Petra Michaelis-Merzbach

Sie sorgt für eine reibungslose Berlin-Wahl

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Christina Brüning

Petra Michaelis-Merzbach ist Landeswahlleiterin für Berlin und damit die oberste Aufseherin über den Urnengang von gut 2,65 Millionen Menschen. Wenn bei ihrer Arbeit etwas schiefläuft, kann die gesamte Abgeordnetenhauswahl angefochten werden.

Fehler sind tabu. Allein der Gedanke daran, verursacht ihr Unbehagen. Petra Michaelis-Merzbach zieht die Brauen hoch, schüttelt den Kopf. „Fehler dürfen nicht passieren“, sagt sie. Es steht viel auf dem Spiel. Wenn bei ihrer Arbeit etwas schiefläuft, kann die gesamte Abgeordnetenhauswahl angefochten werden. Das wäre ein Skandal. Petra Michaelis-Merzbach ist Landeswahlleiterin für Berlin, die oberste Aufseherin über den Urnengang von gut 2,65 Millionen Menschen.

Für jeden, der am Sonntag zur Wahl geht, ist das Prozedere denkbar unspektakulär. Ein paar Wochen vor dem Wahltermin liegt ein graubeiger Brief mit der Wahlbenachrichtigung im Postkasten. Im besten Fall legt man ihn irgendwo ab, wo man ihn am Wahltag auch wiederfindet. Im ungünstigen Fall versteckt er sich am Sonntag unauffindbar unter dem Stapel Rechnungen auf dem Schreibtisch. Aber auch das Problem ist lösbar: Dann geht man ohne Benachrichtigung ins angestammte Wahllokal, zeigt den Helfern hinter den Tischen dort den Personalausweis, diese schauen in ihre langen Listen, nicken freundlich, man macht seine Kreuze hinter dem Vorhang, füllt die Urne und genießt den Rest des Sonntags.

Wer dafür gesorgt hat, dass es Wahlbenachrichtigungen, freundliche Helfer und Wahlkabinen in Klassenzimmern gibt, dazu bunte Stimmzettel mit Namen und Parteien in einer ganz bestimmten Reihenfolge darauf, die dafür sorgen, dass Berlin alle fünf Jahre eine neue demokratisch legitimierte Regierung bekommt – darüber macht man sich ja an so einem Wahlsonntag eher keine Gedanken. Nur wenn irgendetwas davon fehlen würde, dann würde man es merken.

Vom Gericht zur Innenverwaltung

„Ich bin dafür verantwortlich, dass die Wahlen in Berlin rechtmäßig vorbereitet und durchgeführt werden“, sagt Petra Michaelis-Merzbach über ihren Job. Die 53-Jährige ist Juristin inklusive Doktortitel und war lange Zeit Richterin am Verwaltungsgericht in Berlin. 2008 ist sie in die Senatsverwaltung für Inneres gewechselt. Dort, in dem Gebäude an der Klosterstraße ist sie Referatsleiterin für Staats- und Verfassungsrecht. „Die Landeswahlleiterin ist für mich nur ein Nebenamt“, sagt sie. Für dieses Amt wurde sie vom Senat auf unbestimmte Zeit bestellt.

Die Landeswahlleiterin Michaelis-Merzbach ist im Vergleich zur Beamtin Michaelis-Merzbach keinen Weisungen unterworfen und muss unabhängig handeln. Beide Jobs in Personalunion auszufüllen führt zuweilen zu Denksportaufgaben. „Ich muss immer überlegen, ob ich in einer Frage als Beamtin oder in meiner Funktion als Wahlleiterin angesprochen bin“, sagt die großgewachsene Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt. „Die Unabhängigkeit als Landeswahlleiterin zu wahren, ist für mich kein Problem, weil ich auch als Richterin immer unabhängig war.“ Michaelis-Merzbach ist eine ruhige Frau, wenn sie redet, verspricht sie sich selten, formuliert bedächtig und akkurat. Ihr Auftreten im schicken Kostüm und sorgfältigem Make-up unterstreicht den Eindruck, dass Berlins Wahlen in den Händen einer gewissenhaften Frau liegen.

