Die Krise innerhalb der Grünen spitzt sich zu und spaltet die Fraktion. Der linke Parteiflügel fühlt sich nach den Wahlen zum Fraktionsvorsitz ausgegrenzt. Nun sucht die Partei nach einem Vermittler. Die SPD sieht sich bestätigt und hält die Grünen noch immer für nicht regierungsfähig.
Fünf Wochen nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus befindet sich die Fraktion der Grünen in einer schweren Krise. Der linke Parteiflügel erkennt die gewählte Fraktionsspitze nicht an, fordert den Rücktritt eines Vorsitzenden und verweigert die Mitarbeit im Vorstand der neuen grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Wir haben viel zu lange geschwiegen“, sagte der Sprecher des linken Fraktionsflügels, Dirk Behrendt. „Wir fühlen uns ausgegrenzt.“
Obwohl sie einen erheblichen Teil der Fraktion darstellten, würden sie vom Realoflügel schlecht behandelt. „Wir werden nicht mit Respekt behandelt, wie es eigentlich gute Sitte bei den Grünen ist“, kritisierte Behrendt.
Einen Tag zuvor waren die linken Kandidaten Canan Bayram und Dirk Behrendt bei den Wahlen zum Fraktionsvorsitz durchgefallen . Während Bayram deutlich gegen die bisherige Fraktionschefin Ramona Pop verloren hatte, hatte Volker Ratzmann zwei Wahlgänge benötigt, um sich schließlich mit der knappsten Mehrheit von 15 zu 13 Stimmen gegen Behrendt durchzusetzen.
Der linke Flügel kündigte daraufhin an, künftig eigene Positionen selbstständig nach außen zu vertreten, sollte sich in der Fraktion keine Mehrheit für ihn finden. „Wir müssen unsere Positionen selber vertreten, weil die beiden Vorsitzenden das nicht können“, sagte Bayram.
Persönliche Differenzen
Hinter dem Streit stehen vor allem persönliche Differenzen zwischen Behrendt und Bayram auf der einen Seite und Pop und Ratzmann auf der anderen Seite. Die Kritiker des alten und neuen Chefduos werfen beiden Realo-Politikern vor, sich mit der Öffnung der Partei ins bürgerliche Lager auf einem Irrweg zu begeben. Sie fordern eine scharfe Abgrenzung zur CDU.
Die gewählte Fraktionsspitze lehnte die Rücktrittsforderung ab. „Einen Tag nach einer Vorstandswahl sollte man nicht Rücktritte fordern oder anbieten“, sagte Ramona Pop. Es habe demokratische Wahlen zum Fraktionsvorstand gegeben. „Die Fraktion hat sich für Kontinuität entschieden.“ Zudem seien die weiteren Vorstandsposten bewusst offen gelassen worden, um auch den linken Flügel einzubinden. Sie befürworte, schnell einen Parteitag einzuberufen, um die Wahl auszuwerten und eine Oppositionsstrategie zu entwickeln.
Ratzmann zeigte sich am Mittwoch „erschüttert“ darüber, dass die Linken die gewählte Fraktionsspitze nicht akzeptieren wollen. Er sprach von einer „veritablen Krise“ und sah die Arbeitsfähigkeit der Fraktion bedroht.
Trotz der Wahlniederlage für ihre Kandidaten fordern die Fundis weiter einen Spitzenposten in der Fraktion für sich. Für Stellvertreterposten, die die Partei in der kommenden Woche wählen will, werde kein Kandidat zur Verfügung stehen, sagten Behrendt und Bayram gemeinsam. Wenn absehbar sei, dass es keine Mehrheit für ihre Positionen gebe, sei eine Mitarbeit sinnlos, sagte die neu im Parlament vertretene Susanna Kahlefeld. Sie hatte ursprünglich vor, für den Vizeposten im Vorstand zu kandidieren, werde das aber jetzt unterlassen, kündigte sie am Mittwoch an.
Der Streit zwischen den Parteiflügeln scheint schwer aufzulösen. „Wir haben eine Krise“, sagte Behrendt. „Wir brauchen Hilfe von außen.“ Derzeit werde nach einem Vermittler in der Partei gesucht, der beide Seiten versöhne. Bis es soweit ist, werde die Fraktionslinke sich weiter inhaltlich einbringen, kündigten die Vertreter der Linken an. Eine Abspaltung der Parteigruppierung schlossen sie aus. „Ich bin seit 1994 in der Partei, habe meinen Wahlkreis mit fast 50 Prozent gewonnen und bei der Wahl zum Fraktionsvorsitz 48 Prozent der Stimmen erhalten, das sehe ich als Bestätigung“, sagte Behrendt.
Die Landespartei rief beide Seiten zur Vernunft auf. Bettina Jarasch und Daniel Wesener warnten vor sich vertiefenden Gräben in Partei und Fraktion. Die Abgeordneten verlören dabei die Erwartungen ihrer Wähler aus dem Blick. „Wir müssen der Rolle als Oppositionsführerin gerecht werden, den rot-schwarzen Senat treiben, politische Alternativen und Konzepte formulieren, die Berlin voranbringen“, forderten sie.
Nicht regierungsfähig
Die Grünen waren gestärkt aus den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 18. September hervorgegangen. Sie legten knapp fünf Prozent in der Wählergunst zu und konnten 17,6 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Dennoch empfanden viele Grüne das Ergebnis als Niederlage. In früheren Umfragen lag die Partei zwischenzeitlich bei 30 Prozent und damit vor SPD und CDU. Am Ende landeten die Grünen hinter den beiden Volksparteien. Die von beiden Seiten angestrebte rot-grüne Koalition ließ der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit nach nur einer Stunde Verhandlung platzen. Die Grünen seien noch immer nicht regierungsfähig, hieß es auf Seiten der SPD.