Neuer Abfallkrieg

BSR zieht nun in die Altpapier-Schlacht

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Joachim Fahrun (mit dpa)

Die Tochterfirma des stadteigenen Unternehmens, die Berlin Recycling GmbH, hat sich mit Remondis zusammengeschlossen und die Wertstoff-Union Berlin gegründet. In Neukölln soll eine Papiermühle gebaut werden. Damit greift die BSR vor allem Konkurrent Alba an.

Die BSR will groß ins Geschäft mit der Aufbereitung von Altpapier einsteigen und damit ihrem Hauptkonkurrenten Alba Geschäfts- und Gewinnfelder nehmen. Ihre Tochterfirma Berlin Recycling GmbH hat sich mit Albas wichtigstem Konkurrenten Remondis, Deutschlands größtes Entsorgungsunternehmen mit Stammsitz in Lünen (Nordrhein-Westfalen), zusammengetan und die Wertstoff-Union Berlin gegründet. Mit ihr planen BSR und Remondis für neun Millionen Euro den Bau einer Altpapiersortieranlage an der Lahnstraße in Neukölln.

Bislang hatte sich die BSR auf das Einsammeln von Altpapier beschränkt, es bei ihrem größten Berliner Konkurrenten Alba aufbereiten lassen, dadurch aber auf Gewinne verzichtet. Durch das Zusammengehen mit dem Branchenriesen Remondis entsteht in Berlin jetzt auf dem gewinnträchtigen Gebiet der Wiederaufbereitung von Altpapier eine völlig neue Machtkonstellation. Derzeit zahlen die Papierfabriken für qualitativ gute Altpapiersorten pro Tonne deutlich mehr als 100 Euro. Berlin-Recycling-Chef Hanno Thielmann: „Wir müssen auf Augenhöhe kommen.“ Der Kampf um Marktanteile in Berlin kann zum offenen Papierkrieg mit Alba führen.

Die BSR-Tochter Berlin Recycling GmbH ist mit 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Jahresumsatz nach eigenen Angaben die einzige Firma, die flächendeckend in der gesamten Hauptstadt Papier sammelt. Andere Mitbewerber beschränken sich immer nur auf Teile der Stadt. Außerdem entsorgt die Berlin Recycling die Altglascontainer auf den öffentlichen Straßen.

Beide Partner profitieren

Ausschlaggebend für den Entschluss zur Zusammenarbeit mit Remondis war für die BSR, dass das westfälische Unternehmen das erforderliche Know-how mitbringt. Remondis wiederum profitiert auch: Es bekommt auf diesem Weg einen weiteren Fuß auf den Berliner Markt. „Wir versuchen, in den Großstädten Marktanteile zu erwerben“, sagte Burkhardt Greiff, der bei Remondis die kommunalen Projekte im Osten Deutschlands managt. Der Branchenriese Remondis verfügt im Osten über 18 Kooperationen mit kommunalen Unternehmen. In Berlin habe sich eine „Koalition mit Berlin Recycling“ als beste Variante erwiesen, sagte Greiff. In der geplanten Altpapiersortieranlage in Neukölln sollen pro Jahr 120.000 Tonnen Altpapier nach den jeweiligen Arten getrennt und dann an die Papierfabriken verkauft werden. Für den Abtransport steht ein Bahngleis zur Verfügung.

Das Zusammengehen der indirekt landeseigenen Firma mit Remondis hat im Abgeordnetenhaus Fragen aufgeworfen. Denn die SPD und die Linken hatten in der vergangenen Legislaturperiode entschieden, solche „öffentlich-privaten Partnerschaften“ zwischen privaten und landeseigenen Unternehmen nicht zuzulassen. Oft fehle Transparenz, auch seien die Vorteile für die Privaten nicht selten größer als für die kommunalen Partner, so die Begründung. Aber in diesem Fall hat der Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) als Aufsichtsratschef der BSR dem Deal zugestimmt: Es handele sich bei der BSR-Tochter um ein privates Unternehmen.

Kein Kommentar seitens der Konkurrenz

Der Kampf um den Wertstoff Papier dürfte nicht nur durch die schärfere Konkurrenz härter werden. In der Recyclingbranche gehen die Experten davon aus, dass der Papierverbrauch in Deutschland tendenziell zurückgehen wird, der Einsatz von Recyclingpapier lasse sich kaum noch steigern. Mit der angestrebten Kapazität von 120.000 Tonnen pro Jahr wird die neue Berliner Anlage und die Allianz von Berlin Recycling und Remondis jedoch Bewegung in den Berliner Entsorgungsmarkt bringen. Insgesamt werden in Berlin bis zu 600.000 Tonnen Altpapier pro Jahr entsorgt. Aber alle Beteiligten gehen davon aus, dass die neuen Sortierkapazitäten dazu führen werden, kleineren Anlagen im Umland Probleme zu verursachen. Beim Wettbewerber Alba will man die neue Allianz nicht kommentieren.

„Die Genehmigungsanträge sind eingereicht“, sagte Berlin Recycling-Geschäftsführer Thielmann zum Stand der Bauvorbereitungen. Wegen des unsicheren Grundes am Kanal habe es ein paar Verzögerungen bei der Planung der 70 mal 70 Meter großen Halle gegeben. In Betrieb gehen soll die Anlage im Sommer 2012. An Erfahrung mangelt es nicht. Remondis sortiert in 60 Anlagen in Deutschland zwei Millionen Tonnen Altpapier.

Mit den Auseinandersetzungen zwischen der BSR und Alba um die Wertstoffe aus der Gelben Tonne plus oder der orangefarbenen Tonne, die kürzlich als Müllkrieg Schlagzeilen machten, habe die neue Allianz beim Papier nichts zu tun, versicherte Thielmann. Sein Unternehmen BSR musste am Dienstag einen Rückschlag hinnehmen: Alba darf in Berlin vorläufig weiter mit seiner Gelben Tonne plus Metalle, kleinen Elektroschrott, Holz und Plastik sammeln, das System aber nicht ausweiten, teilte das Oberverwaltungsgericht (OVG) mit. Die Senatsverwaltung für Umwelt hatte Alba im August 2010 verboten, diese Abfallarten weiter einzusammeln. Die OVG-Entscheidung ist vorläufig, die Rechtmäßigkeit des Verbots wurde nicht abschließend geprüft.