Nicht nur die Wahl zum Abgeordnetenhaus und die in den Bezirken muss sie betreuen. Auch jede Bundestagswahl oder Europawahl wird für Berlin von ihr überwacht. Alle Einzelheiten bei der Vorbereitung sind gesetzlich streng geregelt. „Das ist auch gut so, bei so einer wichtigen Angelegenheit wie einer Wahl darf es keine Entscheidungsspielräume geben, die hinterher angefochten werden können“, sagt Michaelis-Merzbach.

Einen Einblick in all die Schritte der Vorbereitung, die vor einer Wahl wie der am 18. September berücksichtigt werden müssen, gibt eine Übersicht zu „Fristen und Terminen“ der aktuellen Wahl. Am 24. September 2010 etwa ist die Aufstellung der Bewerber durch die Parteien angelaufen. Drei Monate vor der Wahl wird geprüft, wer seinen Hauptwohnsitz in Berlin hat und damit wählen und gewählt werden darf. 58 Tage vor der Wahl wird über die Zulassung der Parteien zur Wahl entschieden. 46 Tage zuvor beginnt der Versand der Wahlbenachrichtigungen. Und so weiter. Als letzten Termin zeigt die Übersicht den „Zusammentritt des neu gewählten Abgeordnetenhauses“ – Frist: sechs Wochen nach der Wahl. Am 27. Oktober ist für die Landeswahlleiterin der Stress dann erst einmal vorbei.

Bisher sei alles gut gelaufen, sagt sie. Am Sonntag aber, da gelte es noch einige Hürden zu nehmen. „Es fängt schon damit an, dass jedes Wahllokal auch wirklich besetzt sein und um acht Uhr morgens pünktlich öffnen muss. Manchmal erscheinen Wahlhelfer einfach nicht.“ 17.000 freiwillige Helfer sind nötig, um in den 1736 Wahllokalen für einen reibungslosen Ablauf des Urnengangs zu sorgen. Die meisten der Helfer kommen aus dem öffentlichen Dienst, sind zum Beispiel Lehrer. „Wir haben aber auch im ‚Berliner Fenster' in der U-Bahn dafür geworben“, sagt die Wahl-Aufseherin.

Wenn um 18 Uhr die Wahllokale schließen, beginnt die nächste Herausforderung. Dann muss schnell ausgezählt werden, was in den Urnen steckt. Das vorläufige Endergebnis kann erst bekanntgegeben werden, wenn auch das letzte Wahllokal seine Daten durchgegeben hat – und diese nicht rein rechnerisch unmögliche Ergebnisse aufweisen, so wie es einmal vor fünf Jahren passiert ist. Da musste dann alles dort noch einmal gezählt werden. „Vor allem hoffe ich, dass die Computer nicht versagen“, sagt Michaelis-Merzbach. Das wäre wohl der Gau. „Aber es gibt Mechanismen, sodass nicht alle PC auf einmal ausfallen können.“

An ihre erste eigene Wahl kann sie sich nicht mehr erinnern. „Aber ich habe an jeder Wahl teilgenommen“, sagt Michaelis-Merzbach. „Jeder muss sich klarmachen, dass er so Politik mitgestalten kann.“ Ihr Amt erscheine vielen etwas trocken, gibt sie zu. Trotzdem erfülle es sie, die sich selbst als „Ur-Berlinerin“ bezeichnet, mit Stolz. Michaelis-Merzbach ist in Dahlem aufgewachsen, wo sie auch heute wieder wohnt. Studiert hat die Juristin an der Freien Universität. „Ich freue mich sehr darüber, dass ich diese wichtige Aufgabe für meine Stadt erfüllen darf“, sagt sie.