Die Einladung zur Pressekonferenz mit Renate Künast ist kurzfristig gekommen. Am Donnerstag hatte die Spitzenkandidatin der Grünen zur Abgeordnetenhaus-Wahl für Freitag geladen. Man solle kommen, es gebe wichtige Aussagen, kündigten die Künast-Mitarbeiter vorab an. Der gewählte Ort, der Theatersaal des Varietés Chamäleon, wäre tatsächlich ein würdiger Rahmen für einen überraschenden Rücktritt oder eine spannende Personalentscheidung gewesen.
Renate Künast jedoch machte am Freitag erst einmal bekannt, was schon viele wissen: 100 Tage noch bis zur Wahl am 18. September: „Der Countdown läuft“ für die letzten Tage von Rot-Rot in Berlin, so stand es auf dem Plakat hinter der Bundestagsfraktionschefin, deren Fraktionskollege Jürgen Trittin tags zuvor im Bundestag noch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) demonstrativ zur Seite gezogen worden war.
Künast kritisierte zunächst die ihrer Einschätzung nach schlechte Performance von Rot-Rot in den wichtigen Feldern Bildung, Arbeit und Klimaschutz. Außerdem warf sie dem Senat vor, zuzuschauen, wie die Mieten „rasant“ stiegen. „Dem ausgelaugten Senat fehlt es an Ideen, an Gestaltungswillen und an handwerklicher Qualität“, stellte die Grüne fest und bilanzierte: „Der Senat hat die Stadt nicht aktiv vorangebracht.“ Berlin strahle nach außen nicht wegen, sondern trotz Rot-Rot.
Erst auf Nachfragen ließ sie sich auf das Thema ein, das offensichtlich die kurzfristige Einladung rechtfertigen sollte: Wie halten es die Grünen mit möglichen Bündnispartnern? Denn vor allem im Ostteil der Stadt profitiert die SPD im Rennen mit den Grünen offenbar von der Sorge, die Grünen könnten auch als Zweiplatzierte mit der CDU koalieren, um ins Rote Rathaus einziehen zu können.
Berlin brauche einen Wechsel an der Spitze, sagte Künast und erklärte: Die beste Basis dafür biete eine grün-rote Koalition. Deshalb setze sie auf Grün-Rot, weil es mit der SPD die größte inhaltliche Schnittmenge gebe, während die CDU doch „Schwerpunkte anders setze“ als ihre Partei. Mit den Sozialdemokraten sei es am ehesten möglich, die Schaffung von industriellen Arbeitsplätzen mit Sozialpolitik zu verbinden. Das passe zusammen, sagte die Spitzenkandidatin und erneuerte ihren Anspruch: „Ich will den Regierungsauftrag haben.“
Sie sagte, wie schon früher, dass sie nicht für ein Senatorenamt unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zur Verfügung stehe, umgekehrt sei das ja ebenso. Wie sie sich denn entscheiden werde, falls die Grünen hinter der SPD einlaufen sollten? Wären ihr dann die inhaltlichen Schnittmengen mit der SPD wichtiger oder der Regierungsauftrag? Künast wich aus. Sie wollte offensichtlich den Eindruck vermeiden, dass sie ein Bündnis mit der CDU generell ausschließe. Es werde keine Regierung geben ohne ordentliche inhaltliche Vereinbarung, sagte Renate Künast. „Und ich traue mir gute Verhandlungen zu.“
Wie sie sich denn erkläre, dass Wowereit in den persönlichen Sympathiewerten deutlich vor ihr liege und sie in Direktwahlen zum Regierenden deutlich schlagen würde? „Klaus Wowereit ist einfach ein charmanter Mann. Bei mir muss man zwei Mal hingucken, ehe man das sieht.“