700 Wörter

Zöllner will Grundwortschatz für Schulkinder

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Florentine Anders

Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) will die Sprachfähigkeiten der Schüler verbessern, indem er einen verpflichtenden Grundwortschatz für Grundschüler einführt. Schon von August an werde eine zu lernende Liste von insgesamt 700 Wörtern vorliegen.

Wenn die Drittklässler am heutigen Donnerstag über den Aufgaben der Vergleichsarbeiten in Deutsch sitzen, werden viele von ihnen wieder Schwierigkeiten mit dem Verständnis der Begriffe haben. Bereits bei dem Vergleichstest Vera 3 in Mathematik, den die Schüler am Dienstag schreiben mussten, stellten viele Lehrer fest, dass die Kinder mit den Textaufgaben sprachlich überfordert waren.

Vor allem an Brennpunktschulen verstanden die Kinder gar nicht erst, was sie überhaupt rechnen sollten.

Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) will daher die Sprachfähigkeiten der Schüler verbessern, indem er den Grundwortschatz für Grundschüler einführt. Schon von August an wird eine Liste von insgesamt 700 Wörtern vorliegen, die die Kinder bis zum Ende des vierten Schuljahres kennen und auch richtig schreiben können sollten. Dabei gibt es noch einmal einen Mindestwortschatz von 400 Wörtern, den die Kinder schon am Ende der zweiten Klasse beherrschen sollten. "Jeder Schüler wird schon in der ersten Klasse ein kindgerecht gestaltetes Heftchen erhalten, in dem die Wörter aufgelistet sind und in dem kleine Übungen enthalten sind, die die Eltern mit den Kindern machen können", sagt Birgit Kölle von der Fachaufsicht Deutsch in der Senatsbildungsverwaltung, die federführend für die Einführung des Grundwortschatzes ist.

Vorlage ist der Grundwortschatz, den Brandenburg bereits eingeführt hat. Dabei haben sich die Brandenburger wiederum an einer Vorlage orientiert, die bayerische Grundschulen verwenden.

"Die Wörter in dem Heft sollen nicht wie Vokabeln gepaukt werden", sagt Birgit Kölle. Vielmehr soll der Grundwortschatz eine Orientierungshilfe für die Lehrer sein. Die Pädagogen sollen darauf achten, dass die Begriffe häufig im Unterricht verwendet werden. Mit verschiedenen Übungen kann der Kanon auch bewusst trainiert werden.

Die Liste ist unterteilt in zwei Bereiche. Zum einen sind da die 100 meistgebrauchten Wörter. Das sind vor allem Artikel und Präpositionen. Die am häufigsten gebrauchten Wörter sind "die" und "der", gefolgt von "und", "in", "zu". "Das haben linguistische Forschungen ergeben", sagt Kölle.

Dazu kommen Begriffe aus der Lebenswelt der Kinder in verschiedenen Altersstufen. Für die Erst- und Zweitklässler gehören dazu beispielsweise Wörter wie "Ampel", "Biene", "Hecke" oder "Monat". In den Jahrgangsstufen drei und vier kommen Substantive wie "Blitz", "Kompass", "Moos", "Vorfahrt" oder "Reh" hinzu.

"Ausgewählt wurden Wörter, die besonders häufig sind, die für den Sprachgebrauch der Kinder wichtig sind oder auch Wörter, die wichtige Rechtschreibmuster repräsentieren", sagt Birgit Kölle.

Auch für die Kitas soll ein entsprechender Grundwortschatz erarbeitet werden, den die Kinder bis zum Eintritt in die Schule beherrschen sollten. Das hat Senator Zöllner im Rahmen seines Qualitätspaketes angekündigt.

An der Heinrich-Seidel-Grundschule begrüßen die Lehrer die Einführung des Grundwortschatzes. Sprachförderung ist an der Weddinger Grundschule ein Schwerpunkt. Für die Erstklässler, die dem Unterricht nicht folgen können, hat die Schule Starterklassen eingerichtet. In Lerngruppen werden die Kinder über einen befristeten Zeitraum an die Anforderungen des Schulwortschatzes herangeführt.

"Viele Kinder haben auch deshalb Probleme, weil ihre Erfahrungswelt sehr eingeschränkt ist", sagt Schulleiterin Cornelia Flader. Viele hätten den Kiez in ihrem bisherigen Leben nie verlassen. Viele Tiere oder Pflanzen hätten sie nie gesehen. Cornelia Flader rechnet damit, dass viele ihrer Drittklässler mit den Deutschaufgaben im Vergleichstest heute ihre Probleme haben werden. Zumal sie anders als im Unterricht nicht nachfragen dürfen, was einzelne Begriffe bedeuten.

Sascha Steuer, bildungspolitischer Sprecher der CDU, fordert angesichts der Debatte um die Vergleichsarbeiten in den Grundschulen Förderklassen für Kinder mit Sprachschwierigkeiten schon vor dem Schuleintritt.