Die Mieten sind in Berlin in den vergangenen beiden Jahren deutlich schneller gestiegen als zuvor. Nach dem am Montag vorgestellten neuen Mietspiegel gab es eine durchschnittliche Steigerung um 4 Prozent im Jahr. Das sind pro Quadratmeter und Jahr 20 Cent mehr. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis ohne Heizung und Betriebskosten liegt danach bei 5,21 Euro. „Trotz der Mietsteigerungen bleibt das Berliner Mietniveau weiterhin deutlich hinter vergleichbaren Großstädten zurück“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Ein Berliner Haushalt verfüge zwar über ein im Durchschnitt geringeres Einkommen als in anderen großen deutschen Städten, die Mietbelastung sei aber auch in Relation zum ortsbezogenen Durchschnittseinkommen geringer, als in Hamburg oder München. „Berlin bleibt die preiswerteste Großstadt in Deutschland“, sagte die Senatorin.
Sie betonte, dass der Mietspiegel von Mieter- und Vermieterverbänden sowie Sachverständigen erarbeitet worden sei. Alle Beteiligten hätten damit einen Beitrag zum Interessenausgleich und sozialen Frieden in Berlin geleistet.
Kritik an der Mietenpolitik
Weil der überwiegenden Teil der Berliner Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt, das sind 1,2 Millionen Wohneinheiten, flächendeckend wesentlich teurer geworden ist, wurde die Bekanntgabe des Mietspiegels jedoch wiederholt von Demonstranten gestört. Die Protestaktionen verliefen jedoch friedlich.
Kritik an der Mietenpolitik des rot-roten Senats übten jedoch auch Grüne und CDU sowie die Berliner Mietervereine. Die Landesregierung habe, so der gemeinsame Vorwurf, die steigenden Mieten ignoriert und schütze Geringverdiener und Hartz-IV-Bezieher nicht ausreichend. Mieten wie etwa die für große und sehr gute Neubauwohnungen aus den vergangenen Jahren, etwa in Mitte oder Prenzlauer Berg, für die Mieter im Durchschnitt 8,19 Euro/Quadratmeter bezahlen, seien selbst für Durchschnittsverdiener nicht mehr finanzierbar.
Die CDU kritisierte, die Regierung verliere zunehmend den Überblick über die Situation auf dem Wohnungsmarkt. Die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast nannte den Mietspiegel ein „beschämendes Zeugnis“.
SPD-Landeschef Michael Müller sprang seiner Parteifreundin Junge-Reyer bei und kündigte vier Monate vor den Wahlen an, den Kündigungsschutz zu stärken, die Vermietung von Wohnungen an Touristen zu bekämpfen und zusätzlich neue Wohnungen zu bauen. Die Linke forderte von ihrem Koalitionspartner SPD mehr Einsatz beim Gegensteuern: „Gerne nehmen wir die SPD hier beim Wort.“
Weit unter Vergleichsmieten in Deutschland
Der Bund der Berliner Haus- und Grundbesitzer und die FDP wiesen darauf hin, dass die Mieten in Berlin immer noch weit unter Vergleichsmieten in Deutschland lägen. Ohne Mietsteigerungen seien zudem weder Neubau noch Investitionen in den Bestand möglich. Vermieter seien deshalb auf marktgerechte Mieten angewiesen.
Morgenpost Online beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den neuen Mietspiegel.
Welche Wohnungen wurden erfasst?
Der Berliner Mietspiegel erfasst nur die 1,2 Millionen nicht preisgebundenen Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern mit mindestens drei Wohnungen. Er gilt auch für Genossenschaftswohnungen und vermietete Eigentumswohnungen. Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus sind ausgenommen, weil für sie die Mietpreise festgelegt sind.
Welche Daten wurden erhoben?
