Das war knapp: Volker Ratzmann und Ramona Pop bleiben Fraktionschefs der Berliner Grünen. Sie gewann ihre Wahl deutlich, bei ihm lief es nicht ganz so glatt.

Der Angriff des linken Flügels der Grünen auf die Fraktionsspitze ist gescheitert. Am Dienstagabend bestätigten die 29 Abgeordneten der Partei Ramona Pop und Volker Ratzmann in ihren Ämtern. Davor hatte die Fraktion dramatisch um die personelle Neuausrichtung ihrer Politik gerungen, sich dann aber knapp für die alten Fraktionschefs entschieden. „Jetzt geht es darum, möglichst viel grüne Politik im Abgeordnetenhaus durchzusetzen“, sagte Volker Ratzmann nach der Wahl. Er habe den Anspruch, unabhängig vom Wahlergebnis für die ganze Fraktion zu sprechen.

Pop und Ratzmann gehören dem Realoflügel der Partei an. Gegen sie traten mit Canan Bayram und Dirk Behrendt zwei Politiker des linken Flügels der Partei an. Während Pop mit 17 zu elf Stimmen ihre Wahl deutlich gewann, benötigte Ratzmann zwei Wahlgänge. Im ersten war ein Patt entstanden. Jeweils 14 Stimmen vereinigten die Kandidaten auf sich. Wie zuvor stimmte ein Fraktionsmitglied gegen beide Bewerber. Im zweiten Wahlgang siegte Ratzmann mit 15 zu 13 mit der knappsten Mehrheit.

„Bei den Grünen geht nicht immer alles glatt“, kommentierte Ratzmann sein Wahlergebnis. Das vergangene Jahr sei für die Partei nicht einfach verlaufen. Erstmals hatten die Grünen den Anspruch auf das Rote Rathaus angemeldet und mit Renate Künast eine Spitzenkandidatin aufgestellt, die Amtsinhaber Klaus Wowereit besiegen sollte. Zur Not sollte das mit einer Mehrheit zusammen mit der CDU gelingen. Das Wahlergebnis fiel am 18. September anders aus.

Innerhalb der Partei hatte es im Wahlkampf erhebliche Widerstände gegen ein Bündnis mit der CDU gegeben. Der Unmut traf am Dienstag nun Ratzmann, dem die Fraktion zunächst die Gefolgschaft verweigerte. Dem linken Flügel werden zwölf Abgeordnete zugerechnet. Zunächst haben sich demnach drei Abgeordnete des Realoflügels gegen Juristen aus Pankow entschieden.

Neuanfang gefordert

Für Ratzmann war die knappe Wahl kein neues Ergebnis. Seit mittlerweile acht Jahren ist er Chef der Fraktion und erhält dabei jeweils die knappste Zustimmung. Im Jahr 2004 benötigte er drei Wahlgänge ohne Gegenkandidaten, um wiedergewählt zu werden.

Der linke Flügel zog sich nach den beiden Niederlagen zunächst zur Beratung zurück. „Die Ergebnisse der heutigen Wahlen zum Fraktionsvorstand haben uns erschüttert“, hieß es in einer Erklärung des Parteiflügels am Abend. „Die beiden alten und neuen Fraktionsvorsitzenden betrachten wir nicht als unsere Vertreter und damit nicht als Vertretung der Gesamtfraktion in der politischen Öffentlichkeit.“ Der Kurs der Spaltung und Ausgrenzung relevanter Teile der Fraktion werde durch diese Wahlen fortgesetzt, hieß es in der Erklärung weiter.

Nachdem die Hochschulpolitikerin Anja Schillhaneck als Kandidatin für das Amt der Parlamentsvizepräsidentin gewählt wurde, vertagten die Grünen sich zunächst. Die Parteilinke hat zu einem Treffen am heutigen Mittwoch geladen, auf dem sie ihr weiteres vorgehen erläutern will.

Nach dem ernüchternden Wahlergebnis von 17,6 Prozent bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 18. September hatten die Linken in der Partei einen personellen Neuanfang gefordert. Vor Monaten lag die Partei in Umfragen noch bei 30 Prozent. Dem starken linken Flügel, vor allem in Friedrichshain-Kreuzberg beheimatet, stehe deshalb ein Spitzenposten zu. Die Einheit der Fraktion sei nur zu erreichen, wenn eine der Spitzenpositionen mit einem Vertreter des linken Flügels besetzt sei.

Dirk Behrendt gilt seit langem als Ratzmanns Gegenspieler. Behrendt ist Kreuzberger Politiker und erzielte mit fast 50 Prozent in seinem Wahlkreis das beste Ergebnis für die Grünen. Schon zu Beginn der letzten Legislatur war er im Fraktionsvorstand vertreten, wurde aber sofort wieder abgewählt, weil er nach Ansicht der Fraktionskollegen jegliche Zusammenarbeit verweigerte. Weite Teile der Fraktion sprechen ihm die Teamfähigkeit ab. Umso erstaunlicher war sein Ergebnis am Dienstag. Mit 14 Stimmen konnte er zunächst fast die Hälfte der Fraktion auf seine Seite ziehen. Behrendt war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Bayram war erst vor zweieinhalb Jahren von der SPD zu den Grünen gewechselt. Die 45-Jährige wollte ihre Fraktion nach eigenen Angaben einen und zwischen den beiden Parteiflügeln vermitteln. Außerdem wollte sie die Themen Integration und Frauenpolitik in der Fraktion stärker berücksichtigt sehen.

Unterstützung hatte der linke Flügel zuletzt auch aus der Partei erhalten. Etwa 100 grüne Mitglieder richteten einen Appell an die Fraktion, beide Seiten an der Fraktionsspitze zum Zuge kommen zu lassen. Zu den Unterzeichnern gehörten auch die Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland und Lisa Paus.

Nach den Personalwahlen soll nach dem Willen der Fraktionsspitze jetzt die inhaltliche Arbeit im Vordergrund stehen. „Als stärkste Oppositionspartei gibt es für uns im Parlament viel zu gewinnen“, sagte Ramona Pop. Beide hofften, dass die Personaldebatten die inhaltliche Zusammenarbeit nicht belaste.

Die Grünen hatten sich nach der Wahl bereits als Koalitionspartner der SPD gesehen, bis der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit die Koalitionsgespräche mit ihnen abbrach. Damit verweigerte die SPD bereits zum dritten Mal hintereinander den Grünen eine Regierungsbeteiligung. 2001 und 2006 entschied sich Wowereit für ein Bündnis mit der PDS/Linkspartei. Zurzeit verhandelt die SPD mit der CDU, obwohl eine Mehrheit innerhalb der SPD sich für ein rot-grünes Bündnis ausgesprochen hat.