Koalition

Berliner Grüne erneut von Wowereit verschmäht

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Jens Anker

Für Berlins Grüne ist der Traum vom Regieren geplatzt. Zum dritten Mal in den vergangenen zehn Jahren ließen sie die SPD und Klaus Wowereit fallen. Dabei sah die Partei dieses Mal bereits im Senat. Nun glaubt sie, Wowereit habe es nie ernst gemeint.

Zum dritten Mal in den vergangenen zehn Jahren haben die Grünen mit der SPD über die Bildung einer gemeinsamen Landesregierung verhandelt, zum dritten Mal ließ der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit die Grünen im Regen stehen. Es passt offenbar nicht zwischen den Berliner Grünen und den beiden SPD-Spitzenmännern Wowereit und Michael Müller. „Weil wir in der Autobahnfrage gesprungen sind, müssen wir Zweifel haben, dass es bei der SPD einen ernsthaften Willen zur Koalition gab“, sagte der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, am Mittwoch nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen im Roten Rathaus. Damit endeten die Verhandlungen zur künftigen Berliner Landesregierung so wie die beiden vorherigen: Gefühlt sahen sich die Grünen bereits im Senat, bevor diese Vorstellung ein abruptes Ende nahm. Für die Berliner Grünen dürfte es die bitterste Stunde seit Langem sein.

Im Jahr 2001 dienten die Verhandlungen mit den Grünen dazu, vom eigentlichen Wunsch Wowereits abzulenken, einen Tabubruch zu vollziehen und erstmals mit der PDS (heute: Linkspartei) in eine Koalition zu gehen.

Damals verhandelte Wowereit zunächst mit den Grünen und der FDP, um eine Ampelkoalition zu bilden. Weil die Grünen auf sechs Punkte nicht verzichten wollten, brach Wowereit die Verhandlungen aber schnell ab. Nach dem Scheitern fiel der öffentliche Aufschrei wegen der Koalition mit der SED-Nachfolgepartei PDS nicht ganz so groß aus. Eine große Koalition war undenkbar, die hatten die Sozialdemokraten gerade gesprengt und so die Schuld für den Berliner Bankenskandal den Christdemokraten zugeschoben. Das Ende der damaligen Großen Koalition bedeutete damals auch das Ende der Ära Eberhard Diepgen/Klaus-Rüdiger Landowsky, die die Berliner CDU jahrelang geführt hatten.

2006 sahen sich die Grünen dann bereits am Ziel. Die Linkspartei hatte während der ersten rot-roten Landesregierung die Hälfte ihrer Stimmen verloren – schon vor fünf Jahren standen die Signale auf Rot-Grün. Doch damals verzockten sich die Grünen. Noch vor Ende der Verhandlungen verteilten sie untereinander halböffentlich bereits Senatsposten. Wowereits Zweifel an der Seriosität der Grünen wuchs, er brach auch damals die Verhandlungen ab und ließ sich auf eine zweite rot-rote Regierung ein. Die Linkspartei sei der verlässlichere Koalitionspartner, hieß es damals. Die Grünen waren schwer getroffen. Sie haderten mit der SPD, die es ihrer Auffassung nach nie ernst gemeint hatte mit dem gemeinsamen Regierungsbündnis.

Der Regierungsbeteiligung so nah

Ein Eindruck, den die Verhandlungsführer auch dieses Mal verspürten. Die Sondierungsgespräche seien ernsthaft und konstruktiv verlaufen – aber am Ende kam es immer wieder auf den A-100-Streit zurück. „Was nützen viele kleine Schritte, die man aufeinander zugeht, wenn am Ende Wowereit einen riesigen Schritt zurückgeht“, sagte der grüne Landeschef Daniel Wesener am Mittwoch. Am Ende hätten Wowereit und Müller offenbar Angst vor der eigenen Partei gehabt, vermutete Fraktionschefin Ramona Pop. Wowereit und Müller fürchten demnach nicht zuallererst, dass die Grünen ein unsicherer Regierungspartner sind, sondern sie fürchten die verschiedenen Flügel in der eigenen Partei. In der abgelaufenen Legislatur hatte die Parteilinke bereits mehrere Projekte torpediert, die die Regierungsspitze eigentlich durchsetzen wollte, darunter den Verkauf der Berliner Immobilien Holding.

Wie es mit den Grünen weitergeht, ist unklar. Zunächst einmal gilt es, die eigenen Wunden zu lecken. So nah vor einer Regierungsbeteiligung stand die Partei lange nicht mehr. Die Partei hatte in diesem Wahlkampf viel in die Waagschale geworfen. Zum ersten Mal war sie mit der Spitzenkandidatin Renate Künast angetreten, das Rote Rathaus zu erobern und als stärkste Partei aus der Wahl hervorzugehen – im Zweifel sogar in einer Koalition mit der CDU. Das brachte die eigenen Anhänger in Aufregung. Wenige Tage vor der Wahl sagte Künast der CDU ab und diente sich als Juniorpartner der SPD an. Das Ergebnis fiel mit 17,6 Prozent zwar so gut wie nie zuvor aus, blieb aber deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Nun hat es aller Voraussicht nach erneut nicht für die Wunschkoalition mit der SPD gereicht. Für viele Berliner Grüne wird es die letzte Chance gewesen sein, in ein Regierungsamt zu wechseln. Es bleibt die Sehnsucht der Grünen, nach quälend langen 20 Jahren endlich wieder die eigene Politik in der Wirklichkeit zu erproben und als Regierende durchzusetzen.