Senat und Bezirke sind weit davon entfernt, ihnen von Freitag an die Leistungen des Bildungspakets für Kinder bereitstellen zu können. Ab 1. April sind die Kommunen dafür zuständig, die Kinder von Hartz-IV-Empfängern, Asylbewerbern, Wohngeldbeziehern und Kinderzuschlagsberechtigten mit kostenfreien Sportkursen, Musikunterricht, Nachhilfestunden, Gratis-Schulessen, Schulausflügen und Klassenfahrten zu versorgen. So hatte es der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat nach langem politischem Streit im Februar beschlossen.
Die Behörden jedoch zeigten sich überfordert, in der kurzen Zeit die nötigen Strukturen aufzubauen. Das gilt nicht nur für Berlin, wo 170.000 Kinder aus Hartz-IV-Familien und 30.000 Wohngeldempfänger nun Leistrungen beantragen können. Auch andere Städte und Kommunen sind noch nicht fertig mit ihrem Angebot für das Bildungspaket. Obwohl die Länder im Vermittlungsausschuss darauf gedrängt hatten, den Kommunen diese Aufgabe zu übertragen, sind diese noch nicht entsprechend aufgestellt.
Zunächst hatte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Jobcenter damit betrauen wollen, die Kinder aus armen Familien zu fördern. Die Vorleistungen, die Teams in den einzelnen Jobcentern geleistet hatten, hat die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit dem Senat angeboten, darunter auch die bereits formulierten Antragsformulare für die insgesamt sieben einzelnen Leistungen, die jedes halbe Jahr erneut beantragt werden müssen.
Der Senat hielt diese Formulare jedoch nicht für tauglich, und so arbeitet man daran, eigene Blätter zu schreiben. „Unsere Leute schieben Überstunden“, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung.
Umsetzung sehr kompliziert
Die Bundesagentur für Arbeit mit ihren Jobcentern, die auch nach dem neuen Modell die Kinder ihrer Familien mit einem Berlin Pass ausstatten soll, den diese wiederum in Schulen oder in Sportvereinen als anspruchsberechtigt ausweist, sieht sich nicht mehr in der Verantwortung. „Wir sind aufgestellt für alle Aufgaben, es fehlen aber noch die Umsetzungsregularien des Senats.“ Das Land Berlin hat 160 Millionen Euro vom Bund erhalten, um die Leistungen für Bildung und Teilhabe an die Menschen zu bringen.
Der stellvertretende Senatssprecher Günter Kolodziej räumt ein, dass die Umsetzung und die Koordination sehr kompliziert sei. Man werde aber in wenigen Tagen an den Start gehen können. Der Koordinationsaufwand sei enorm, vier Senatsverwaltungen, die Senatskanzlei, die zwölf Bezirke, die Jobcenter und die Arbeitsagenturen müssen unter einen Hut gebracht werden. Der Vermittlungsausschuss habe die schwierige Materie im Februar einfach „bei den Kommunen abgekippt“, heißt es in Senatskreisen. Im Vergleich mit den anderen Stadtstaaten schlage man sich in Berlin ganz gut.
Am Dienstag hatte Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) im Senat über den Stand der Dinge berichtet. Die Regierung will eine Entscheidung aber erst in der Zukunft treffen.
Vieles ist noch offen. So wissen die Berliner Behörden nicht, wie sie das subventionierte Mittagessen bewerten sollen, zumal Berlin seinen armen Kindern ohnehin schon nur 23 Euro pro Monat dafür abnimmt. Vor allem ist noch nicht geklärt, wer das benötigte zusätzliche Personal einstellen und bezahlen soll. Ursprünglich hatten den Jobcentern 130 zusätzliche Stellen zugestanden, um das Bildungspaket umzusetzen.
Dabei gingen die Arbeitsbürokraten davon aus, dass die Sachbearbeiter für jeden einzelnen Antrag 73 Minuten brauchen. Die Arbeitsagentur beharrt nun auf diesen neuen Stellen. Zusätzlich werden aber auch in den Wohngeldstellen 14,9 Stellen und in den Sozialämtern 7,1 Stellen benötigt, weil auch dort Kinder Sportvereinsbeiträge, Nachhilfe oder freies Mittagessen beantragen können. Senat, Bezirke und Arbeitsagentur streiten nun hinter den Kulissen darüber, wer wie viel neue Mitarbeiter bekommen soll. Teilnehmer berichten von einer Sitzung der Bezirksvertreter mit den Leuten der Arbeitsagentur aus den Trägerversammlungen aller zwölf Jobcenter, wo beide Seiten sich in getrennten Beratungen abstimmen mussten.
Die Bildungsverwaltung verweist darauf, dass mindestens 50 Stellen nötig sein würden, um die Schulsekretariate zu verstärken. Denn die Schulen müssen einen großen Teil des Aufwandes schultern.
Die Opposition will die Regierung jedoch nicht so einfach aus der Verantwortung entlassen. Das Bildungspaket der Bundesregierung sei ohnehin ein „bürokratisches Monstrum“, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop: „Aber man muss in Berlin die Bürokratie nicht noch einmal verstärken.“
Die Grünen sprechen sich für eine einheitliche Bildungspaket-Anlaufstelle in jedem Bezirk aus. Auch in der Arbeitsagentur gibt es Sympathien für diese Idee. Der Vorteil wäre, dass dort das Personal konzentriert werden könnte. Zumal viele Hartz-IV-Empfänger immer mal für ein paar Monate kein Geld mehr vom Amt erhalten, wenn sie etwa zwischendurch kurz einen Job haben. Wie man wohl eine zu Unrecht gewährte Nachhilfestunde zurückfordern könne, fragt sich die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Pop.