Die Grünen und die Linken haben einiges gemeinsam im aktuellen Berlin-Trend von Berliner Morgenpost und der RBB-„Abendschau“. Beide Parteien büßten im Vergleich zur Umfrage vom Mai einen Prozentpunkt ein. Das bedeutet für die Grünen immer noch ein sehr hohes Niveau von 25 Prozent, fast doppelt so viel, wie sie bei der Wahl 2006 bekommen haben. Nach den Ergebnissen des Berlin-Trends wären damit eine grün-schwarze, eine rot-schwarze oder auch eine rot-grüne Koalition möglich.
Ihre Verluste haben Grüne und Linke jedoch nicht in der ganzen Stadt eingefahren. In den westlichen Bezirken schneiden sie im Juni unverändert ab. Die Grünen liegen bei starken 29 Prozent, gleichauf mit der Berliner SPD. Die Linken sind bei mageren fünf Prozent, in Augenhöhe mit der trotz leichter Erholung (plus zwei Prozentpunkte im Westen) weiter schwächelnden FDP. Grüne und Linke verlieren jedoch im Osten. Die Sozialdemokraten hingegen gewinnen in diesen Bezirken – und auch nur hier. In den westlichen Bezirken stagniert die SPD auf einem für sie – über die vergangenen Monate gesehen – normalen Niveau von 29 Prozent. Bewegung nach oben registriert die SPD vor allem in der östlichen Stadthälfte. Plus drei Prozentpunkte im Vergleich zum Vormonat katapultieren die Sozialdemokraten im Osten auf den Wert von 32 Prozent.
Dynamik im Wahlkampf
Überhaupt sind es die Bürger aus dem Osten der Hauptstadt, die Dynamik ins politische Rennen um den Sitz des Regierenden Bürgermeisters und die führende Rolle bei der Suche nach Koalitionspartnern bringen. Hier könnte sich die Wahl entscheiden. Denn im gleichen Maße, wie die SPD hier gewinnt, verlieren Linke und Grüne jeweils drei Prozentpunkte.
Für die Grünen bedeutet der Rückfall auf 18 Prozent im Berliner Osten eher eine Normalisierung der Verhältnisse. Offensichtlich war es die Katastrophe von Fukushima, die die Grünen auch im für sie traditionell vergleichweise schwierigen Terrain des Berliner Ostens deutlich über 20 Prozent wachsen ließ. Darüber lagen sie nur im vergangenen Herbst, als sie in Erwartung der Spitzenkandidatur von Renate Künast berlinweit auf den Wert von 30 Prozent kletterten. Mit den 18 Prozent aus dem Juni pendeln sich die Grünen im Ostteil wieder auf Werte ein, die sie sicher zu haben scheinen, seit sie in den Umfragen stärker geworden sind. Bei der Wahl im Jahr 2006 erzielten die Grünen 13,4 Prozent, dann wuchsen sie in Umfragen zu einer 20-Prozent-Partei. Vor allem unter den Menschen mit niedrigerem Bildungsabschluss kommen die Grünen gar nicht gut an. Nur sechs Prozent der Befragten mit Hauptschulabschluss gaben an, für die Grünen stimmen zu wollen. Bei den Leuten mit Abitur waren es 34 Prozent, deutlich Platz eins in dieser Gruppe.
Für die Linke, die seit neun Jahren mit Klaus Wowereits SPD in einer rot-roten Koalition die Stadt regiert, ist die Lage ungleich ernster als für die Grünen. Sie sehen im Osten Berlins ihre wichtigste Hochburg bröckeln. Der Trend über die vergangenen Monate weist deutlich nach unten: Im Januar war die Linke im Osten mit 31 Prozent noch mit Abstand stärkste Kraft. Im Mai brachten sie es dort noch auf 27, derzeit nur noch auf 24 Prozent. Hinzu kommt der Absturz bei den Sympathiewerten für ihren Spitzenkandidaten Harald Wolf. Offensichtlich schadet dem Wirtschaftssenator die öffentliche Kritik an seinem Umgang mit den Berliner Wasserbetrieben, wo er als Aufsichtsratschef einerseits die Interessen des Unternehmens, andererseits als Wirtschaftssenator aber die nicht immer damit deckungsgleichen Belange der Stadt vertreten muss.
Offenbar verlassen die Wähler die Linke und wechseln zur SPD. Vor allem bei den weniger gebildeten Menschen hat die Linke ausweislich der Zahlen der vergangenen Berlin-Trends deutlich an Rückhalt verloren, während die SPD unter Leuten mit niedrigem oder mittlerem Schulabschluss zulegen konnte. Möglicherweise verfangen in dieser Gruppe die Warnungen der SPD vor einem Regierungswechsel oder einer Regierenden Bürgermeisterin Renate Künast. Um das zu verhindern, scheint offenbar vielen Wählern Klaus Wowereit die richtige Wahl zu sein, zumal man die Linke mit ihrem Spitzenkandidaten ohnehin auf der Verliererstraße wähnt und sie in den Debatten über die künftige Koalitionsbildung kaum noch vorkommt.
Bemerkenswert ist auch, dass eine der wesentlichen Debatten der Stadt, nämlich die Angst vor steigenden Mieten und der Verdrängung aus den angestammten Stadtvierteln, die Linke nicht stärkt. Offenbar haben die Befragten kein Vertrauen, dass die selbst ernannten Sachwalter des Sozialen gegen diese Tendenz die richtigen Mittel haben.
CDU verharrt bei 21 Prozent
Was für die Linke gilt, muss in etwas abgeschwächter Form auch die CDU für sich feststellen. Die Partei verliert zwar in Berlin anders als zuletzt in bundesweiten Umfragen nicht, aber sie kommt auch nicht vom Fleck. Seit drei Monaten steht sie bei 21 Prozent, was ziemlich genau ihrem Wahlergebnis von 2006 entspricht. Weder die Debatte über die Sicherheit in U-Bahnhöfen, noch die Sorge vor höheren Mieten oder der Ärger über die Bildungspolitik sorgen für messbaren Zulauf bei der Union. Der Spitzenkandidat Frank Henkel kommt zwar bei den CDU-Wählern ordentlich an. 46 Prozent aus dem eigenen Lager sind mit seiner Arbeit zufrieden. Aber fast ebenso viele gaben an, Henkel nicht oder nicht gut genug zu kennen, um sich ein Urteil erlauben zu können.
So festgefügt, wie sich die politische Stimmungslage in der Stadt im Juni darstellt, ist sie nicht wirklich. Die Umfrage, für die Infratest Dimap vom 3.bis 6.Juni 1000 wahlberechtigte Berliner befragte, zeigt auch eine noch immer große Unentschlossenheit der Wähler. Jeder Dritte gab an, noch nicht zu wissen, wem er am 18.September seine Stimme geben soll.