Haushaltsentwurf

Berlin macht 1,9 Milliarden Euro neue Schulden

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Joachim Fahrun
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1,9 Milliarden neue Schulden für Berlin

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) stellten heute den rot-roten Entwurf für den Doppelhaushalt 2012/2013 vor. Berlin muss nach dem Haushaltsentwurf in den kommenden beiden Jahren 1,9 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen.

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Mehr Geld für Schulen, Kitas und Forschung soll es geben. Das sieht zumindest der Entwurf von Berlins rot-roter Landesregierung für den Doppelhaushalt 2012/2013 vor. Ein neuer Bündnispartner könnte daran nach der Abgeordnetenhauswahl im September nur schwerlich etwas ändern.

Man soll Klaus Wowereit nicht sagen, Berlin habe kein Geld. Der Haushalt umfasse 22 Milliarden Euro pro Jahr, sagte der Regierende Bürgermeister am Dienstag. Da möge niemand so tun, als könne man keine Schwerpunkte setzen.

Die rot-rote Landesregierung hat also zwei Monate vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus einen Haushaltsplanentwurf und auch eine Finanzplanung bis 2015 beschlossen. Das hat sie getan, weil die Opposition danach verlangt hatte. Die Koalition müsse schon sagen, wo sie denn weiter sparen wollte, so das Argument von CDU, Grünen und FDP. Zugleich haben aber Wowereit und sein parteiloser Finanzsenator Ulrich Nussbaum mit ihrem Zahlenwerk auch Pflöcke eingerammt, die ein neuer Bündnispartner oder auch eine neue Regierung in Koalitionsgesprächen nach dem 18. September nur schwerlich wieder ausreißen können.

Beschluss nach der Wahl

„Das ist ein realistischer Haushalt“, sagte Wowereit. Der Spielraum sei begrenzt, jeder müsse sich am Ausgabevolumen von 22 Milliarden Euro orientieren. Wer an einer Stelle mehr ausgeben möchte, müsse anderswo streichen. Der Finanzsenator sagte, gemeinhin ändere ein Parlament an einem Berliner Haushaltsplanentwurf Positionen mit einem Volumen zwischen 20 und 40 Millionen Euro.

Ziemlich klar dürfte deshalb sein, dass es bei den beiden wesentlichen Schwerpunktsetzungen der Senatoren von SPD und Linke bleibt. Für Schulen, Kitas und Forschung will Berlin 2,2 Prozent mehr ausgeben als 2011. Auch die Bezirke bekommen 2,2 Prozent mehr Geld, um die zuletzt ständig steigenden Sozialleistungen stemmen zu können. Zusammen mit einer Entlastung, die der Bund durch die Übernahme der Grundsicherung für Alte beisteuert, sollten die Budgets für die Sozialtransfers nun ausreichend ausgestattet sein, hofft Nußbaum.

Bezirke sowie Bildung und Wissenschaft machen fast die Hälfte des Etats aus. Um hier steigende Ausnahmen zu finanzieren, muss an anderer Stelle gekürzt werden. Noch zeigten sich Wowereit und Nußbaum zugeknöpft, wenn es um Details geht. Erst müsse der Haushaltsentwurf dem Parlament zugeleitet werden, hieß es zur Begründung.

Berlins Schuldenberg wächst nach dem Plan deutlich langsamer als in früheren Prognosen angenommen. Statt mit 68 Milliarden Euro wie befürchtet steht Berlin im kommenden Jahr „nur“ mit 64,4 Milliarden in der Kreide. Sollte tatsächlich wie von Klaus Wowereit angedeutet ab 2016 der Haushalt ausgeglichen sein, würde sich der Schuldenstand bei 66 Milliarden Euro einpendeln.

