Um kurz vor 11 Uhr ist es am Freitag so weit. Fast im Schritttempo rollt der erste S-Bahn-Zug in den Bahnhof unter dem Flughafenterminal. Gut 40 Minuten hat die Fahrt von der nur wenige Kilometer entfernten Station Waßmannsdorf auf die unterirdische Baustelle in Schönefeld gedauert – durch die Wiesen und Brachen rund um den Airport, hinunter in den Tunnel, der in den Bauch des Flughafens führt. Immer wieder muss Triebfahrzeugführer Jens Gerasch anhalten. Weichen müssen von Hand gestellt werden. Messingenieur Wolfgang Rehberg kontrolliert bei der Schleichfahrt die Abstände der Stromschienen zu den Stromabnehmern am Zug – per Augenschein und nach Gehör, wie er sagt. Notfallmanager Jens-Peter Bischof erkundet die Notausgänge und richtigen Haltepunkte für eine Evakuierung im 1,9 Kilometer langen Flughafentunnel. Nichts soll schiefgehen, wenn im Juni 2012 der reguläre Betrieb auf der S-Bahnstrecke zum neuen Hauptstadtflughafen anläuft. Deshalb diese Premierenfahrt im Bummeltempo.
Bauarbeiten fast abgeschlossen
Gebaut hat die Bahn schneller. Schon Ende Oktober wird der neue Bahnhof „Flughafen Berlin-Brandenburg“ in Betrieb genommen – pünktlich zur ursprünglich geplanten Airporteröffnung. Die S-Bahn, die Fern- und Regionalbahngleise aus Richtung Osten und der westliche Anschluss an den Berliner Außenring sind fertig. Im September wird das elektronische Stellwerk in Betrieb gehen. Auch die Bauarbeiten im Bahnhof sind fast abgeschlossen. Nur noch Decken- und Wandverkleidungen fehlen. Die elektronischen Anzeigetafeln auf den Bahnsteigen hängen schon – wenn auch noch in Paketpappe verpackt. Reguläre Züge zum BER, so das internationale Flughafenkürzel, werden wohl trotzdem erst im Juni 2012 fahren. Ohne Flugbetrieb sehen die Länder Berlin und Brandenburg keinen Grund, die Fahrten zu bestellen.
Der Gleisanschluss für den Terminal kostet samt Bahnhof und Tunnel insgesamt 636 Millionen Euro. 51 Kilometer Gleise und 65 Weichen wurden gebaut. Die Hälfte der Fluggäste, so das Ziel der Flughafengesellschaft, soll mit S-Bahnen oder Regionalzügen anreisen.
Ärger über Trasse durch Lichtenrade
In den vergangenen Jahren sorgte die Schienenanbindung des neuen Flughafens allerdings vor allem für negative Schlagzeilen. Unter anderem wehrten sich Anwohner und Gemeinden vehement gegen die Ostanbindung, die den Terminal mit der Bahnstrecke Berlin-Cottbus verbindet und durch das Naherholungsgebiet Bohnsdorfer Wald führt. Erst vor Gericht wurde der Streit zugunsten der Genehmigungsbehörde, dem Eisenbahn-Bundesamt, entschieden. Die Bahn hatte zuvor schon auf eigenes Risiko mit dem Bau begonnen und fast 20.000 Bäume gefällt.
Größtes Ärgernis für die Planer ist und bleibt aber die sogenannte Dresdner Bahn. Über die Trasse durch Lichtenrade sollten pünktlich zur Flughafeneröffnung die schnellen Expresszüge vom Berliner Hauptbahnhof rollen. Doch bislang hat der Bau nicht einmal begonnen. Anwohner und der Berliner Senat fordern, die Gleise durch einen Tunnel unter Lichtenrade zu führen, um den Ortsteil vor Lärm zu schützen. Die Bahn lehnt das aus Kostengründen ab und will oberirdisch bauen. 30 Millionen Euro zusätzlich würde der Tunnel nach Schätzungen kosten.
Airport-Express erst 2020
Der Streit blockiert seit Jahren den Baustart. Eine Genehmigung gibt es bis heute nicht. Bis die direkte Verbindung gebaut ist, müssen die Regionalzüge den Umweg über die sogenannte Anhalter Bahn durch Lichterfelde nehmen. Weil auf dieser Trasse aber ohnehin schon viel Verkehr herrscht, wird der Airport-Express wohl nur alle 30 Minuten fahren können. Zudem ist er mit knapp 30 Minuten Fahrzeit zehn Minuten langsamer als die geplanten Züge über die Dresdner Bahn.
Und die lässt weiter auf sich warten. Inzwischen geht die Bahn davon aus, dass der Airport-Express über die Dresdner Bahn erst 2020 fahren kann, wie Peter Schulze, Vertreter des Bauherren DB Netz, bestätigt. Zuletzt war von 2016 die Rede gewesen. Nach aktuellen Planungen würde der Bund aber frühestens 2014 das nötige Geld für den Bau bereitstellen – geschätzte 400 Millionen Euro soll das Projekt kosten. Mit Ausschreibung, möglichen Klagen und einer Bauzeit von fünf Jahren, falls nicht nachts und an Wochenenden gebaut werden darf, ist eine frühere Eröffnung voraussichtlich unrealistisch.
Und das könnte laut Schulze zu neuen Problemen für die BER-Schienenanbindung führen. Wenn die schnelle Bahnverbindung von Berlin nach München wie geplant eröffnet wird, könnten von 2017 an deutlich mehr Züge als bislang über die Anhalter Bahn in Richtung Süden rollen. Laut europäischem Recht hätte der Fernverkehr Vorrang vor den Regionalbahnen zum Flughafen. Die Folge: Schlimmstenfalls könnten die Airport-Züge aus der Berliner Innenstadt von der dicht befahrenen Trasse fliegen.