Sandra Scheeres ist Berlins neue Bildungssenatorin. Die 41 Jahre alte SPD-Politikerin war bislang Fachfrau für Jugend- und Familienpolitik und in diesem Bereich die Sprecherin ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus. Morgenpost Online sprach mit ihr über die Wahl zur Senatorin und ihren künftigen Aufgabenbereich: fehlende Kita-Plätze, Lehrer und die Charité.
Morgenpost Online: Frau Scheeres, es war offenbar nicht leicht, einen Nachfolger für den scheidenden Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) zu finden. Ihre Partei hat mehrere Absagen einstecken müssen, bevor Sie als Nachfolgerin präsentiert wurden. Mussten Sie überredet werden?
Sandra Scheeres: Nein. Natürlich ist viel darüber spekuliert worden, wer gefragt worden sein könnte. Aber sie können mir glauben, dass ich bereits länger im Gespräch war, als sich das nach außen hin dargestellt hat. Das war keine Schnellentscheidung. Das zeigt sich schon darin, dass ich Zeit hatte, mir darüber Gedanken zu machen, mit wem ich die drei Staatssekretärsstellen besetzen könnte. Wäre ich wirklich erst in letzter Minute gefragt worden, hätte ich doch gar nicht so schnell gute Leute gewinnen können.
Morgenpost Online: Jürgen Zöllner hatte es als Bildungssenator in Berlin nicht leicht. Er musste ein riesiges Ressort leiten und die Erfahrung machen, dass viele seiner durchaus richtigen Entscheidungen nicht entsprechend gewürdigt worden sind. Hat er Ihnen ein paar inoffizielle Tipps mit auf den Weg gegeben, wie Sie sich wappnen können?
Sandra Scheeres: Seine Amtsübergabe war sehr gut vorbereitet und so, wie das in jedem Beruf sein sollte.
Morgenpost Online: Was haben Sie als Erstes gedacht, als man Sie gefragt hat, ob Sie den Posten der Bildungssenatorin übernehmen wollen?
Sandra Scheeres: Ich habe mich sehr gefreut. Für mich ist das eine Chance, Dinge, die ich bisher angestoßen habe, umsetzen zu können. Mein Leitbild ist eine kinder-, jugend- und familienfreundliche Stadt. Diesbezüglich kann ich jetzt tätig werden, denn das Ressort, dem ich nun vorstehe, deckt ja all diese Bereiche ab, von der Kita bis zur Hochschule. Vieles ist in der letzten Legislaturperiode auch schon angegangen worden. So stehen wir bundesweit bei der Versorgung mit Kita-Plätzen sehr gut da. Bislang haben 43 Prozent der Kinder, die jünger als drei Jahre sind, einen Kita-Platz. Bei den älteren Kindern sind es sogar 93 Prozent.
Morgenpost Online: Trotzdem fehlen in Berlin etwa 23.000 Kita-Plätze. Was wollen Sie dagegen tun, zumal die Bezirke sehr unterschiedlich mit diesem Problem umgehen?
Sandra Scheeres: Wir müssen gemeinsam mit den Bezirken sehen, wie wir den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem ersten Lebensjahr umsetzen können. Wichtig ist, dass wir immer wieder prüfen, wie groß der Bedarf tatsächlich ist. 23.000 ist zunächst eine Arbeitszahl. Um Plätze zu schaffen, müssen wir unterschiedliche Maßnahmen ergreifen. Neben dem Neubau von Kitas ist es wichtig, Elterninitiativen zu unterstützen, die sich um Kita-Plätze bemühen. Für sie könnte es ein Startgeld geben.
Morgenpost Online: Ein weiteres Problem sind fehlende Lehrer. Was sagen Sie den vielen angestellten Pädagogen, die Berlin verlassen wollen, weil sie sich schlechter behandelt fühlen als ihre verbeamteten Kollegen?
Sandra Scheeres: Meine Verwaltung kann nicht bestätigen, dass viele Pädagogen Berlin verlassen wollen. Die Gehälter der angestellten Lehrer sind in der vergangenen Legislaturperiode bereits angepasst worden. Außerdem kommt bei diesem Thema die Attraktivität Berlins zu kurz. Viele leben sehr gern hier. Die Infrastruktur ist so gut, dass in einer Familie beide Partner berufstätig sein können. Auch sind die Mieten vergleichsweise günstig. Trotzdem müssen wir uns natürlich weitere Konzepte überlegen, um die Lehrer in der Stadt zu halten.
Morgenpost Online: Ein anderes großes Thema ist das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht behinderten Kindern (Inklusion). Zöllners Konzept dafür wurde vom Abgeordnetenhaus zurückgewiesen. Sie müssen nun nachbessern.
Sandra Scheeres: Inklusion wird ein großes Thema sein in den nächsten fünf Jahren. Schnellschüsse sind da aber fehl am Platz. Schließlich hat dieses Konzept Auswirkungen auf alle: auf die Kinder sowie auf Eltern und Lehrer. Wichtig ist, dass am Ende Verbesserungen für die Kinder herauskommen. Deshalb müssen wir in Ruhe an diesem Konzept arbeiten.
Morgenpost Online: Sie sind auch Wissenschaftssenatorin und deshalb für die Entwicklung der Charité zuständig. Was haben Sie diesbezüglich vor, und wie gehen Sie damit um, dass der Bereich Forschung neuerdings zum Wirtschaftsressort gehört?
Sandra Scheeres: Zum neuen Zuschnitt meines Ressorts kann ich nur sagen, dass ich mich noch in dieser Woche mit der Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos) treffen werde. Wir müssen und werden künftig sehr eng zusammenarbeiten. Ganz besonders bei dem Thema der möglichen Kooperation zwischen der Charité und dem Max-Delbrück-Centrum.
Morgenpost Online: Für die Umsetzung Ihrer Aufgaben brauchen Sie Geld. Wird Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) Sie unterstützen?
Sandra Scheeres: Die Haushaltsberatungen stehen an. Klar ist, der Finanzsenator hat Interessen, aber ich habe auch Interessen. Wir werden einen guten Weg finden, da bin ich mir sicher.
Morgenpost Online: Haben Sie noch weitere Schwerpunkte für Ihre Arbeit im Auge?
Sandra Scheeres: Das Thema Jugend ist mir wichtig. Ich möchte beispielsweise einen Fonds auf den Weg bringen, der Kinder und Jugendliche unterstützt, die ihren Lebensraum mit gestalten wollen. Dazu gehört die Gestaltung von Spielplätzen ebenso wie die von Schulhöfen. Außerdem werde ich mich für die Einrichtung von Familienzentren starkmachen, die Eltern von Anfang an unterstützen und beraten sollen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung. Außerdem stehen Entscheidungen zur Exzellenzinitiative an. Ich werde alles tun, damit die Berliner Universitäten dort erfolgreich sind.
Morgenpost Online: Sie haben zwei Kinder. Wie schaffen Sie das, und hilft es Ihnen bei der Arbeit?
Sandra Scheeres: Wir sind eine sehr organisierte Familie. Viele Aufgaben übernimmt mein Mann. Außerdem haben wir eine gute Betreuerin für die Kinder. Es ist gut für meine Arbeit, dass ich durch meine aktuelle Lebenssituation sehr genau weiß, wovon ich rede. Ich bin nahe dran, an dem, was Eltern wollen.