Die Miete (ohne Betriebs- und Heizkosten) wird aufgeschlüsselt nach Stadtteil, Lage und Ausstattung der Wohnung sowie nach dem Baujahr des Hauses. Die Daten wurden zum Stichtag 1. September 2010 erfasst. Für die Erhebung wurden durch eine repräsentative Zufallsstichprobe die Miet- und Ausstattungsdaten von rund 10.000 Wohnungen durch Interviews bei Mietern und Vermietern ermittelt.
Wer hat diese Daten geprüft?
An der Auswertung der Daten sind Verbände von Mietern und Vermietern sowie Sachverständige beteiligt. Wissenschaftlich abgeklärt wurden die Daten vom Hamburger Forschungsinstitut F+B im Auftrag der Senatsverwaltung.
Muss sich der Vermieter bei der nächsten Mieterhöhung daran orientieren?
Beim Streit zwischen Mieter und Vermieter über Mieterhöhungen kann der Mietspiegel vor Gericht eine wichtige Rolle spielen. Bei Streitigkeiten, die sich nicht außergerichtlich beilegen lassen, gehen die Richter davon aus, dass der Mietspiegel die richtigen ortsüblichen Vergleichsmieten wiedergibt. Sollte der Vermieter Forderungen stellen, die deutlich über dem Mietspiegel liegen, muss er dafür außergewöhnliche Wohnqualitäten nachweisen. Umgekehrt gilt für Mieter, die weniger als die Orientierungswerte des Mietspiegels zahlen wollen: Sie müssen außergewöhnlich schlechte Wohnqualitäten nachweisen können.
Gilt der Mietspiegel auch als Richtwert bei Neuvermietungen?
Nein. Er kann nur bei Mieterhöhungen im Rahmen bestehender Mietverträge als Grundlage dienen.
Was zahlen Mieter in anderen Städten?
Für eine nicht preisgebundene Wohnung werden laut Mietspiegel in Berlin als Mittelwert 5,21 Euro je Quadratmeter monatlich ohne Betriebskosten und Heizung gezahlt. In Hamburg zahlt ein Mieterhaushalt nach dem Mietspiegel 2009 als Mittelwert 6,76 Euro Laut Mietspiegel München 2011 zahlt ein Mieterhaushalt als Mittelwert 9,79 je Quadratmeter monatlich. Die Senatsverwaltung weist darauf hin, dass die Mietspiegelmieten nicht den gesamten Wohnungsbestand abbilden, da nur diejenigen Verträge ausgewertet wurden, bei denen es Veränderungen durch Neuabschluss oder Mietveränderung im laufenden Vertrag über einen Zeitraum von vier Jahren gab. Die sich nicht verändernden Bestandsmieten werden nicht berücksichtigt.
Was ist mit den Betriebskosten?
Mit den Erhebungen zum Mietspiegel wurden gleichzeitig Angaben über die einzelnen Betriebskostenarten erfragt und ausgewertet. Grundlage für die Übersicht waren die im September 2010 vorliegenden Abrechnungen des Jahres 2009. Die Betriebskostenübersicht bildet ab, was in Berlin an Kosten für Wasser, Straßenreinigung, Gartenpflege, Heizung usw. normalerweise abgerechnet wird und ist damit eine wichtige Orientierung für alle Mieterhaushalte sowie Vermieter. Sie ist aber nicht rechtsverbindlich.
Wann gilt der neue Mietspiegel?
Er tritt nach Veröffentlichung im Amtsblatt am 30. Mai in Kraft und löst den Mietspiegel 2009 ab. Er gilt wie die vorangegangenen Mietspiegel für zwei Jahre.
Wo findet man den Mietspiegel und das Straßenverzeichnis?
Der Mietspiegel 2011 sowie das Straßenverzeichnis und die Betriebskostenübersicht sind ebenso wie der Mietspiegel-Abfrageservice ab sofort im Internet abrufbar unter: www.stadtentwicklung.berlin.de . Für Fragen zum Mietspiegel steht das „Servicetelefon Miete“ unter der Telefonnummer 90139-4777 zur Verfügung.
Der Mietspiegel einschließlich Straßenverzeichnis wurde am 30. Mai im Berliner Amtsblatt veröffentlicht.