Die zwölf Berliner Jobcenter sind mal wieder dabei, sich umzuorganisieren. 350 ihrer Arbeitsvermittler müssen aus ihren bisherigen Teams herausgelöst werden. Sie kümmern sich künftig in einer Berliner Job-Offensive gemeinsam mit 300 neu eingestellten Kollegen um jene 70000 Langzeitarbeitslose, die die Jobcenter als geeignet für echte Arbeitsstellen einschätzen.
Kritiker befürchten nun, dass die Mehrheit der nicht als „arbeitsmarktnah“ geltenden Hartz-IV-Empfänger de facto gar nicht mehr von Arbeitsvermittlern betreut wird. „In unserem Jobcenter in Tempelhof-Schöneberg soll es für diejenigen, die nicht von der Job-Offensive profitieren, einen Betreuungsschlüssel von eins zu 500 geben“, sagte die Sozialstadträtin des Bezirks, Sibyll Klotz (Grüne). Die Menschen mit Problemen blieben auf der Strecke.
Hingegen soll es in den Chefetagen der Jobcenter Zuwachs geben. Die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit und die Senatsverwaltung für Arbeit sind übereingekommen, einen neuen, gut dotierten Spitzenjob einzurichten. Künftig agiert neben dem Geschäftsführer und seinem Stellvertreter ein „Leiter in der Geschäftsführungsebene des Jobcenters“. Einen entsprechenden Beschluss sollen die Trägerversammlungen der Jobcenter, in denen Vertreter der Bezirke und der Arbeitsagentur sitzen, in den nächsten Tagen fassen.
Die neue Führungskraft soll mit 6266,38 Euro monatlich bezahlt werden, heißt es in einem gemeinsamen Beschluss der Regionaldirektion und der Senatsverwaltung der Arbeitssenatorin Carola Bluhm (Linke). Hierzu wird den Plänen zufolge eine bisher mit 4436 Euro bezahlte Stelle aufgewertet. Weil die Stadt Berlin generell 15,2 Prozent der Verwaltungskosten der Jobcenter tragen muss, bedeutet das für die Stadtkasse monatlich 278,08 Euro mehr für jeden der zwölf neuen Spitzenposten. Die neue Leitungskraft sei zur „Stabilisierung der operativen Leistungskraft“ der großen Berliner Jobcenter notwendig. Insgesamt bedeutet die Entscheidung für die Bundesagentur für Arbeit und den Senat zusammen Mehrkosten von fast einer Million Euro im Jahr.
„Keine neuen Häuptlinge“
Stadträtin Klotz ist jedoch nicht klar, was die neue Leitungskraft überhaupt tun soll. In Tempelhof-Schöneberg habe bei Abwesenheit der Chefin der stellvertretende Geschäftsführer die Behörde geleitet, alles ohne Probleme. Das Aufgabenprofil der neuen Stelle sei „vage“ und zeige „überhaupt nicht den tatsächlichen Inhalt der Stelle“. Auch versteht die frühere Arbeitsmarktexpertin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus nicht, wer die bisherigen Aufgaben desjenigen Mitarbeiters erledigen soll, dessen Stelle jetzt hochgestuft wird. „Wir brauchen in den Jobcentern mehr Indianer und nicht noch mehr Häuptlinge“, sagte Klotz. Sie argwöhnt, es sei vor allem darum gegangen, Versorgungsposten für Mitarbeiter der Arbeitsagentur zu schaffen, die mit ihrer Bewerbung auf die Chefposten der Jobcenter gescheitert seien.
Die Senatsverwaltung für Arbeit begründet ihre Zustimmung zu den Plänen der Arbeitsagentur in einem Schreiben an die Bezirksstadträte, dass so „dem Anliegen nach kommunalem Einfluss“ Rechnung getragen werde. Die Träger könnten nun beschließen, dass immer ein Mitarbeiter aus dem Bezirk Vertreter des Behördenchefs werden könne.
Die Frage, wer in den Jobcentern das Sagen hat, ist umstritten, seit die Behörden im Zuge der Hartz-IV-Reform eingerichtet wurden. Die Bezirkspolitiker und ihre Beamten fühlen sich von den besser ausgestatteten und bezahlten Agentur-Leuten oft überrumpelt. So unterhalten die Arbeitsagenturen eine Stabsstelle mit drei Mitarbeitern, die Sitzungen der Trägerversammlungen vorbereitet, während die Stadträte als Einzelkämpfer die Interessen des Bezirks vertreten müssen.