Berliner Wasserbetriebe

Nächste Runde im Kampf um die Wasserverträge

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Jens Anker

Am Sonntag stimmen die Berliner über die Wasserverträge ab. Die Initiative "Wassertisch" will auch nach einer Niederlage beim Volksentscheid weitermachen - und notfalls den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Die Initiatoren des Volksentscheids zur Offenlegung der Wasserverträge wollen auch im Fall einer Niederlage am Sonntag weitermachen. Das kündigte der Sprecher der Initiative am Donnerstag an. „Die direkte Demokratie braucht neue Ideen“, sagte Rudek. Die Initiative werde sich für die kostengünstige Rekommunalisierung teilprivatisierter Unternehmen einsetzen und notfalls den Europäischen Gerichtshof anrufen, sollte der Rechtsweg in Deutschland erschöpft sein. „Die Geheimhaltung von Informationen ist als informative Entmündigung der Bürger zu bewerten“, sagte Rudek.

Die Initiative warb am Donnerstag noch einmal eindringlich dafür, am Volksentscheid am Sonntag teilzunehmen und sich für die rückhaltlose Veröffentlichung der Verträge inklusive aller Nebenabreden auszusprechen. Die bislang vom Senat im Internet veröffentlichten 700 Seiten reichten bei weitem nicht aus, um die Transparenz im Zusammenhang mit dem Teilverkauf der Wasserbetriebe herzustellen. Nach Auffassung der Initiative gebe es Hinweise darauf, dass Teile des Vertrages sittenwidrig sind. Schon die Vehemenz, mit der der Senat versuche, den Volksentscheid zu verhindern, sei ein Hinweis darauf, dass noch nicht alle brisanten Unterlagen veröffentlicht worden seien, vermuten die Initiatoren.

Preise um 35 Prozent gestiegen

Der Senat hatte knapp die Hälfte der Wasserbetriebe 1999 an zwei private Investoren verkauft. Die Verträge sehen eine jährliche Gewinnausschüttung sowohl an das Land als auch an die privaten Investoren vor. Weiterhin ist darin vereinbart, dass die Gewinnausschüttung auch dann erfolgt, sollte das Verfassungsgericht Zweifel an den Verträgen äußern. Im Gegenzug haben sich die Wasserpreise in Berlin nach einer Karenzzeit in den vergangenen Jahren stark verteuert. Nach Angaben des Wassertisches stiegen die Berliner Wasserpreise seit 1999 um 35 Prozent. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke), der zugleich Aufsichtsratschef der Wasserbetriebe ist, hat deswegen das Bundeskartellamt angerufen, um klären zu lassen, ob die Wasserpreise in Berlin korrekt berechnet worden sind. Eine Entscheidung darüber wird in diesem Jahr erwartet. In einer ersten Einschätzung des Amtes sahen die Kartellrechtler Hinweise darauf, dass die Berliner Wasserpreise nicht hinreichend transparent berechnet worden sind.

Bei dem Volksentscheid können an diesem Sonntag rund 2,47 Millionen Berliner über eine weitgehende Transparenz beim Verkauf von Landesvermögen abstimmen. Im dritten Volksentscheid seit 2008 geht es am Sonntag darum, dass alle Vertragstexte und Nebenabsprachen zum Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe im Jahr 1999 offengelegt werden. Für einen Erfolg des Volksentscheids müssten am Sonntag rund 615000 Berliner mit Ja stimmen. Das müsste die Mehrheit der Teilnehmer und zugleich mindestens ein Viertel der Berliner Wahlberechtigten sein.

150.000 Briefwähler

Bei diesem Volksentscheid seien es rund 20000 Wahlberechtigte mehr als beim letzten von 2009 zu einem Wahlpflichtfach Religion, sagte die Abstimmungsleiterin. Bislang haben bereits 150000 – das sind sechs Prozent – der Berliner Wahlberechtigten per Briefwahl abgestimmt. 2008 beim Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof sowie 2009 beim Pflichtfach Religion waren wenige Tage vor dem Termin mit 234000 und 167000 schon deutlich mehr Briefwahlanträge eingegangen. Die Experten warnten jedoch davor, allein daraus auf eine geringere Beteiligung zu schließen.

Der Senat hat nach langem Zögern 700 Seiten der Verträge ins Netz gestellt. Daraus wurde nach Überzeugung der Initiative deutlich, dass den privaten Käufern in den vergangenen zehn Jahren deutlich mehr Gewinne zugeflossen sind als dem Land als Mehrheitseigner. Nach Ansicht der Initiatoren des Wassertischs ist nach wie vor geheim, wie die ungleiche Gewinnverteilung berechnet wird.

Der am Sonntag zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf der Initiative sieht zudem vor, dass Verträge, die nicht vollständig offengelegt werden, nach einer Frist unwirksam werden.

Der Senat hält diese Unwirksamkeitsklausel für unzulässig und lehnt den Volksentscheid des Wassertisches grundsätzlich ab. Die FDP ist grundsätzlich gegen die Rekommunalisierung von Unternehmen, die CDU hält nach der Veröffentlichung der 700 Vertragsseiten die Abstimmung für „weitgehend erledigt“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Florian Graf, am Donnerstag. Allein die Grünen unterstützen den Volksentscheid. „Damit wollen wir die Forderung nach einem Gesetz, das die Offenlegung der Verträge verbindlich vorschreibt, durchsetzen“, sagte Landeschef Stefan Gelbhaar.

Pro und Kontra im Wasser-Volksentscheid: