Reparatur- und Umrüstprogramme

S-Bahn kämpft noch bis Ende 2012 mit Problemen

| Lesedauer: 5 Minuten
Markus Falkner und Thomas Fülling

Foto: Glanze

Die Berliner S-Bahn wird noch mindestens bis Ende 2012 mit technischen Problemen zu kämpfen haben. Auch im kommenden Winter müssen die Fahrgäste daher bei starkem Frost und Schnee mit Einbrüchen im Verkehrsangebot rechnen.

S-Bahn-Chef Peter Buchner ist sichtlich erleichtert, als er am Donnerstagnachmittag vor die Presse tritt. Unmittelbar zuvor sind die Abschlussberichte zweier unabhängiger Expertengruppen zur Lage der S-Bahn veröffentlicht worden. 25 Problemfelder haben die Ingenieure allein bei den Fahrzeugen ausgemacht und zahlreiche weitere beim Winterdienst. Trotzdem darf Buchner zufrieden sein, attestieren die Experten im Auftrag der Länder Berlin und Brandenburg dem krisengeschüttelten Unternehmen doch eine angemessene und realisierbare Strategie zur Lösung seiner Probleme. „Wir sind sehr beruhigt, dass die Experten unseren Weg voll umfänglich abgesegnet haben“, sagt Buchner. „Wir arbeiten mit den richtigen Maßnahmen an den richtigen Themen. Und schneller geht es auch nicht, weil wir nebenbei noch Verkehr anbieten müssen.“ Im Expertenbericht liest sich das so: „Die Planungen der S-Bahn für die Instandhaltung wurden von den Experten im Detail geprüft und bewertet und sind ihrer Meinung nach sachgerecht und realistisch.“

Die positive Nachricht lautet: Sind bis Ende 2012 oder Anfang 2013 alle derzeit laufenden Reparatur- und Umrüstprogramme abgearbeitet, dann kann die S-Bahn den kompletten Fahrplan wieder einigermaßen stabil anbieten. Auch die von Bahnchef Rüdiger Grube bereits für Ende dieses Jahres versprochene Rückkehr zum Normalfahrplan – mit allerdings verkürzten Zügen – halten die Experten grundsätzlich für möglich.

Mehr Stabilität im Winter

Die negative Nachricht allerdings ist: Diese Prognose ist noch mit zahlreichen Risiken behaftet. S-Bahn-Chef Buchner ist daher vorsichtiger als die Experten. Sie sagen, die S-Bahn könnte die ab Juni 2012 vertraglich geforderten 575 Doppelwagen zur Verfügung stellen. Buchner setzt sich als Ziel, wieder „mehr Fahrzeuge als vor der Krise“ aufs Gleis zu bringen. Das wären wenigstens 547 sogenannte Viertelzüge. Aktuell sind es täglich nur 452. Für den Winter verspricht der S-Bahnchef auf jeden Fall mehr Stabilität als zuletzt. Ausfälle kann er aber nicht ausschließen. Speziell der Austausch der flugschneeanfälligen Fahrmotoren und die Modernisierung der nicht frostsicheren Bremsanlagen an den Zügen der zahlenmäßig stärksten Baureihe 481 werden bis Dezember noch nicht abgeschlossen sein. Fällt frühzeitig Schnee und kommen – wie in den vergangenen Jahren – tiefe Minusgrade hinzu, drohen deshalb wieder massive Zugausfälle und Verspätungen. Nach Einschätzung der Experten könnten bis zu 216 Zwei-Wagen-Einheiten, also gut ein Drittel der gesamten Fahrzeugflotte der S-Bahn, technisch nicht einsatzfähig sein. Würde die S-Bahn keine Motoren tauschen und Bremsanlagen umbauen, wären die Ausfälle aber weit drastischer. Laut dem Bericht könnten dann im Winter schlimmstenfalls fast 370 Doppelwagen ausfallen.

Plan B in der Schublade

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Infrastruktur. Auch dort haben die Experten etliche technische und organisatorische Mängel speziell im Winterdienst festgestellt. Die hatten im vergangenen Winter zu Weichenstörungen und Ausfällen in der Sicherungstechnik in großer Zahl geführt. „Die massive Häufung der Störungen war durch die Entstörkräfte nicht kurzfristig beherrschbar“, heißt es in dem Expertenbericht.

Angesichts dieser Erfahrungen warnt der Fahrgastverband Igeb eindringlich vor einer Wiederholung dieses Szenarios. „Die Verantwortlichen müssen rechtzeitig einen Plan B in der Schublade haben“, fordert Igeb-Sprecher Jens Wieseke. „Dazu gehören insbesondere rechtzeitige Absprachen mit der BVG und den Busverkehrsgesellschaften im brandenburgischen Umland.“ Die Expertengruppe hat mit DB Netz einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der bis Oktober abgearbeitet sein soll. Er sieht nach Angaben von Helge Schreinert von DB Netz unter anderem vor, an 28 wichtigen Weichenanlagen die Leistung der Heizungen zu verdoppeln und an zehn Anlagen die Mechanik mit Abdeckungen zu schützen.

Unlösbare Technikprobleme

Schwieriger wird es aber beim Personal für den Wintereinsatz. Im Dezember fehlten an manchen Tagen bis zu 70 qualifizierte Sicherungskräfte. Ohne diese „Aufpasser“ dürfen die Schneeräumer nicht ins Gleis. Geplant ist nun, die bahneigenen Sicherungskräfte um „40 plus X“ aufzustocken und weitere etwa 30 schon vorhandene Mitarbeiter für diese Einsätze auszubilden. Das Problem dabei: Bislang konnten die Arbeitsagenturen der Bahn kaum brauchbare Arbeitskräfte vermitteln.

Andere technische Probleme sind auch aus Sicht der Experten für die S-Bahn kurzfristig kaum lösbar. Weder für die mangelhafte Kühlung der Führerstände der modernsten Baureihe 481, die im Sommer 2010 zu Ausfällen der Steuerungstechnik führte, noch für die schneeanfälligen Fahrmotoren oder für die falsch konstruierten und daher erschütterungsanfälligen Radsatzlenker – Bauteile, die das Drehgestell mit der Laufachse verbinden – gibt es derzeit konstruktive Lösungen. Allein wegen kaputter Achslenker stehen aktuell fast 20 Doppelwagen still. Weil die Werkstätten mit den anderen Problemen schon mehr als ausgelastet sind, hat die S-Bahn nun Fremdfirmen mit der aufwendigen Reparatur beauftragt.

Ein neuer Unsicherheitsfaktor sind die Achsen selbst. Sie werden derzeit an allen Zügen ersetzt. Wie oft sie künftig auf Risse geprüft werden müssen, wird zwischen der S-Bahn und dem Eisenbahn-Bundesamt noch diskutiert. Schlimmstenfalls, so Buchner, wird der Prüfaufwand für die neuen Achsen höher sein als für die alten.