Die Berliner SPD will den kommunalen Einfluss auf die Wirtschaft in Berlin deutlich ausbauen. Wasser, S-Bahn, Energienetze: Für alle Sektoren der städtischen Versorgung, für die in den nächsten Monaten und Jahren Veränderungen anstehen und bei denen Konzessionen auslaufen, soll nach den Vorstellungen des Landesparteitags der Sozialdemokraten der Senat die Kontrolle übernehmen und frühere Privatisierungen rückgängig machen.
Die SPD würde die Berliner Wasserbetriebe am liebsten sofort komplett zurückkaufen, wenn die privaten Miteigentümer RWE und Veolia denn bereit wären, ihre Anteile von 49,9 Prozent an der Anstalt des öffentlichen Rechts abzugeben. „Wenn sie bereit sind, sich zu trennen, werden wir ernsthaft prüfen, ob wir die Anteile erwerben“, versprach der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit den Delegierten.
RWE: Verkauf nicht auf der Agenda
Sprecher von RWE und Veolia ließen jedoch gestern wissen, sie dächten derzeit nicht daran, sich aus den Berliner Wasserbetrieben zurückzuziehen. RWE betonte, ein Verkauf stehe „zurzeit überhaupt nicht auf der Agenda“. Jedoch hat sich das Unternehmen von Beteiligungen in den USA und anderen Staaten getrennt. Grundsätzlich schließe RWE nichts aus, sagte ein Sprecher. „Wir fühlen uns dort wohler, wo wir willkommen sind“, ergänzte er. Von Veolia hieß es, man sei aber bereit, mit dem Senat über die Modernisierung der Verträge zu sprechen. Wenn der Bedarf bestehe, über Regelungen zu reden und sie zu ändern, dann stehen wir zur Verfügung, sagte Veolia-Sprecher Matthias Kolbeck.
Senat und private Anteilseigner stehen unter dem Druck des Volksbegehrens, nach der Offenlegung der Verträge über die Teilprivatisierung von 1999 auch die Gewinngarantien und die Verteilung der Überschüsse zu verändern. Obwohl es derzeit also keine Verkaufsabsichten gibt, solle der Senat seine Kaufabsichten den Privaten offiziell deutlich machen und ein langfristig kostenneutrales Finanzierungsmodell für die Übernahme vorlegen. SPD-Landeschef Michael Müller stellte sich hinter die Mehrheit des Parteitags. Aber: „Alles muss sich rechnen“, sagte Müller. Die Politik müsse gut begründen, warum sie mit Steuergeld in Sachen Rekommunalisierung tätig werde und was das für den Bürger bringe. Die Delegierten haben sich aber im Grundsatz festgelegt. Sie wollen zunächst die eigenen Unternehmen stärken und Einfluss auf weitere Teile der Infrastruktur stärken. Damit wollen die Sozialdemokraten sich auch von den Grünen absetzen, die in vielen Bereichen eine wettbewerbsfreundlichere Position einnehmen.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Abgeordnetenhausfraktion, Christian Gaebler, machte die Differenzen zur Konkurrenz deutlich und nutzte damit den „Müllkrieg“ zwischen Alba und der städtischen BSR um die Wertstofftonne. Die Grünen wollten „Alba die Rosinen picken lassen, und unser Unternehmen soll den Rest wegmachen“, sagte Gaebler, der auch Chef des großen SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf ist. Und das alles nur deswegen, weil Alba-Chef Eric Schweitzer mit der Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast auf Podien sitze.
So bleibt die SPD bei der klaren Linie: Kommunal ist besser als privat. Der Parteitag stimmte mit großer Mehrheit dafür, die Energienetze für Gas, Strom und Fernwärme den Betreibern Gasag bzw. Vattenfall nach dem Auslaufen der Verträge 2013 (Gas) und 2014 (Strom) nicht wiederzugeben, sondern sie in kommunale Verantwortung zurückzuführen. Dort waren die Netze vor den auch von der SPD mitgetragenen Verkäufen der Gasag und der Bewag in den 90er-Jahren.
Der SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz mahnte, jetzt sei die Gelegenheit zuzuschlagen. Wenn die SPD ihre umweltpolitischen Ziele einer dezentraleren Energieversorgung, Kraft-Wärme-Kopplung und eines stärkeren Einsatzes von erneuerbaren Energien ernst meine, müsse sie die Netze in ihre Hand bekommen, sagte der Abgeordnete. Andere Redner rechneten vor, wie sich aus den von den Aufsichtsbehörden zugebilligten Renditen für den Netzbetrieb ein Einstieg des Landes bei den Betreibergesellschaften angesichts des derzeit niedrigen Zinsniveaus auch ökonomisch rechnen werde. Entsprechend klar war die Mehrheit für die Übernahme der Energienetze.
"Kopf hoch, Brust raus“
Zu Beginn des Parteitages ermunterte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die Berliner Genossen, mit Zuversicht in den Wahlkampf für die Abgeordnetenhauswahl im September 2011 zu gehen. „Lasst euch nicht kirre machen, Kopf hoch, Brust raus – für diese Inhalte gibt es eine große Mehrheit in Deutschland“, sagte Kraft. Berlin sei Vorbild in schulischer Bildung und Kita-Betreuung. Es könne sich sehen lassen, was der SPD-geführte Senat dort in den vergangenen Jahren geschaffen habe. Es gebe 14000 zusätzliche Kita-Plätze, Gebührenfreiheit bei der Kita-Betreuung von 2011 an, Ganztagsschulen, eine Betreuungsquote von über 40 Prozent bei den unter Dreijährigen.
Obwohl es in Senatskreisen durchaus Skepsis gibt, ob sich die Wünsche der Genossen in den vertragsrechtlich komplizierten Fragen tatsächlich auch umsetzen lassen, verlief der Parteitag gestern erstaunlich geräuschlos. Es überwog der Konsens, die SPD wollte sich geschlossen präsentieren und ihr Motto „Berlin miteinander“ auch intern leben. So endete der Konvent deutlich früher als geplant.