Wahl des Rechnungshofpräsidenten

Abgeordnete verweigern Wowereit Gefolgschaft

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Gilbert Schomaker und Jens Anker

Foto: dpa

Die Kandidatin des rot-roten Senats für die Spitze des Rechnungshofes, Hella Dunger-Löper, ist bei der Wahl im Berliner Abgeordnetenhaus gescheitert. Schuld daran sind mindestens zwei Parlamentarier von SPD und Linke, die nicht für die 57-Jährige stimmten. Regierungschef Wowereit sprach von einer "Ohrfeige" - auch für sich.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat am Donnerstag im Abgeordnetenhaus eine schwere politische Niederlage erlitten. Seine Kandidatin für den vakanten Posten des Rechnungshofpräsidenten, Stadtentwicklungsstaatssekretärin Hella Dunger-Löper, erhielt nicht die notwendige Mehrheit von 75 Stimmen. Mindestens zwei Abgeordnete der rot-roten Koalition stimmten in der geheimen Abstimmung nicht für die 57-jährige SPD-Politikerin.

69 Abgeordnete votierten gegen Dunger-Löper. Eine der insgesamt 144 abgegebenen Stimmen war nach Angaben von Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) ungültig. Dunger-Löper zog daraufhin ihre Kandidatur zurück. Schon im Vorfeld der Entscheidung war der Personalvorschlag des Senats kritisiert worden, weil Dunger-Löper als Rechnungshofpräsidentin ihre eigenen Entscheidungen als Staatssekretärin in der Stadtentwicklungsverwaltung kontrolliert hätte. Die Opposition sah die Unabhängigkeit des Rechnungshofes in Gefahr.

Klaus Wowereit sprach in einer ersten Reaktion von einer „Ohrfeige für die Koalition“. „Da ich auch Teil der Regierungskoalition bin, bin ich auch davon betroffen“, so Wowereit, der an diesem Freitag beim Bundesparteitag der SPD als stellvertretender Parteivorsitzender kandidieren will. Angesprochen auf eben diesen Dresdner Parteitag, sagte Wowereit: „Das spielt für Dresden keine Rolle.“

Der neue Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Udo Wolf, sprach von Krise und sagte: „Wenn man die Mehrheit nicht bringen kann, hat man offensichtlich ein Problem. Wir werden aber gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.“ Für ihn persönlich bedeute das Abstimmungsergebnis „die erste schwere Niederlage als Fraktionschef“. Wolf war Anfang Oktober als neuer Fraktionsvorsitzender für die in den Senat aufgerückte Vorgängerin Carola Bluhm gewählt worden. Wolf gestand ein, dass es innerhalb seiner Partei deutliche Kritik an der Personalentscheidung des Senats gegeben habe. In einer Probeabstimmung hatten aber alle Abgeordneten für Dunger-Löper gestimmt. Auch in der SPD-Fraktion hatte es zumindest in der Fraktionssitzung am Dienstag einen Kritiker gegeben, der aber angekündigt hatte, Wowereits Kandidatin dennoch wählen zu wollen.

CDU-Fraktionschef Frank Henkel kommentierte die Abstimmung mit den Worten: „Das Parlament hat heute in letzter Sekunde eine rote Filzentscheidung gestoppt. Das ist gut für die politische Hygiene in der Stadt.“

Nach der Abstimmungsniederlage waren viele Politiker der SPD-Linken-Koalition entsetzt. „Ich bin schockiert“, sagte Dilek Kolat, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD. Mit dem Personalvorschlag wollte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) auch Druck vonseiten der Frauen aus der Fraktion nehmen, die wiederholt Führungspositionen für sich beansprucht hatten. Doch der Vorschlag Dunger-Löper war auch am Donnerstag heftig umstritten.

Der Trick der Opposition

Eigentlich hätte die Personalentscheidung im Abgeordnetenhaus gar nicht debattiert werden dürfen. Denn die Verfassung sieht vor, dass der Präsident des Rechnungshofs auf Vorschlag des Senats vom Parlament gewählt wird – ohne Aussprache. Doch die Opposition wandte einen Trick an. CDU und FDP stellten zwei Anträge, um das Gesetz für die Wahl des Rechungshofchefs zu ändern. Dadurch erhielten die Fraktionen ein Rederecht – und das nutzten sie aus.

„Das ist kein Personalvorschlag, das ist eine Provokation für die CDU“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Uwe Goetze. Er warf Dunger-Löper als Vorsitzender des Hauptausschusses eine parteiische Führung vor. Und auch als Staatssekretärin habe sie das Parlament „von Amts wegen“ parteiisch über Vorgänge in der Senatsstadtentwicklungsverwaltung unterrichtet. Wie könne sie da als Rechnungshofpräsidentin unparteiisch über ihre eigenen Entscheidungen als Staatssekretärin entscheiden, fragte Goetze. „Dem Filzboden, auf dem die Koalition steht, wird ein weiteres Stück hinzugefügt“, so der Politiker vor der Abstimmung.

Koalition verwies auf fachliche Qualifikation

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer schlug vor, dass es eine fünfjährige Karenzzeit für Mitglieder des Senats geben soll, bevor sie als Rechnungshofpräsident kandidieren können. Die Personalie Dunger-Löper lehnte er ebenfalls ab. Er warnte vor dem „knallharten Durchziehen“ einer solch wichtigen Entscheidung.

Dagegen verteidigten Redner der rot-roten Koalition den Vorschlag. „Nehmen Sie doch Abstand von Ihren Vorverurteilungen“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Stefan Zackenfels. Die Unabhängigkeit des Rechnungshofs bleibe auch mit einer SPD-Politikerin an der Spitze gewahrt. Der rechtspolitische Sprecher der Linken, Klaus Lederer, verwies auf die fachliche Qualifikation der Kandidatin. Schließlich appellierte der Haushaltsexperte der Grünen, Jochen Esser, an das Gewissen der einzelnen Abgeordneten. „Wer für die Würde des Rechnungshofs votieren will, muss Frau Dunger-Löper die Stimme verweigern.“

Ob es dieser Appell zur politischen Hygiene war oder eine offene Rechnung, die zwei Parlamentarier der rot-roten Koalition mit Dunger-Löper oder ihrem obersten Dienstherrn Klaus Wowereit hatten, bleibt offen. Denn die Wahl war geheim. Nach der Abstimmung offenbarte sich niemand, Dunger-Löper die Stimme verweigert zu haben. Der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Michael Müller sagte nach der Niederlage: „Das ist ein herber Rückschlag und mehr als ärgerlich. Da haben zwei nicht mit offenen Karten gespielt.“

Der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann forderte die Regierungsfraktionen auf, sich nun mit der Opposition auf einen gemeinsamen Kandidaten für den Rechnungshof zu verständigen.