Die künftige Koalition zwischen SPD und CDU benötigt für eine gemeinsame Linie in der Stadtentwicklung mehr Zeit als ursprünglich eingeplant. Die Verhandlungsführer beendeten die Gespräche am Dienstag ohne Ergebnis. Am heutigen Mittwoch treffen sich beide Seiten erneut, um die stadtentwicklungspolitischen Eckpunkte zu beschließen. „Wir haben uns nicht verhakt, die Zeit war einfach zu knapp“, sagte CDU-Verhandlungsführer Bernd Krömer nach der Koalitionsrunde.
Dienstags treffen sich am Nachmittag turnusgemäß die Fraktionen der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien, um die Parlamentsarbeit zu besprechen. Deswegen brach die Koalitionsrunde die Verhandlungen am Mittag ab. Der neuerliche Verhandlungstermin sei kein Zeichen dafür, dass sich unüberbrückbare Probleme zwischen beiden Parteien abzeichneten, sagte Krömer. „Wir werden für die meisten Punkte eine Lösung finden.“ Krömer, der fast 16 Jahre lang auch Baustadtrat in Tempelhof-Schöneberg war, kündigte später an, dass er nicht mehr als Stadtrat kandidieren werde. Das Bauressort wird um etliche Aufgaben reduziert.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gilt als zentrales Ressort für die kommenden fünf Jahre. Hier stehen wichtige und zukunftsweisende Entscheidungen an. So müssen sich SPD und CDU darauf einigen, wie das Land künftig mit der Berliner S-Bahn umgeht, wie die Weichenstellung in der Mietenpolitik aussieht und welche infrastrukturellen Maßnahmen mit Nachdruck verfolgt werden.
Bereits in den Sondierungsgesprächen hatten sich beide Seiten auf den Ausbau der Autobahn A100 verständigt. Das drei Kilometer lange Autobahnstück zwischen Neukölln und Treptow wird größtenteils vom Bund bezahlt und soll vorangebracht werden. Die Koalitionsgespräche zwischen SPD und Grünen waren an dem Ausbau der A100 gescheitert. Die Grünen lehnen die Verlängerung strikt ab.
SPD und CDU verständigten sich dagegen darauf, den 16. Bauabschnitt der Bundesautobahn bis nach Treptow weiterzuverfolgen. Die CDU hatte zuletzt gefordert, auch den 17. Abschnitt – den Bau der Autobahn zwischen Elsenbrücke und Frankfurter Allee – ebenfalls mit in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. Das lehnt die SPD jedoch ab.
Ein zentrales Thema für die kommende Koalition werden die Mieten in Berlin sein. Die Stadt leidet zunehmend unter der Verdrängung der angestammten Bevölkerung in die Außenbezirke. Beide Seiten sind sich grundsätzlich einig, dass im Neubau von Wohnungen ein Schlüssel liegt, steigende Mieten in der Stadt einzudämmen. Nicht einig waren sich SPD und CDU dagegen bislang, wie das geschehen soll. Die SPD hat sich bisher dafür ausgesprochen, landeseigene Grundstücke an Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften abzugeben, die neue Wohnungen bauen und sich verpflichten, sieben Jahre lang die Mieten nicht zu erhöhen. Nach dem Willen der SPD soll der Bestand an landeseigenen Wohnungen so durch Bau oder Kauf um rund 30.000 auf insgesamt 300.000 erhöht werden. Die CDU will dagegen für den Neubau privates Kapital einsetzen.
Gegen die Wohnungspolitik von SPD und CDU regt sich allerdings Widerstand. Bereits drei Stunden vor Beginn der Verhandlung hatte sich eine Gruppe von knapp 30 Demonstranten im Roten Rathaus versammelt. Ein Zusammenschluss mehrerer Bürgerinitiativen warf den Politikern Untätigkeit vor. „Die Politik hat den Ernst der Lage noch nicht erkannt“, sagte Omar Hamdani aus Kreuzberg. Der Neubau von Wohnungen sei seiner Meinung nach die teuerste Lösung und leite lediglich öffentliches Geld in die Privatwirtschaft um. Zusammen mit seinen Mitstreitern übergab er eine Protestschrift an zwei Verhandlungsvertreter. Bernd Krömer (CDU) und Christian Gaebler (SPD) warben um Verständnis. „Wir haken das Thema nicht nur einfach ab und wollen uns in der gesamten Legislaturperiode damit beschäftigen“, sagte Gaebler.
