Die Berliner Schulämter müssen angesichts der neuen Aufnahmekriterien in den Oberschulen mit einer Klagewelle rechnen. Günter Peiritsch, Vorsitzender des Landeselternausschusses, bestätigte, dass viele Eltern den Klageweg gehen werden, um für ihr Kind einen Platz an der Schule ihrer Wahl zu bekommen. Auch die Schulstadträtin von Pankow, Lioba Zürn-Kasztanzowicz (SPD), rechnet damit, dass die Zahl der Klagen erheblich zunimmt.
Das Problem: Laut Schulgesetz ist zwar der Elternwunsch maßgebend. Jedes Kind hat demnach theoretisch zu jeder Schule Zugang. Praktisch ist es aber so, dass 40 Prozent der weiterführenden Schulen dem Nachfrageansturm nicht gewachsen sind. Beim Kampf um die heiß begehrten Plätze gelten aber neue Aufnahmekriterien – die Noten sind ausschlaggebend.
Die Eltern fordern deshalb eine Vergleichbarkeit der Grundschulnoten. Svenja Pelzel, Gesamtelternvertreterin der Thalia-Grundschule in Friedrichshain, sagte, Berlin solle sich an Brandenburg orientieren. Dort sei die Benotung durch eine Verordnung festgelegt. In Berlin hingegen könne jede Grundschule über ihre Fach- und Gesamtkonferenzen die Benotung bei Klassenarbeiten eigenständig bestimmen. „Das ist ungerecht. Viele Eltern bereiten deshalb Klagen vor“, sagt Pelzel.
Beate Stoffers, Sprecherin von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), betonte indes, dass es einen fachlich-pädagogischen Ermessensspielraum der Lehrkräfte bei den Noten gebe. „Dadurch ist gewährleistet, dass individuelle Lernfortschritte der Schüler berücksichtigt werden“, sagte sie.
Eltern könnten faktisch Wahlecht verlieren
Laut Bildungsverwaltung ist an 152 der insgesamt 197 weiterführenden Schulen bei Übernachfrage der Notendurchschnitt ausschlaggebend dafür, welche Kinder aufgenommen werden. Nur wenige Schulen haben darüber hinaus weitere Kriterien wie profilbezogene Tests oder besondere Begabungen festgelegt. Bisher wurde bei Übernachfrage mithilfe eines BVG-Routenplaners entschieden, ob ein Schüler dicht genug an einer Schule wohnt. War das der Fall, bekam er einen Platz.
Elternvertreter Peiritsch sagte, dass die neuen Aufnahmekriterien den Noten jetzt ein wesentlich stärkeres Gewicht einräumten. Es sei aber schwierig, die Noten vergleichbar zu machen. Peiritsch forderte deshalb, die Losquote zu erhöhen. Bislang ist vorgesehen, dass die Schulen 60 Prozent der Bewerber selbst auswählen können. Zehn Prozent der Plätze sind für Härtefälle vorgesehen. Über die restlichen 30 Prozent soll per Losverfahren entschieden werden. Eine höhere Losquote würde laut Peiritsch auch für eine bessere Durchmischung der Schülerschaft sorgen. „Es kann nicht sein, dass Eltern, die einen Rechtsanwalt bezahlen können, einen Platz an ihrer Wunschschule bekommen und die anderen leer ausgehen müssen“, sagte Peiritsch.
Das neue Auswahlverfahren dürfte auch dazu führen, dass sich Schüler über Bezirksgrenzen hinaus an beliebten Schulen anmelden. Bislang hat sie daran das jetzt abgeschaffte Wohnortprinzip gehindert. Elternsprecher Peiritsch sagte, dass Eltern immer die beste Schule für ihr Kind wollten. „Die Eltern werden deshalb auch als Zweit- und Drittwunsch beliebte Schulen angeben.“ Erhielten sie an keiner der Schulen einen Platz, würde ihnen eine Schule zugewiesen. „In derartigen Fällen kann vom Wahlrecht der Eltern keine Rede mehr sein.“