Der Anhalter Bahnhof bietet sei Monaten das gleiche Bild: Ein Großteil der Deckenplatten im Zwischengeschoss fehlt, zahllose bunte Kabel hängen lose herunter, einige der freiliegenden Aluminiumträger sind bereits verbogen, weil sportliche Passanten sie als Reckstange missbrauchten. Bauarbeiter wurden dagegen schon seit Langem nicht mehr gesichtet. Auch das Baugerüst, das zeitweilig im Treppenabgang zu den Bahnsteigen stand, ist wieder verschwunden.
Dabei geht es bei den ausstehenden Arbeiten im Bahnhof nicht etwa um ein paar Schönheitsreparaturen. Die unterirdische Station im Nord-Süd-Tunnel ist brandschutztechnisch nicht auf dem neuesten Stand. Doch ausgerechnet der Bahnhof unter dem Askanischen Platz in Kreuzberg war vor nunmehr bereits fünf Jahren Schauplatz eines der schwersten Brandunglücke bei der Berliner S-Bahn. Wegen eines Kurzschlusses hatte – mitten im morgendlichen Berufsverkehr – ein Triebwagen der Baureihe 480 Feuer gefangen und war vollständig ausgebrannt. Nur das beherzte Handeln des Lokführers und eines Feuerwehrmanns verhinderte eine Katastrophe. Die mindestens 30 Fahrgäste gelangten über Notausstiege rechtzeitig ins Freie.
Sanierung nach Brand dauerte fast zwei Jahre
Der Bahnhof selbst aber wurde durch das kurzzeitig bis zu 1000 Grad Celsius heiße Feuer schwer beschädigt. Fast zwei Jahre benötigte die Bahn für dessen mindestens 2,5 Millionen Euro teure Sanierung. Dabei wurde auch der von Brandschutzexperten wiederholt geforderte zweite Ausgang geschaffen. Doch schon kurz nach der Wiedereröffnung des Bahnhofs im Dezember 2005 räumte die Bahn ein, dass dieser nicht die aktuell geforderten brandschutztechnischen Standards aufweist. Dabei geht es etwa um die Kennzeichnung von Fluchtwegen. Aber auch Brandmelder, Lautsprecheranlagen, Beleuchtung und die Elektrotechnik entsprachen nicht den Vorgaben und müssen erneuert werden, hieß es von der Bahn. Kosten: knapp eine halbe Million Euro.
Ursprünglich sollte die „brandschutztechnische Ertüchtigung“ des Anhalter Bahnhofs im ersten Quartal 2008 abgeschlossen sein. Doch neue Vorschriften des Eisenbahn-Bundesamtes machten einen Strich durch den Zeitplan. Bereits vergebene Arbeiten mussten neu ausgeschrieben werden, weil es neue Berechnungen für die Rauchentwicklung bei unterirdischen Stationen gab. Dann hieß es, im September 2009 werden die Arbeiten beendet sein. Doch auch dieser Termin ist nun verstrichen. Jetzt, so ein Bahnsprecher, wird der Dezember anvisiert.
Betrieb läuft ohne Einschränkungen
Warum sich die Arbeiten nochmals verzögert haben, darüber ist wenig in Erfahrung zu bringen. So soll das benötigte Material gefehlt haben. Dann wieder heißt es, die Arbeiten fänden mehr im Verborgenen, also in den öffentlich nicht zugänglichen Bereichen, statt. Eine Gefahr für die Sicherheit der Fahrgäste bestehe nicht, versichert der Bahnsprecher. Daher könne der Betrieb ohne Einschränkungen weitergehen.
Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband Igeb findet es „mehr als beschämend“, dass ein weltweit operierendes Unternehmen wie die Deutsche Bahn nicht in der Lage sei, die geforderte Sicherheitstechnik zügig einzubauen. Der Anhalter Bahnhof sei zudem ein wichtiger innerstädtischen Schnittpunkt, der täglich von tausenden Fahrgästen, darunter vielen Touristen, genutzt wird. Ihnen werde seit Monaten ein wenig ansehnlicher und keineswegs Sicherheit ausstrahlender S-Bahnhof präsentiert. „Die Bahn hat immer noch nicht erkannt, welche Verantwortung sie gegenüber der Stadt hat“, kritisiert Wieseke.
Der Anhalter Bahnhof ist dabei längst nicht die einzige unterirdische S-Bahn-Station mit Sicherheitsdefiziten. Auch der Nordbahnhof und die Stationen Oranienburger Straße, Brandenburger Tor und Potsdamer Platz entsprechen nicht mehr den neuesten Vorgaben. Als besonderen Problemfall sehen Brandschutzexperten die Station Oranienburger Straße, die noch immer über keinen zweiten Ausgang verfügt. Bricht dort ein Feuer aus, könnte die Station schnell zur tödlichen Brandfalle werden.