Vor der Tür der Friedrich-Ebert-Stiftung wird am Montagabend heftig diskutiert. Trotz Nieselregens und Windböen. Jens Best, Tobias Thimm und Joschka Langenbrinck können sich nicht einigen, ob es nachvollziehbar ist, dass die SPD die Gespräche mit den Grünen hat platzen lassen – und damit bilden die drei jungen Männer in etwa das Meinungsbild des SPD-Mitgliederforums ab, das hinter ihnen im Haus andauert. Klaus Wowereit und SPD-Fraktionschef Michael Müller versuchen, 300 Genossen zu erklären, warum es keine rot-grüne Koalition geben kann.
Jens Best ist verärgert, er ist erst seit wenigen Monaten in der SPD und kurz davor, wieder auszutreten. Jetzt, nach gefallener Entscheidung, mit den Mitgliedern zu diskutieren, sei „nur rhetorisch“, so könne Politik im 21. Jahrhundert nicht funktionieren. „In grundsätzlichen Fragen sollte die Basis befragt werden“, sagt der 28-Jährige und erntet Widerspruch von Langenbrinck, der bald als neues Mitglied der SPD-Fraktion ins Abgeordnetenhaus einziehen wird. Es gehe nicht um die Frage der Beteiligung, sondern darum, ob mit den Grünen eine Regierung zu machen wäre. „Die Grünen haben sich als nicht vertragsfähig gezeigt“, sagt er – und ist damit auf Seiten der Parteispitze. Im Übrigen seien die Grünen nur eine Option gewesen. „Ein rot-grünes Projekt gab es nie.“ Der 22-Jährige Tobias Thimm aus Mitte kann dagegen die Enttäuschung der Genossen über den geplatzten rot-grünen Traum gut verstehen. Er sei auch geschockt gewesen und müsse sich nun erst mit der Lage anfreunden.
Zwei Stunden lang wollten Klaus Wowereit und Michael Müller mit den Genossen ihre Entscheidung diskutieren. Am Ende dauerte die Debatte bis weit in den Abend hinein. Die Aussprache war, entgegen aller Öffnungsversuche der Partei, die vom Willy-Brandt-Haus in den vergangenen Monaten angestoßen wurden, nicht öffentlich für Interessierte ohne Parteibuch.
Einen Tag nachdem die Gespräche zwischen SPD und Grünen in der vergangenen Woche gescheitert waren, hatten sich die Verhandlungsführer Wowereit und Müller bereits in einem erklärenden Brief an die Mitglieder gewandt. Der Schritt, die Koalitionsverhandlungen zu beenden, sei „niemandem leicht gefallen“, heißt es gleich zu Beginn in dem zweiseitigen Schreiben. Es folgt eine Ausführung zum Streitthema A100 und zur mangelnden Kompromissfähigkeit der Grünen, die keine belastbare Koalition zugelassen habe. Da man „zügig einen stabilen und handlungsfähigen Senat“ bilden wolle, sei die CDU nun die „einzige rational mögliche Koalitionsoption“, wenn auch „für uns nicht die erste Wahl“. Man werde aber von zentralen Punkten sozialdemokratischer Politik nicht abrücken, sichern Wowereit und Müller den skeptischen Genossen schriftlich zu. Vielen reichte diese Erklärung jedoch am Montagabend nicht aus.
„Die haben richtig Ärger gekriegt“, beurteilte ein Genosse die Diskussion. Vor allem der Vorwurf, die Verhandlungskommission habe für den Ausbau der A100 die Chance geopfert, eine Koalition einzugehen, mit der man besser sozialdemokratische Ziele verfolgen könne, sei oft gefallen. Andere SPD-Mitglieder, wie etwa Anna-Maria Hesse aus Neu-Westend, hatten dagegen den Eindruck gewonnen, die Parteispitze sei überzeugend gewesen. Vergangene Woche sei sie schockiert gewesen, aber nun sei ihr Bauchgefühl besser, so die Rentnerin.
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