Tierärztin Renate Lorenz führt seit 25 Jahren ihre Praxis in Lichterfelde. Und sie lebt dort nicht allein: An die 40 Tiere hat sie aufgenommen - die meisten fristen bei ihr das Gnadenbrot. Deshalb heißt Lorenz für viele “Dr. Dolittle von Berlin“.

Jodi war erst wenige Wochen alt, als er vom Postboten gebracht wurde. Wahrscheinlich war das Eichhörnchen-Baby aus dem Nest gefallen. Hilflos hatte es auf dem Bürgersteig gelegen. Tierärztin Renate Lorenz päppelte das Eichhörnchen auf und bereitete es auf ein Leben in der Freiheit vor. Als das Tier groß genug war, wurde es auf dem Stahnsdorfer Friedhof ausgesetzt, „weil es dort ruhig ist und ihm keiner etwas tun kann“, sagt die Tierärztin. Doch Jodi konnte sich nicht so recht an der Freiheit erfreuen. Nach ein paar Tagen wollte die Tierarzthelferin noch einmal nach ihm sehen. Jodi kam sofort angesprungen und wich nicht mehr von der Seite. Heute lebt Jodi in einem geräumigen Käfig im Wintergarten und kuschelt sich am liebsten mit seinem Wärmekissen unter die Decke.

So ähnlich wie Jodi ging es auch Mischlingshund Wilhelm aus der Kaiser-Wilhelm-Straße in Lankwitz und Kater Karl aus der Neuköllner Karl-Marx-Straße, die beide gemütlich durch die Praxisräume streichen. Sie wurden aufgefunden und nach Lichterfelde gebracht. Seit 25 Jahren hat Renate Lorenz ihre Tierarztpraxis im Oberhofer Weg 68, die sich durch einiges von den herkömmlichen Praxen unterscheidet. Heute feiert die Tierärztin ihr Jubiläum mit vielen geladenen Gästen. Mit dabei sind aber auch 13 Kaninchen, sechs Hühner, zwei Spatzen, eine Maus, ein Frettchen, eine Schildkröte sowie Hühner, Hunde und Katzen – um nur einige zu nennen. An die 40 Tiere leben bei ihr, die meisten fristen ihr Gnadenbrot, was der Tierärztin den Namen „Dr. Dolittle von Berlin“ einbrachte.

Eigentlich hatte Renate Lorenz eine wissenschaftliche Karriere im Blick. Sie blieb nach dem Studium der Tiermedizin an der Freien Universität, promovierte und bildete Studenten aus. Eines Tages, so erzählt die 59-Jährige, habe sie mitbekommen, wie Affen zu Tierversuchen verstümmelt wurden. Sie hörte die Tiere wimmern und erstattete Anzeige. Die Antwort war ein Hausverbot. 1985 eröffnete sie im Souterrain ihres Hauses eine eigene Praxis. Zu ihren Stammpatienten gehören seitdem vor allem Katzen und Hunde aus der Nachbarschaft.

Vom Friedhof gestohlene Blumen als Dank

Bekannt ist die Tierärztin aber nicht nur in der Nachbarschaft, sondern auch bei den Aussteigern in der Wagenburg Wuhlheide. Ihre Tiere, meist Hunde, werden von Renate Lorenz kostenlos behandelt. „Viele sind schwer krank, haben Tumore oder Verletzungen“, sagt sie. Als Dank für die Behandlung bringt mancher eine Blume mit, „die er wohl vom Friedhof geklaut hat“, vermutet die Tierärztin.

Aber auch bei der Polizei, der BSR oder der BVG ist sie eine feste Adresse. Eine Taube namens Baby Blue zum Beispiel, die so zahm ist, dass sie auf der Schulter sitzen bleibt, wurde von einem Busfahrer gebracht, die BSR findet immer wieder Kaninchen in Müllbehältern. „Eigentlich versorge ich die Tiere und gebe sie wieder ab“, sagt Renate Lorenz. Und wie zum Beweis klingelt das Telefon, und ein befreundeter Tierarzt will wissen, ob sie zwei Katzen zu vermitteln hat. Hat sie. Viele Tiere bleiben aber auch bei ihr zu Hause. Manches ist ihr oder den Tierarzthelferinnen ans Herz gewachsen, andere sind so alt oder krank, dass sie nicht mehr vermittelbar sind. „Ich habe meinen Beruf nicht nur gelernt, um Geld zu verdienen“, begründet die aktive Tierschützerin ihr Engagement. Sie wolle Tieren einfach helfen, „weil man sich an ihnen auch festhalten kann“.

Ihre Praxis ist voller Bilder von ihren Tieren, die die Hobbyfotografin selbst gemacht hat. Die schönsten Fotos sind vom 1..Dezember an in einer Ausstellung in der Petruskirche in Lichterfelde zu sehen. Wer will, kann sich aber auch bis Freitag noch in ihren Praxisräumen umsehen. Dort lernt der Besucher zum Beispiel Silberpfeil kennen – ein Huhn, das so genannt wird, weil es als Jungtier so schnell war.