Sicher ist, dass wieder einmal die alte Entscheidung zum Stopp der Wohnungsbauförderung die üppigste Spar-Ernte einbringt. 122 Millionen Euro 2012 und noch einmal 66 Millionen Euro im Folgejahr müssen nicht mehr ausgezahlt werden. Auch leistet die Arbeitssenatorin Carola Bluhm (Linke) aus ihrem nun deutlich abgespeckten Etat für Stellen im Öffentlichen Beschäftigungssektor einen mit mehr als 40 Millionen Euro bedeutsamen Beitrag. Ansonsten sammelt Nußbaum in zahlreichen Haushaltstiteln mal eine Million oder mal zwei ein, wie er selber sagte.

Dennoch steigen die Ausgaben. Die nach jahrelangen Nullrunden erstmals ins Auge gefasste Gehaltserhöhung für Berlins Beamte um zwei Prozent ab 1.August 2012 kostet pro Jahr 54 Millionen plus noch einmal 24 Millionen für die Pensionäre. Diese Mehrkosten werden jedoch durch den andauernden Personalabbau nur zum Teil ausgeglichen. So sollen die Personalkosten 2013 um rund 230 Millionen Euro höher liegen als 2011. Auch die konsumtiven Sachausgaben, etwa Computer für die Verwaltung, zugeschmierte Schlaglöcher, Zuwendungen für Kulturprojekte oder Entgelte für Kinderheime, wachsen um 170 Millionen Euro.

Dass die Koalition ihren Haushalt dennoch im Rahmen des geplanten Ausgabenwachstums von 0,3 Prozent pro Jahr halten kann, ist der guten Konjunktur und der zuletzt geringer als geplant ausgefallenen Neuverschuldung zu verdanken. 2,7 Milliarden Euro hat die Stadt weniger Schulden gemacht als zu Hoch-Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise kalkuliert. Im Haushaltsplan für 2010 waren 2,5 Milliarden Euro für Zinsen eingeplant, tatsächlich muss Berlin wohl 200 Millionen weniger aufbringen. Nußbaum nennt das eine „Konsolidierungsdividende“.

Spielraum für zusätzliche Stellen

So gibt es Spielraum für die 200 versprochenen Polizisten für die U-Bahn und 65 zusätzliche junge Beamte. Nussbaum setzt nicht auf große Kürzungen, sondern er friert den Haushalt de facto ein und verweist nicht ohne Stolz darauf, dass die anderen Bundesländer und der Bund ihre Etats im Durchschnitt um 1,5 Prozent wachsen lassen. Ein solches Plus würde für Berlin über drei Jahre Mehrausgaben von einer Milliarden Euro bedeuten.

Bemerkenswert ist auch, wofür im Haushalt kein Geld vorgesehen ist. So nämlich für die von der SPD geforderten wohnungspolitischen Aktivitäten im Kampf gegen die steigenden Mieten. Oder für die von Kultursenator Wowereit gewünschte Kunsthalle. Oder für den Aufbau eines eigenen Stadtwerks, das der linke Koalitionspartner gerne hätte. Oder für größere Investitionen auf dem Flughafengelände in Tegel. Oder den angestrebten Kauf von Wagen für die S-Bahn. Dafür seien größere Summen erst später nötig, sagte Wowereit zur Begründung.

Die Reaktionen auf den Etat-Entwurf fielen unterschiedlich aus. Die Opposition rügte den Plan. Das Zahlenwerk sei „ernüchternd“; sagte der CDU-Finanzexperte Uwe Goetze, weil der Senat keine Anstrengungen unternommen habe, das hohe Ausgabenniveau der Jahre 2010 und 2011 zu senken. Der Grünen-Abgeordnete Jochen Esser warf Klaus Wowereit vor, in den vergangenen fünf Jahren einen Ausgabenanstieg von 1,4 Milliarden Euro verantwortet zu haben. FDP-Landes- und Fraktionschef Christoph Meyer sagte, der Entwurf spiegele die „gesamte Mutlosigkeit und den mangelnden Konsolidierungswillen des rot-roten Senats wieder“.

Einigermaßen zufrieden zeigte sich die Industrie- und Handelskammer. Der Haushaltsentwurf zeige, dass die Konsolidierung des Haushaltes weiterhin „höchste Priorität“ genieße. Der Sparwille dürfe jedoch nicht zum Verzicht auf notwendige Investitionen führen.