750 Pumpstationen sollen neue Bauteile erhalten, um Verunreinigungen des Trinkwassers wie im Juli in Spandau zu verhindern. Auf 500.000 bis zu einer Million Euro werden sich die Kosten dafür belaufen.
Der Graureiher, der über dem Havelaltarm am Stößensee sitzt, lässt sich überhaupt nicht stören. Nicht von dem Kranwagen, der sich in diesen Tagen zwischen den Brunnen des Wasserwerks Tiefwerder durch den aufgeweichten Boden quält. Auch nicht von den Männern mit den blauen Helmen, die Betondeckel aufklappen, ausgebaute Pumpen durch das Gras schleppen und lange Rohre in metertiefen Schächten versenken. Schon gar nicht von dem noch immer deutlich über Normalpegel dahin treibenden Wasser, das die Unruhe auf dem sonst so abgeschiedenen Gelände mit verursacht hat.
An ein schnelles Ende der Umtriebigkeit ist nicht zu denken. Aufgescheucht durch Verunreinigungen des Trinkwassers in Spandau im Juli, prüfen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) derzeit die Dichtheit aller 750 Brunnen, aus denen die Hauptstädter ihr Wasser beziehen. Innerhalb von voraussichtlich drei Jahren sollen außerdem an allen Brunnen die Dichtungen durch einen neuen Bautyp ersetzt werden. Das Unternehmen will sich für den Fall wappnen, dass sich wochenlange Niederschläge mit extremen Starkregen wie in diesem Sommer wiederholen. 200 Liter pro Quadratmeter waren auf Berlin niedergegangen, das entspricht dem Vierfachen der üblichen Niederschlagsmenge. Die Folge: Nicht nur die Gewässer traten über die Ufer. Auch im Boden konnte das Wasser nicht ausreichend versickern, teils bildete sich Stauwasser, das im Wasserwerk Spandau auch in einige Brunnen und damit ins Trinkwasser gelangte.
Dichtungsmängel in neun Brunnen
Drei Tage lang mussten rund 200.000 Verbraucher ihr Wasser vorsorglich abkochen. Zusätzlich wurde das Trinkwasser gechlort. Parallel wurde mit Hochdruck nach Eintragsstellen in dem an sich hermetisch abgeschlossenen System der Wasserversorgung gesucht. Alterungserscheinungen an den Bauten, so die erste Vermutung, seien Schuld an dem Störfall, infolgedessen 22 der 30 aktiven Brunnen des Spandauer Werks vom Netz genommen worden waren. „Schwierig wurde es, als wir mit herkömmlichen Verfahren getestet und dabei festgestellt haben: Es ist doch alles dicht“, sagt Jens Feddern, Leiter des Bereichs Wasserversorgung bei den BWB. Schuld waren die auch in anderen Wasserwerken gebräuchlichen Dichtungsschläuche, die zwischen dem bis zu 100 Meter in den Boden gebohrten Rohr und dem oberflächlich sichtbaren Brunnenkörper sitzen. Diese quellen bei Feuchtigkeit auf und füllen mögliche Ritzen optimal aus. Im Normalfall: „In 99,9 Prozent der Fälle hat das funktioniert, und das seit zehn, fünfzehn Jahren“, so Feddern. Weil das Quellen des Kunststoffes aber nicht so schnell ging, als in diesem Sommer der Boden mit Regenwasser übersättigt wurde, konnte für kurze Zeit doch Oberflächenwasser in den Brunnen sickern – und mit ihm coliforme Keime. Auf die Schliche kamen die Kontrolleure dem Problem erst mit einer selbst entwickelten neuen Prüftechnik, die jetzt überall in Berlin eingesetzt werden soll. Bei neun der in Tiefwerder bereits geprüften 12 Brunnen hatten diese Tests Dichtungsmängel signalisiert.
36.000 Laborproben im Jahr
Wie sicher die neuen Dichtungen sein werden, muss die Zukunft zeigen. Anders als das bisherige, flexible und wartungsarme System, werden die aus Stahlringen und Gummielementen zusammengesetzten Bauteile fest verschraubt. „Für jeden Brunnen muss eine individuelle Dichtung angefertigt werden, was jeweils 10 Tage dauert“, sagt Ralf Binz, Chef des Wasserwerkes Beelitzhof. Bis zu 300 Brunnen, die für Berlins Dauerversorgung gebraucht werden, sollen bis zum Frühjahr fertig sein. Begonnen wird in besonders risikobehafteten Wasserwerke wie Tiefwerder, wo die Brunnen nur wenige Meter von der Havel entfernt liegen. Der Rest folgt in den kommenden zweieinhalb Jahren. Auf 500.000 bis zu einer Million Euro schätzt Jens Feddern die Kosten.
Dafür sollen dann bei den bis zu 36.000 Wasserproben, die die Wasserbetriebe pro Jahr untersuchen lassen, Qualitätsmängel wie im Juli möglichst ausgeschlossen werden. Damals waren im Labor der Wasserbetriebe in Ruhleben die coliformen Keime in einem 18-Stunden-Schnelltest aufgefallen. Kräftig gelb färbt sich die von Mikrobiologin Uta Böckelmann angesetzte Probe, sind in dem Wasser entsprechende Bakterien vorhanden. UV-Licht lässt die mit den besonders gefährlichen E-Colibakterien verunreinigten Proben sogar blau leuchten. „Coliforme Keime selbst schaden dem Menschen allerdings gar nicht, sind aber ein Anzeiger für eine fäkale Verunreinigung“, sagt Böckelmann. Diese könne Durchfall und Erbrechen hervorrufen.