Das Gesicht von Sebastian V. ist nur selten zu sehen im Saal 618 des Moabiter Kriminalgerichts. Geduckt sitzt der 33-Jährige auf der Anklagebank – als gehöre er gar nicht dazu und habe nichts zu tun mit dem, was am 21. Mai dieses Jahres in einer Plattenbauwohnung in Hohenschönhausen geschah.
An jenem Tag hatte Sebastian V. gegen 5.40 Uhr bei der Feuerwehr angerufen und aufgeregt gemeldet, dass seine Freundin Dana R. schwer verletzt sei und stark blutend in ihrer Wohnung liege. Der Notarzt konnte die junge Frau nicht mehr retten. Die 29-Jährige hatte eine tiefe Schnittwunde an der Kehle und starb an einer Herzembolie. Täter war eindeutig Sebastian V. Der gelernte Fleischer hatte schon bei seiner Festnahme alles gestanden. Spuren am Tatort in Hohenschönhausen und Aussagen von Nachbarn ließen auch keine Zweifel. Unklar ist bislang jedoch das Motiv. Und strittig ist, wie diese Tat am Ende vom Schwurgericht gewertet werden muss.
Mit dem Messer angeschlichen?
Staatsanwältin Katrin Faust geht im Anklagesatz davon aus, dass sich Sebastian V. seiner Freundin mit einem Fleischermesser von hinten näherte. Sie habe auf der Couch gelegen, „dabei dem Angeschuldigten den Rücken zugewandt“ und sei sich keiner Gefahr bewusst gewesen. „Völlig überraschend“ habe er ihr dann „einen tiefen Schnitt in die Halsvorderseite“ versetzt, um sie töten – letztlich also ein heimtückischer Mord. Sebastian V.s Verteidiger Mirko Röder sieht es anders. Sein Mandant werde sich zu Prozessbeginn noch nicht persönlich äußern, so Röder. Er werde jedoch eine Erklärung des Angeklagten verlesen. Und die wiederum beziehe sich darauf, was der Angeklagte einem forensischen Psychiater für dessen Gutachten erzählte.
Sebastian V. berichtet dort von einem Abend, den er und Dana R. zunächst mit einem Paar aus der Nachbarwohnung verbrachten. Es sei reichlich Weißwein getrunken worden. Und erst gegen drei Uhr hätten die Nachbarn Dana R.s Wohnung verlassen. Anschließend seien er und die Freundin mal wieder in Streit geraten. Er wusste nicht mehr genau, worum es ging. Es könnten Vorhaltungen gewesen sein, dass er sich nicht genügend um Arbeit bemühe. Obwohl er sich einen Tag vor der Tat erfolgreich bei einer Metzgerei beworben habe. Es könnten auch Zweifel an seinen Qualitäten im Bett gewesen sein.
Er habe dann aus einer Tasche, in der er persönliche Dinge mit sich führte, ein Fleischermesser entnommen, heißt es in dem Gutachten. Mit diesem Messer sei er – für Dana R. „gut sichtbar“ – auf sie zugelaufen und habe es ihr von vorn am Hals angesetzt. Sie habe nichts gesagt. Und er habe ihr „einen Schnitt von links nach rechts zugefügt“. Daraufhin habe sie gefragt, ob er spinne. Sie habe sich aber nicht gewehrt.
Als er das Blut sah, so der Angeklagte, sei er in Panik geraten, habe die Wunde mit einem Klebeband zu stillen versucht und schließlich den Notarzt und die Polizei gerufen. „Ich stehe völlig fassungslos vor dem Geschehen und kann es selber nicht begreifen“, beendet der 33 Jahre alte Mann seine Erklärung vor Gericht. „Ich bereue die Tat sehr, sie ist jedoch nicht rückgängig zu machen.“
Die Nachbarn bestätigen vor Gericht, dass sie in dieser Nacht mit Sebastian V. und Dana R. zusammen in der Hohenschönhauser Wohnung saßen. Die beiden hätten sich oft gestritten, sagt die 24-jährige Jessica G. Auch an dem Abend sei es hoch hergegangen. Sie und ihr Partner hätten sich diskret auf den Balkon zurückgezogen. Worum es bei dem Zank ging, hätte sie nicht verstanden. Sebastian V. sei aber, wie fast immer, der Ruhigere gewesen. Er sei „eigentlich ein ausgeglichener, freundlicher Mensch. Einer, der immer viel gelacht hat“. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.