Klaus Wowereit und Frank Henkel müssen sich ein neues Symbol ihrer Eintracht einfallen lassen, wenn sie am Montag zum zweiten Mal Einigkeit demonstrieren wollen. Zur ersten großen Runde der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU Mitte vergangener Woche waren die beiden Verhandlungsführer demonstrativ lässig mit offenem Hemdkragen und dunkelblauen Anzügen erschienen – entspannter Partnerlook. Nun tritt die Runde wieder zusammen, und man darf davon ausgehen, dass wieder ein harmonisches Bild nach außen getragen werden soll. Dabei werden laut Koalitions-Fahrplan am Montag schon erste Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen besprochen, bei deren Findung es nicht immer allzu einträchtig zugegangen sein dürfte.
Als erstes sollen am Montag die Beratungen der Arbeitsgruppe Kultur und Senatskanzlei zu Ende geführt werden. Der wohl größte Streitpunkt der Verhandlungen dürfte die Landesbibliothek gewesen sein, die Wowereit für 270 Millionen Euro in Tempelhof bauen lassen will. Der CDU ist das Vorhaben zu teuer, sie nannte es in ihrem Wahlprogramm einen „sinnlosen Neubau“. Die Union will lieber die Amerika-Gedenkbibliothek und die Bibliothek an der Breiten Straße in Mitte sanieren lassen. Die CDU zeigte sich zuletzt aber optimistisch, dass beide Parteien für ihre doch sehr gegensätzlichen Vorstellungen eine gemeinsame Lösung finden würden. Strittig ist auch die Finanzierung der neuen Kunsthalle, für die die CDU lieber private Investoren finden will.
Vertraulichkeit eingehalten
Als Chefs der Arbeitsgruppe für den Themenbereich Senatskanzlei und Kultur saßen sich Wowereit und der CDU-Kulturexperte Michael Braun gegenüber. Weniger umstritten als die Kulturpolitik dürfte für die beiden etwa das Thema Flughafen Schönefeld sein, das wie die Medien- und Bundespolitik ebenfalls in die Verantwortung der Senatskanzlei fällt. SPD und CDU hatten in der Vergangenheit beide deutlich gemacht, wie wichtig ein leistungsfähiger Flughafen für die wirtschaftliche Entwicklung der Region sei.
Auffällig ist, dass aus den Arbeitsgruppen nicht einmal hinter vorgehaltener Hand böse Worte übereinander laut werden. Jahrelang haben sich Sozial- und Christdemokraten gegenseitig im Abgeordnetenhaus die Fähigkeit zur vernünftigen Politik in Abrede gestellt, nun wurde erstaunlich geräuschlos in den Modus große Koalition umgeschaltet.
Nach den Verhandlungen im kleinen Kreis drangen keine Details nach draußen. Das Versprechen, Ergebnisse der Gespräche vertraulich zu behandeln, wurde bislang eingehalten. Die Beschlüsse seien ohnehin nur vorläufig, bis sie in der großen Runde abschließend beraten werden, sagte der Regierende Bürgermeister. Das also soll nun auf dem Programm stehen. Nach der Präsentation der Ergebnisse in der großen Runde wollen die künftigen Koalitionäre dann auch die Öffentlichkeit über die ersten Fixpunkte informieren.
In der großen Verhandlungsrunde kommen alle Verhandlungsführer zusammen, die ihre Themen zwischenzeitlich in Arbeitsgruppen mit den Fachleuten ihrer Parteien aushandelt haben. Der thematische Zuschnitt der acht Arbeitsgruppen orientiert sich an dem der Senatsressorts.
Überraschend zügig haben die Unterhändler offenbar das Thema Justiz abgearbeitet. Dem Vernehmen nach sind die Vereinbarungen bereits abstimmungsbereit. Das Thema könnte theoretisch also in der Sitzung am Montag abgeschlossen werden – eigentlich sollen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Inneres und Justiz aber erst am Freitag präsentiert werden. Zu diesem Themenfeld gehören auch die Bereiche Sport, Verfassungsschutz und Verwaltungsreform.
Streitpunkt Linksextremismus
Während die Arbeitsgruppe unter Leitung von SPD-Vorstandsmitglied Barbara Loth und CDU-Rechtsexpertin Cornelia Seibeld vergangene Woche ihre Beratungen begann, herrschte bundesweit gerade ein heftiger Streit zwischen Unions- und SPD-Politikern über den Umgang mit linksextremistischer Bedrohung. Nach den versuchten Brandanschlägen auf den Berliner Bahnverkehr warnte die CDU vor einem neuen Linksterrorismus, die SPD dagegen vor Übertreibungen. Zwar hielten sich die Berliner bei Äußerungen zu diesem Thema zurück, doch dürfte die Frage, ob der Verfassungsschutz sich mehr um Linksextremisten kümmern sollte, die Verhandlungsgruppe beschäftigt haben.
Auch die Frage nach der Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte, die der rot-rote Senat eingeführt hatte, ist ein Streitpunkt zwischen Schwarz und Rot. Einigkeit dürfte dagegen bei der Frage herrschen, ob es mehr Polizeibeamte geben soll. Die CDU hatte zuletzt 250 neue Beamte gefordert, die SPD 200. Nach außen hin trugen die Unterhändler für innere Sicherheit, in der Vergangenheit Top-Streitthema zwischen den Parteien, bisher ebenfalls zum Bild der harmonischen Koalitionsbildung bei. Als „überraschend angenehm“ bezeichnete etwa CDU-Innenexperte Andreas Gram die Gespräche. Bis zum 15. November soll die große Koalition stehen.