In knapp einem Jahr soll der Flughafen BBl Start- und Landepunkt für den Luftverkehr aus aller Welt sein. Doch welche Routen die Flugzeuge künftig nehmen dürfen, steht noch immer nicht fest. Die Fluglärmkommission gibt jedoch eine klare Empfehlung.
Wenn der Großflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) wie geplant am 3. Juni 2012 in Betrieb geht, werden die Flugzeuge um den Südwesten Berlins und die angrenzenden Gemeinden in Brandenburg einen weiten Bogen machen. Das zumindest empfiehlt die mit Vertretern aus Berlin und Brandenburg besetzte Fluglärmkommission, die am Montag ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Nun ist die Deutsche Flugsicherung (DFS) am Zug: Sie muss die endgültigen Flugrouten festlegen, über die das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) als übergeordnete Bundesbehörde dann Anfang 2012 entscheiden wird.
Der Abschlussbericht fasst alle 89 Anträge der in der Kommission vertretenen Mitglieder zu den BBI-Flugrouten zusammen. „Wir haben jetzt den ersten Schritt unserer Arbeit abgeschlossen, in dem wir unsere Empfehlungen der Flugsicherung zur Beratung übergeben“, sagte die Vorsitzende der Fluglärmkommission, Kathrin Schneider, am Montag. Der Bericht werde nun der Deutschen Flugsicherung (DFS) und dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) übergeben. Die Arbeit der Fluglärmkommission sei damit aber noch nicht beendet, versicherte Schneider. „Natürlich werden wir aufmerksam verfolgen, wie DFS und BAF mit unseren Empfehlungen umgehen werden“, sagte sie. „Und wenn der Flughafen in einem Jahr eröffnet wird, wollen wir auch den Flugbetrieb aufmerksam begleiten“, kündigte sie an.
Geht es nach den Wünschen der Fluglärmkommission, werden Berlin, Zeuthen, Potsdam, Ludwigsfelde und Kleinmachnow, anders als von der Flugsicherung am 6. September 2010 vorgeschlagen, ganz umflogen. Die DFS soll dazu die Routen erarbeiten und sie dem BAF vorlegen. Schneider sprach von einem „Lernprozess“, den alle Beteiligten hätten durchmachen müssen. „Die Auseinandersetzungen wurden fair geführt in der Sache und unter Vermeidung von persönlichen Angriffen oder Kampfabstimmungen.“ Dafür zolle sie allen Beteiligten Respekt. Schneider erinnerte an das Dilemma, in dem sich die Kommission befand: „ Die Kommission kann den Lärm nicht vermeiden“, sagte sie. Das Ziel sei gewesen, möglichst wenig Menschen mit möglichst wenig Lärm zu belasten.
Ob die Kommission dieses Ziel erreicht hat, werden Berliner und Brandenburger erst im Januar sicher wissen, wenn das Bundesaufsichtsamt entscheidet, welche Routen die Flugzeuge vom und zum künftigen Hauptstadtflughafen einschlagen. Die Fluglärmkommission hat nur beratende Funktion, ihre Vorschläge haben ausschließlich empfehlenden Charakter.
Das Gremium hatte am Montag seine Empfehlungen aus elf Sitzungen zusammengefasst. Die Beschlüsse weichen teils erheblich vom ersten Vorschlag der Flugsicherung aus dem September ab. Dieser hatte zu massiven Protesten geführt, weil andere Gemeinden und Bezirke überflogen werden sollten als im Planfeststellungsbeschluss vorgesehen. Somit sollen plötzlich Orte unter Fluglärm leiden, die sich jahrelang in Sicherheit wähnten.
Die Kommission, die Anfangs nur 17 Mitglieder hatte, wuchs aufgrund der neuen Betroffenheiten schließlich auf 41 an. Diese 41 Mitglieder einigten sich in ihren nicht öffentlichen Sitzungen schließlich darauf, dass die Maschinen Berlins Südwesten und Potsdam umfliegen. Auf der nördlichen Startbahn wird bei parallelen Westabflügen, wie seit Jahren angekündigt, geradeaus abgeflogen. Bei parallelen Abflügen Richtung Osten biegen die meisten Flugzeuge aus Sicherheitsgründen vor Zeuthen ab und verschonen die Gemeinde damit. Sehr große Maschinen müssten jedoch weiter geradeaus fliegen. Ob das sogenannte „Münchner Modell“ für längere Geradeausflüge bei Parallelstarts angewandt werden darf, wird Schneider zufolge noch geprüft.
Brandenburgs Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) zeigte sich am Montag zuversichtlich, dass die DFS den Empfehlungen der Kommission folgen werde. „Auch wenn klar ist, dass es sich hierbei nur um Empfehlungen handelt, die im weiteren Verfahren von der DFS und vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung geprüft werden, ehe sie rechtskräftig werden, so zeichnet sich doch auch jetzt schon ab, dass die Deutsche Flugsicherung schon sehr gute Argumente herausholen muss, wenn sie bessere Routen vorlegen will“, sagte Vogelsänger.
Positiv äußerte sich auch der Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, Ekkehard Band (SPD), selbst Mitglied der Fluglärmkommission: „Natürlich muss man abwarten, ob den Empfehlungen der Kommission jetzt auch gefolgt wird“, sagte Band, „doch davon gehe ich aus“. Es sei schwer vorstellbar, dass die Wünsche so vieler Bürger unberücksichtigt blieben.
Die Sprecherin der Initiative „Keine Flugrouten über Berlin“, Marela Bone-Winkel, mahnte an, dass den Empfehlungen nun Taten folgen müssten. „Zufrieden bin ich erst, wenn die Empfehlungen so umgesetzt werden, wie eingereicht“, sagte sie. Bis dieses Ziel erreicht sei, werde man weiter demonstrieren. Bone-Winkel wehrte sich zugleich gegen den Vorwurf, die Ruhe über Wannsee und Potsdam sei mit dem Lärm über den Köpfen der Bürger von Blankenfelde/Mahlow erkauft worden. Es sei nicht Aufgabe der Bürger, sich über die zugegebenermaßen „schwierige Lösung“ den Kopf zu zerbrechen. Nun seien die Länder Berlin und Brandenburg als Flughafengesellschafter gefordert, sich für eine vernünftige Lösung einzusetzen.
Die Kommission hatte dem Abschlussbericht über die Flugrouten am Montag auch die Aufforderung an das DSF und das BAF hinzugefügt, wonach, ein totales Nachtflugverbot am BBI zwischen 22 und 6 Uhr durchzusetzen“ sei. Die Forderung nach einem kompletten Nachtflugverbot und den Verzicht auf ein Drehkreuz für Weiterflüge wies Flughafensprecher Ralf Kunkel am Montag umgehend zurück: „Das würde 15 Jahre Berliner und Brandenburger Luftverkehrspolitik konterkarieren.“ Mit Spannung erwarten Bürgerinitiativen und Flughafenbetreiber nun das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Im September 2011 will das Gericht in Leipzig über die Nachtflugregelung entscheiden.
Nachdem die Flugsicherung ihren neuen Vorschlag vorgelegt hat, entscheidet das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung bis zum Januar darüber. Dabei werden das Umweltbundesamt und das Bundesjustizministerium eingebunden.