in einer der ersten Sitzungen dieser Legislaturperiode Koalitionsabgeordnete als „Raubritter“ beschimpft wurden, weil sie eine bessere Ausstattung für den Sonderausschuss zum Berliner Wasser gefordert hatten.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Benedikt Lux, ist gegen Kraftausdrücke, sieht das Problem aber woanders: Viel schlimmer als die Verrohung der Sprache sei der Umgang der großen Koalition mit Anliegen der Opposition. „Die Koalition blockt fast alles ab“, sagte Lux, „das ist ein viel schlimmerer Sittenverfall als der eine oder andere unschöne Gebrauch von Fäkalsprache“.

Die Piraten jedenfalls versuchen, die Arbeit des Parlaments auch auf seriöse Art und Weise zu erneuern. Von der ersten Sitzung an verfolgen sie den Plan, die Rechte der einzelnen Abgeordneten gegenüber den Fraktionen zu stärken. Volksvertreter sollten individuell das Recht erhalten, Anträge zu stellen und Gesetzentwürfe einzubringen. Das verbietet bisher die Geschäftsordnung des Landesparlaments. Diese Geschäftsordnung jedoch verletze die Berliner Verfassung, stellte der renommierte Staatsrechtler Christian Pestalozza in einem Gutachten für die Piraten fest. In geschliffenem Juristendeutsch.