Daneben debattierten SPD und CDU auch über das Straßenausbaubeitragsgesetz. Es gilt als Knackpunkt in den Verhandlungen. Nach dem Gesetz müssen sich Anwohner an den Sanierungskosten beteiligen. Die CDU hatte in der Opposition die Regelung als „Abzocke“ kritisiert.
Geklärt werden müssen auch noch die Positionen zur Umweltzone in Berlin und zur Zukunft der S-Bahn, deren Netz nach massiven Zugausfällen in den vergangenen Wintern jetzt neu ausgeschrieben werden soll. Die SPD setzt sich dagegen für eine Fortführung der S-Bahn in kommunaler Hand – beispielsweise durch die Berliner Verkehrsbetriebe – ein.
Erstmals haben SPD und CDU in Berlin am Dienstag ihre Koalitionsverhandlungen unterbrochen – und auf Mittwoch vertagt. Der Grund waren aber nicht unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten, sondern schlichte Zeitnot. Am Nachmittag begannen die Fraktionssitzungen zur Vorbereitung der ersten Arbeitsplenarsitzung des Abgeordnetenhauses an diesem Donnerstag. Auf der Tagesordnung der 8. Koalitionsrunde standen die Themen Stadtentwicklung, Wohnungsbau und Verkehr. An diesem Mittwoch um 13 Uhr soll die 8. Runde fortgesetzt werden.
Beide Parteien schwiegen nach den gut zwei Stunden Verhandlungen eisern. Man habe verabredet, keine Zwischenergebnisse bekanntzugeben, hieß es hinterher. Der CDU-Chefunterhändler in dieser Arbeitsgruppe, Bernd Krömer, sagte nur, der Komplex Stadtentwicklung sei bereits abgearbeitet. Die Arbeitsatmosphäre sei wieder gut gewesen. Nach Einschätzung Krömers könne man am Mittwoch in weiteren zwei Stunden durch sein.
Im Mittelpunkt der Beratungen stand ein Konzept, wie künftig genügend bezahlbarer Wohnraum auch für kleine Einkommen gesichert werden kann. Schon vorab hatten sich Sozial- und Christdemokraten darauf verständigt, dass künftig 6000 neue Wohnungen pro Jahr vor allem für diesen Personenkreis gebaut werden sollen. Erreicht werden soll das durch Zusammenwirken der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und mehr Bautätigkeit von Privatinvestoren. Auf Wunsch der CDU sollen ihnen vergünstigte Grundstücke angeboten werden, wenn sie sich im Gegenzug zu niedrigen Mieten verpflichten.
Vor dem Roten Rathaus demonstrierten rund 50 Mieter aus ganz Berlin gegen die teils drastisch gestiegenen Mieten im sozialen Wohnungsbau. Sie überreichten den Verhandlern ein Dossier, in dem sie auf die Verdrängungsprobleme in vielen Kiezen durch Luxusmodernisierungen und erhöhte Mieten aufmerksam machen.
„Wer Berlin verstehen will, muss die Wohnungs- und Mietenfrage lösen“, formulieren sie darin in Anspielung auf das Wahlkampfmotto der SPD und ihres Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) „Berlin verstehen“. Sie fordern, dass auch einkommensschwache Bürger sich künftig noch Wohnungen in der Innenstadt leisten können müssten.
Ebenso sollte es um die Zukunft der S-Bahn gehen. Das Thema sei aber noch nicht besprochen worden, hieß es. Für die seit mehr als zwei Jahren von Sicherheitspannen und Zugausfällen krisengeschüttelte S-Bahn läuft Ende 2017 der Verkehrsvertrag mit dem Land aus. Die CDU hatte in ihrem Konzept gefordert, mit der S-Bahn einen Sanierungsvertrag abzuschließen und dann Teilstecken auszuschreiben. Die SPD möchte den Betrieb in einer Hand lassen und prüft, ob künftig die landeseigene BVG dies übernehmen könnte.
Auch ein Weiterbau der A100 über Treptow hinaus bis nach Friedrichshain ist umstritten. Die CDU möchte diesen 17. Bauabschnitt nicht aus dem Auge verlieren, die SPD ist da zurückhaltender. In dieser Legislatur bis 2016 würde aber ohnehin nicht mit dem Bau des 17. Abschnitts begonnen.