Wildtier im Hotel

Senat schickt Experten auf Waschbär-Jagd

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Tanja Laninger

Foto: mr cr ps / DPA

Kost und Logis frei: Waschbär Alex hat sich im Hotel Park Inn am Alexanderplatz eingenistet. Das putzige Tierchen hauste dort bislang unbehelligt in der Tiefgarage. Doch in der Nacht wollte ihm nun der Wildtierbeauftragte des Senats auf den Pelz rücken - und Alex gründlich untersuchen.

Kleiner Bär, was nun? Seit Wochen haust ein Waschbär in der Garage des Hotels Park Inn am Alexanderplatz. Alex, wie er von den Berlinern genannt wird, soll Tauben fressen und gelegentlich vor Burger King ein Frühstück einnehmen. Wie es um den Zustand des Allesfressers bestellt ist, prüft nun die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. In der Nacht wollte sich der Wildtierbeauftragte Derk Ehlert in der Garage auf die Suche nach dem Wildtier machen.

Drei Punkte seien für ihn von Interesse, sagt Ehlert: „Geschlecht, Gesundheitszustand und Nahrungsbeschaffung.“ Schließlich hätten Mitarbeiter von Burger King in den Morgenstunden des Öfteren ein „komisches“ Tier in ihren Abfällen wühlen sehen. Aus dem Hotel war zu hören, der Bär fresse Tauben und deren Eier. Gefüttert hat ihn angeblich keiner. Das ist – wie bei Wildschweinen und Füchsen – verboten. Auf die Ordnungswidrigkeit steht eine Geldstrafe.

Die Senatsverwaltung ist von der Direktion des Vier-Sterne-Hotels zu Rate gezogen worden. Denn der ursprüngliche Plan des Hauses war nicht aufgegangen. Man wollte eine Patenschaft für das Tier übernehmen und suchte öffentlich ein artgerechtes Quartier für den blanken Gast. Doch Privatleute und der Tierpark lehnten ab, weil ein freilebendes Wildtier kaum einzugliedern ist.

Rechtlich gesehen war das Unterfangen von vornherein haltlos. „Niemand hat das Recht, sich ein herrenloses Wildtier anzueignen, auch wenn es sich auf seinem Grundstück bewegt“, sagt Derk Ehlert. Solche Tiere unterliegen dem Jagdrecht und dürfen in der Stadt nicht geschossen werden. In der Konsequenz kann das bedeuten: Wenn dem Bären seine Unterkunft zusagt, darf er weiterhin dort wohnen. Denn von den geselligen Wildtieren geht keine Gefahr aus – weder für Menschen noch für Autokabel, sagt Ehlert. Ist der Kleinbär krank, entscheidet er, ob das Tier vor Ort oder in ärztlicher Obhut behandelt wird.

Das triste Ambiente dürfte dem Tier einerlei sein: Waschbären sind nachtaktiv und farbenblind, sie orientieren sich im Dunkeln mittels Geruchs- und Tastsinn. Dennoch mutet die Beton-Behausung ungewöhnlich an. Ein Großteil der Berliner Waschbären-Population konzentriert sich rund um Flüsse, Kanäle und Seen. „Uns sind etwa 100 bis 120 Familienverbände bekannt“, sagt Ehlert. Immerhin 20 von ihnen leben ebenfalls in Gebäuden: in einem Einkaufszentrum in Spandau, verlassenen Industriehallen und Schuppen am Stadtrand. Dachböden und Kamine sind als Schlaf- und Wurfplätze beliebt.

Ihren Ursprung hat die Berliner Population in einer Farm in Strausberg, aus der die Tiere mit Ende des Zweiten Weltkriegs geflüchtet sein sollen. Die Hochburg in Deutschland ist Kassel, wo auf 100 Hektar bis zu 100 Tiere leben. Urheimat aller Waschbären ist Nordamerika.

Ehlert vermutet, dass der Hotel-Bär ursprünglich am Brandenburger Tor aufgewachsen ist. „Dort lebt eine Waschbärenfamilie, bei der ich seit einiger Zeit zwei Jungtiere vermisse.“