Die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat nach dem NPD-Brief an Politiker mit Migrationshintergrund gefordert, dass alle demokratischen Parteien gegen rassistische Hetze vorgehen. „Es ist normal, dass Bürger mit Migrationshintergrund für Wahlen in Deutschland kandidieren. Deutschland ist ein Einwanderungsland.“
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), sieht in dem Drohbrief einen zusätzlichen Anlass für ein neues NPD-Verbotsverfahren. „Das ist ein weiterer Beleg für die rassistische Haltung der NPD, die definitiv keine demokratische Partei ist“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Mittwochausgabe). Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) solle seine Ablehnung eines neuen NPD-Verbotsverfahrens „dringend überdenken“. Ein erstes NPD-Verbotsverfahren war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Grund waren damals Bedenken des Gerichts wegen des Einsatzes von V-Leuten der Verfassungsschutzbehörden in der Partei.
Die Linke forderte ebenfalls ein zweites Verbotsverfahren gegen die NPD. Die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus, Sevim Dagdelen, sah einen weiteren Beleg für die volksverhetzenden und rassistische Gesinnung der NPD: „Die NPD muss endlich verboten und die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Rassismus offensiv geführt werden.“
In anonym verschickten Briefen, die wie offizielle Schreiben aufgemacht waren, hatte die rechtsextreme NPD unter anderem türkischstämmige Politiker aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Verantwortlich für die Aktion ist der Berliner NPD-Chef Jörg Hähnel. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft - doch Hähnel hat schon angekündigt, dass es weitere Briefsendungen geben wird.
Özcan Mutlu nennt den Brief Blödsinn
Auch Özcan Mutlu hat einen Brief bekommen: Ein zweiseitiges Schreiben, das wie eine amtliche Bekanntmachung aufgemacht ist. „Ihr Ausländerrückführungsbeauftragter informiert“, steht darin, und dass der Berliner Grünen-Politiker und Bundestagskandidat auf diese Art „mit den Einzelheiten Ihrer Heimreise“ vertraut gemacht werden soll. Den Brief haben auch andere Politiker mit Mitgrationshintergrund per Post an ihre Privatadresse erhalten. Das Schreiben kommt von der NPD - und ist für Mutlu „eine billige Wahlkampfmasche" und "Blödsinn". Nun aber ermittelt die Staatsanwaltschaft.
„Ich habe keine andere Staatsbürgerschaft als die deutsche und diene seit zehn Jahren dem deutschen Volk als Abgeordneter“, sagte Mutlu dem Nachrichtensender N24. „Die fordern mich auf, in eine vermeintliche Heimat zurückzugehen, die gar keine ist. Meine Heimat ist Deutschland.“ Mutlu sagte, er erhalte oft E-Mails und Drohbriefe von Rechtsextremen, daran habe er sich leider gewöhnt. Diesmal könnten Einwanderer erschreckt sein, die nicht erkennen, dass der Brief von der NPD versandt wurde.
Sie habe sich beim Eingang des Briefes gefragt, „wie weit es in Deutschland noch kommt und was noch geduldet wird“, sagte die Bundestagskandidatin der Linkspartei im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg, Figen Izgen. Sie lebe seit 30 Jahren in Deutschland und fühle sich „hier zu Hause“. Beunruhigt zeigte sie sich insbesondere vom Eindringen in die Privatsphäre der Betroffenen. Nach Angaben der Linken haben außerdem mindestens zwei türkisch- oder kurdischstämmige Bezirksparlamentarierinnen aus Charlottenburg-Wilmersdorf und Neukölln derartige Schreiben erhalten.
Die „rassistische Vorgehensweise“ dürfe nicht länger geduldet werden, forderte der türkischstämmige Linken-Bundestagsabgeordnete Hakki Keskin, der nicht persönlich attackiert wurde. Es sei jetzt endlich an der Zeit, „mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu versuchen, die NPD zu verbieten“. Zugleich müsse damit verhindert werden, dass die rechtsextremen Parteien über die Wahlkampfkostenerstattung Steuergelder erhielten, „um ihre rassistische Politik und Propaganda zu betreiben“.
Die „offen fremdenfeindlichen Parolen“ der NPD seien nichts Neues, sagte die kurdischstämmige Linken-Abgeordnete im Abgeordnetenhaus, Evrim Baba. Deshalb sei ein Verbot dringend notwendig. Ihre Heimat sei Deutschland, sagte Baba. Sie sei deutsche Staatsbürgerin. Mit der Türkei verbinde sie nichts.
Mutlu zeigte sich hingegen skeptisch, ob ein NPD-Verbot die Lösung sei. Für ihn stehe im Vordergrund, mehr in die Bildung zu investieren, damit junge Menschen nicht mit „braunem Gedankengut infiziert werden“.
NPD bestätigte den Versand des Briefes
Die NPD bestätigte, den Brief am Wochenende verschickt zu haben. Der Briefumschlag kam ohne Absender, als Verantwortlicher wird allerdings der Berliner NPD-Chef Jörg Hähnel aufgeführt. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen ein Ermittlungsverfahren gegen Hähnel eingeleitet. Es gebe den Anfangsverdacht auf Volksverhetzung, sagte der Leiter der Staatsschutzabteilung, Oberstaatsanwalt Michael von Hagen.
Die „Bekanntmachung“, die laut Hähnel demnächst auch bei anderen Einwanderern im Briefkasten landen wird, soll offiziell klingen: Gemäß eines „Fünf-Punkte-Plans“ würden „Ausländer schrittweise in ihre Heimatländer zurückgeführt“. Auszahlungsansprüche aus der Sozialversicherung bestünden zwar, allerdings sollten sich die Betroffenen „schon jetzt“ um Unterkunft und Arbeit in den Heimatländern kümmern. Senatssprecher Richard Meng bewertet die nun von Hähnel verschickten Briefe als „widerlich“ und „unanständig“. Er könne nur raten, die Schreiben direkt in den Papierkorb zu werfen.
Erst vor wenigen Tagen hatte NPD-Pressesprecher Klaus Beier für Schlagzeilen gesorgt, als er den deutschen Nationalspieler Mesut Özil einen "Ausweis-Deutschen" nannte. Er würde ihn nicht in der Nationalmannschaft spielen lassen. Landeschef Hähnel, Jahrgang 1975, sitzt unter anderem für die NPD in der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach Steltners Angaben auch in anderer Sache gegen den Funktionär der rechtsextremistischen Partei.
Der Sprecher der Anklagebehörde nannte allerdings keine Einzelheiten. Laut „Tagesspiegel“ ist Hähnel dafür verurteilt worden, dass er den Mord an den Sozialistenführern Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von 1919 gebilligt hat. Außerdem verhängte dem Bericht zufolge das Amtsgericht Tiergarten eine Geldstrafe, weil Hähnel andere Mitglieder der BVV beleidigt hatte. Beide Urteile seien aber noch nicht rechtskräftig.