Entschädigung

Jesuiten-Orden will Klagen von Opfern abwarten

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Die Missbrauchsopfer der früheren Berliner Canisius-Patres können auf ein pauschales Entgegenkommen des Jesuitenordens nicht zählen. Wenn eine Klage auf Schadenersatz vorgelegt werden sollte, müsse diese zunächst juristisch geprüft und dann das weitere Verfahren geklärt werden, heißt es.

Der Jesuitenorden lehnt eine generelle Entschädigung von Missbrauchsopfern der früheren Canisius-Patres ab. „Es wird keine Blanko-Entschädigungsangebote geben“, sagte der Sprecher des Provinzialats der deutschen Jesuiten in München, Thomas Busch, am Dienstag.

Zumindest neun der mehr als 100 ehemaligen Schüler des Canisius-Kollegs in Tiergarten, die in den 70er- und 80er-Jahren von ihren Lehrern belästigt wurden, hatten auf eine finanzielle Entschädigung seitens des Ordens gehofft. Die von ihnen beauftragte Rechtsanwältin Manuela Groll hatte an die Jesuiten appelliert, von sich aus auf die Betroffenen zuzugehen. Diese Hoffnung wird nun – zumindest vorläufig – enttäuscht.

Man wolle „nicht in Vorhand gehen mit Angeboten“, das wäre ein „ein sinnloser Vorgriff und ein falsches Signal“, so der Provinzialat-Sprecher. Wenn dem Orden eine solche Klage auf Schadenersatz vorgelegt werden sollte, müsse diese zunächst juristisch geprüft und dann das weitere Verfahren geklärt werden. Weiter wolle man sich dazu nicht äußern.

Die als Ansprechpartnerin für Opfer engagierte Rechtsanwältin Ursula Raue will ihren Bericht zum Fall Canisius am Donnerstag vorlegen. Sie hatte in der vorvergangenen Woche im Provinzialat Einsicht in die Personalakten der drei beschuldigten Patres genommen. Nahezu täglich melden sich bei ihr weitere Opfer sexuellen Missbrauchs durch katholische Geistliche. Mittlerweile seien es weit über 100, so Raue am Dienstag. „Etliche ältere Herren aus ganz Deutschland sprechen erst jetzt, Jahrzehnte später, nachdem sie sehr lange darüber nachgedacht haben.“

Schon in den 60er-Jahren Missbrauch

Inzwischen mehrten sich bei ihr Hinweise darauf, dass es auch schon in den 60er-Jahren zu sexuellem Missbrauch am Canisius-Kolleg gekommen ist. Ehemalige Schüler des Aloisius-Kollegs in Bonn, an dem einer der beschuldigten Patres nach seiner Berliner Zeit unterrichtete, berichteten außerdem, dass dort auch in den 90er-Jahren noch Missbrauch stattgefunden habe.

Unterdessen meldete sich der als besonders konservativ geltende Augsburger Bischof Walter Mixa zu Wort. Er sehe jetzt Handlungsbedarf in der Kirche, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Die verschiedenen kirchlichen Institutionen müssten „hinsichtlich des Informationsflusses über Auffälligkeiten oder Fehlverhalten von Mitarbeitern möglicherweise auch noch besser vernetzt werden“. Das Thema soll kommende Woche auch auf der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Freiburg besprochen werden.

In Berlin Andacht für Opfer

Zu Vorwürfen, die Kirche habe Täter systematisch geschützt und Opfer ignoriert, sagte Mixa: „Ich schließe natürlich nicht aus, dass auch in der Kirche mancher Verantwortliche in der Vergangenheit gegenüber Sexualdelikten an Kindern und Jugendlichen zu blauäugig war und unberechtigterweise auf eine Besserung des Täters in einem anderen Aufgabenfeld gesetzt hat.“

Der Kirchenkritiker Eugen Drewermann macht die Strukturen der katholischen Kirche mitverantwortlich. Er forderte eine Änderung der repressiven Sexualmoral der katholischen Kirche. „Der kardinale Fehler der katholischen Kirche besteht darin, ihre Kleriker zu nötigen, zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zum Menschen alternativ zu wählen.“ Grünen-Chefin Claudia Roth verlangte indes eine glaubwürdige Antwort der Kirche, „wie sie das schwere seelische Leid bei vielen Menschen wiedergutmachen“ und „verhindern will, dass sich so etwas wiederholt“.

In Berlin soll am Mittwoch den Opfern sexuellen Missbrauchs durch katholische Geistliche gedacht werden. Um 19.30 Uhr laden die Berliner Jesuiten in die Gedenkkirche Maria Regina Martyrum am Heckerdamm 230 in Charlottenburg ein. „Tief betroffen von den Zeugnissen der Überlebenden sexueller Gewalt“ wolle man sich vor Gott im Gebet versammeln. Die Andacht soll bis 22 Uhr dauern.

„Wir möchten im stillen Gebet vor Gott und der Öffentlichkeit unsere Scham und Trauer ausdrücken über die Schuld einzelner Jesuiten und die Katastrophe institutionellen Wegsehens“, hieß es in einer Erklärung. Ausdrücklich gedankt werden soll den Menschen, „die uns durch ihr Sprechen ein Hinsehen auf unsere Vergangenheit erlauben“. Dadurch werde „die Möglichkeit der Umkehr und der Erneuerung eröffnet“.

( kle/dpa/ddp )