In keiner anderen deutschen Großstadt ist das Monatsticket im Vergleich zum Einzelfahrschein teurer als in Berlin. Es lohnt hier erst ab mehr als 34 Fahrten. Der Senat will dieses Preisverhältnis nun ändern - zu Lasten der Gelegenheitsfahrer. Die Preise für Einzeltickets sollen bis 2014 schrittweise steigen.

Stammkunden von BVG und S-Bahn sollen bei künftigen Preissteigerungen deutlich weniger belastet werden als Gelegenheitsfahrer. Das geht aus einem Eckpunktepapier der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zum Nahverkehrsplan 2010 bis 2014 hervor, das Morgenpost Online vorliegt. „Zeitkarten sollen im Rahmen der Tariffortschreibung im Verhältnis zu Einzelkarten preisgünstiger werden“, heißt es in dem Schreiben, das als Vorlage für den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses dient. Die Preisanpassungen seien dabei „in mehreren kleinen Schritten“ vorzunehmen.

Tatsächlich wurden die Inhaber von Abo- Monats- und Jahreskarten bei den Tariferhöhungen der vergangenen Jahre überdurchschnittlich stark zur Kasse gebeten, wie Hans-Werner Franz, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), einräumt. Vor allem die Verkehrsunternehmen seien dafür verantwortlich. Auf Wunsch von BVG, S-Bahn und anderen Bus- und Bahnbetreibern der Region sei der Preis für Zeitkarten „überdimensional erhöht“ worden, so Franz. Der Preis für das Einzelticket im Stadtgebiet (Tarifbereich AB) blieb hingegen seit 2005 konstant.

Die Rechnung für die Unternehmen war einfach: Bei einem Zeitkarten-Nutzer-Anteil von 75 Prozent der Fahrgäste in Berlin bringen Erhöhungen in dieser Sparte weit höhere Einnahmen als eine Anhebung des Preises für den Einzelfahrschein.

Die Folge dieser Tarifpolitik: In keiner anderen deutschen Großstadt ist das Monatsticket im Vergleich mit dem Einzelfahrschein teurer. Den Beleg dafür liefert nun ein sogenannter Monitoringbericht zum noch laufenden Nahverkehrsplan. Im Auftrag der Senatsverwaltung untersuchten die Experten des Centers Nahverkehr Berlin (CNB) die Tarifangebote in zwölf deutschen Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern sowie in Zürich und Wien. Während der Preis für das Berliner Einzelticket (2,10 Euro) im Städtevergleich relativ niedrig ist – nur Nutzer in Wien, Dresden, Leipzig und Nürnberg fahren günstiger – rangiert das Monatsticket mit 72 Euro im oberen Drittel der Preisskala. Tiefer müssen nur Stammkunden in Frankfurt/M. (72,90 Euro), Köln (74,40 Euro) und Hamburg (88 Euro) in die Tasche greifen. Auswirkung sei eine „hohe Nutzenschwelle“ der Berliner Zeitkarten, stellt der CNB-Bericht fest.

Im Klartext heißt das: In Berlin lohnt sich eine Monatskarte nur für wirkliche Vielfahrer. Erst bei 34,3 Fahrten pro Monat fährt der Inhaber günstiger als mit Einzeltickets. Das ist ein bundesweiter Negativrekord. Selbst das preiswertere Aboticket lohnt sich im Stadtgebiet erst bei mehr als 27 Fahrten.

Auch die Nutzenschwelle für Tageskarten liege in Berlin „deutlich über den Werten der Vergleichsstädte“, heißt es in dem Bericht weiter. Als Folge sei der Anteil der Zeitkartennutzer in Berlin geringer als in anderen Großstädten.

Nach eigenen Angaben haben BVG und S-Bahn gemeinsam derzeit gut 410.000 Kunden, die ihr Ticket im Abonnement kaufen. Der Senat will noch mehr Stammkunden für Bus und Bahn gewinnen, wie aus dem Eckpunktepapier zum Nahverkehrsplan hervorgeht.

Vorbild Seniorenticket

Neben einer Verschiebung der Preisstruktur zugunsten der Zeitkarten sollen dafür bis 2014 „weitere zielgruppenorientierte Maßnahmen“ geprüft werden. Als Vorbild könnte das im April 2009 eingeführte Seniorenticket Abo65plus dienen. Eine Idee, die auch der Berliner Fahrgastverband Igeb unterstützt. „Die erfolgreiche Einführung des Seniorentickets beweist, dass es möglich ist, mit neuen Angeboten große Käuferschichten zu erschließen“, sagt Igeb-Vize Jens Wieseke.

Auch VBB-Chef Franz begrüßt die Zielsetzung des Senats. Stammkunden sollten bei künftigen Tariferhöhungen „gar nicht oder nur sehr vorsichtig“ belastet werden, sagt er. Wann die Diskussion über Ticketpreise aber erneut auf die Tagesordnung kommt, ist völlig offen. Angesichts der andauernden S-Bahn-Krise werde wohl mindestens bis Anfang 2010 niemand das heikle Thema ansprechen, vermutet Franz.

Eine moderate Preissteigerung würde aber wohl auch die Senatverwaltung unterstützen, wie aus der Vorlage für den Hauptausschuss hervorgeht. „Die Entwicklung der Fahrpreise soll sich an der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten orientieren“, heißt es dort. Für Gelegenheitsfahrer heißt das: Sie werden nach der nächsten Tarifrunde wohl deutlich mehr für ihr Einzelticket bezahlen müssen.