Tunnelsanierung

Der U-Bahnhof Mehringdamm wird gehäutet

| Lesedauer: 4 Minuten
Markus Falkner

Foto: Christian Kielmann / Kielmann

Die BVG saniert die marode Bausubstanz am U-Bahnhof Mehringdamm in Kreuzberg bei laufendem Betrieb. Doch wenn Beton und Stahl im Untergrund erneuert sind, beginnen die Verkehrsbetriebe mit der Tunnelabdichtung von außen. Ab Sommer 2010 wird es dann Einschränkungen für den Autoverkehr geben.

Im Untergrund bröckelt der Beton. Lange Risse ziehen sich durch die Decke des U-Bahnhofs Mehringdamm. Tiefe Löcher geben den Blick frei auf rostbraune Moniereisen. Arbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben die feuchten und schadhaften Stellen, die Löcher und Risse mit rosa Farbe markiert. Die verdutzten Fahrgäste stehen unter einem Patchwork-Muster aus grauem, bröseligen Baustoff und pinkfarbenen Linien. Es ist viel Pink zu sehen.

Vor vier Wochen hat die BVG begonnen, im Rahmen der Tunnelsanierung unter dem Mehringdamm die Zwischendecke aus den 60er-Jahren zu entfernen. Was zu Tage kam, war weit mehr als die marode Bausubstanz. Jetzt, wo die Deckenverkleidung entfernt ist, erzählt der Tunnel die Geschichte des Bahnhofs. Rundgewölbe aus den 20er-Jahren und die gerade Deckenkonstruktion aus den 60er-Jahren liegen frei. Für U-Bahn-Bauchef Uwe Kutscher ist die Station in Kreuzberg deshalb Sorgenkind und Lieblingsprojekt in einem.

Historische Form

Wenn Ende 2010 die Sanierung abgeschlossen ist, soll der Bahnhof nämlich nicht nur sicher und wasserdicht, sondern auch komplett umgestaltet sein. Kutscher will die vom legendären U-Bahn-Baumeister Alfred Grenander gestalteten Gewölbe ebenso erhalten und in historischer Form wiederherstellen, wie die Decke des Erweiterungsbaus aus den 60er-Jahren. Die rotbraunen Klinkersteine an den Wänden sollen verschwinden und durch helle Fliesen im Stil der historischen U-Bahnhöfe ersetzt werden. Noch im November sollen die Arbeiten beginnen.

Was unter der Wandverkleidung noch von der ursprünglichen Architektur erhalten ist, kann auch Kutscher nur mutmaßen. Als Vorbild für die Neugestaltung nennt er die Station Platz der Luftbrücke. Hell und hoch soll auch der Bahnhof Mehringdamm auf die Fahrgäste wirken. Kutscher erhofft sich „ein völlig neues Raumgefühl“. Drei Millionen Euro will die BVG für die notwendige Sanierung und die Umgestaltung der Station ausgeben. Etwas billiger ginge es, wenn der U-Bahnverkehr (U 6/7) zeitweise unterbrochen würde, sagt der Bauchef. Doch die Fahrgäste sollen möglichst nicht unter den Arbeiten leiden. Deshalb wird der größte Teil der Arbeiten in den nächtlichen Betriebspausen erledigt.

Dass der marode Tunnel einen Meter unter der Fahrbahn des Mehringdamms saniert wird, werden im kommenden Jahr aber die Autofahrer merken. Wenn der schadhafte Beton, der rostige Stahl im Untergrund erneuert sind, beginnt die BVG mit der Tunnelabdichtung von außen. Voraussichtlich vom Sommer 2010 an wird es deshalb Einschränkungen für den Autoverkehr geben.

Viele Baustellen im Jahr 2010

Was das bedeutet, erleben derzeit die Autofahrer auf der Karl-Marx-Allee, am Kaiserdamm und am Wittenbergplatz. Auch dort dichten die Verkehrsbetriebe ihre maroden Tunnel ab. Und ein Ende der Baustellen an U-Bahntunneln ist nicht abzusehen. 60 Kilometer sogenannte „Altbaustrecken“ gibt es im U-Bahnnetz der BVG. Über Jahrzehnte wurden die historischen Tunnel und Viadukte vernachlässigt. Rost nagt an Stahlträgern der Hochbahn. Sickerwasser und Streusalz lassen den unterirdischen Beton bröckeln. Was Generationen zuvor scheuten, nahmen die Verkehrsbetriebe vor fünf bis sechs Jahren in Angriff: Die Grundsanierung der alten Bauwerke.

400 Millionen Euro stehen dafür bis 2025 zur Verfügung. Zum Jahresende 2009 soll etwa ein Viertel der Mammutaufgabe geschafft sein. 30 Millionen Euro verbaut die BVG allein in diesem Jahr. Neben der Tunnelsanierung fließt der Löwenanteil in die Viadukterneuerung an der Schönhauser Allee und am Gleisdreieck.

Dort wird auch 2010 weiter kräftig gebaut. An der Linie U2 in Prenzlauer Berg werden die Viadukte südlich des Bahnhofs Schönhauser Allee saniert. Am Gleisdreieck stehen fast das gesamte Jahr über Arbeiten an den Hochbahnbauwerken der U1 und der U2 an.

Kutscher spricht von einem „ambitionierten Programm“ – ohne Alternative. Denn es wurde über Jahre gepfuscht. Dies belegen jetzt freigelegte, provisorisch montierte Regenrinnen und Fallrohre am Bahnhof Mehringdamm. Weil sich niemand an das Millionenprojekt Abdichtung wagte, wurde das Wasser früher abgeleitet. „Wenn wir so weitermachen würden, hätten wir in 20 Jahren keine Tunnel mehr“, sagt Uwe Kutscher.