1. Mai in Kreuzberg

Berliner Schüler bestreiten Mordversuch in Krawallnacht

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Zwei Schüler stehen wegen der Randale rund um den 1. Mai vor Gericht. Ihnen wird versuchter Mord vorgeworfen, weil sie Molotowcocktails warfen. Der Verteidiger hält die Anklage für politisch motiviert. Die Kampfanzüge der Polizisten seien Feuerfest.

Ein 19-jähriger Gymnasiast hat am Montag vor dem Berliner Landgericht den Vorwurf des versuchten Mordes an Polizisten bestritten. „Ich habe einen Brandsatz geworfen, aber ich war sicher, dass ich Menschen nicht treffe oder gefährde“, sagte der mutmaßliche Randalierer der Berliner Mai-Krawalle zum Auftakt seines Prozesses. Ein gleichaltriger Schüler aus Weißensee hat zunächst die Aussage verweigert. Verteidiger Hubert Dreyling sagte am Rande des Prozesses, es handele sich „nie und nimmer“ um einen Mordversuch.

Die Angeklagten wurden am 2. Mai nach Mitternacht an einem der Brennpunkte der Randale in der Kreuzberger Adalbertstraße festgenommen. Steine flogen, Flaschen klirrten. Der Schüler aus Wedding soll den Brandsatz in seinem Rucksack transportiert haben. Sein Freund soll ihn entzündet und in Richtung Polizei geschleudert haben. Der Molotowcocktail schlug einen halben Meter vor den Beamten auf ohne zu brennen. Verletzt wurde niemand. Anschließend sollen die Angeklagten in einem Kreuzberger Hinterhof weitere Brandsätze hergestellt haben. Danach wurden sie festgenommen und sitzen seither in Untersuchungshaft.

Die Angeklagten hätten in Kauf genommen, dass Polizisten oder Passanten getötet oder verletzt würden, heißt es in der Anklage. In einer Erklärung des Verteidigers hat der mutmaßliche Brandsatzwerfer eingeräumt, den Molotowcocktail nach dem Entzünden „auf die Straße“ aber „nicht auf Menschen“ geschleudert zu haben. Der Vorwurf des versuchten Mordes belaste ihn schwer, heißt es da. Er sei nicht davon ausgegangen, dass er jemanden gefährden würde. „Hätte ich solch eine Gefahr gesehen, hätte ich nicht geworfen.“

Der gleichaltrige Mitangeklagte, der die Utensilien bei sich gehabt haben soll, will sich erst zu „gegebener Zeit“ äußern. „Das war postpubertäres Imponiergehabe“, sagte der Anwalt des Mitangeklagten am Rande des Verfahrens. Sein Mandant sei „unpolitisch“ und habe „mal Randale machen wollen“.

Staatsanwalt Reinhard Albers sprach am Rande des Prozesses von einem „Glücksfall“ für die Ermittlungen. Durch die Angaben von zwei Zivilpolizisten sei ein Tatnachweis sicher zu führen, argumentierte der Anklagevertreter. Die Beamten hätten die Angeklagten darauf hingewiesen, dass sie auch Freunde oder Sympathisanten treffen könnten. Das habe sie nicht angefochten, sie warfen trotzdem, verwies Albers auf die Beweislage.

In diesem Jahr werden erstmals Prozesse wegen versuchten Mordes gegen mutmaßliche Mai-Randalierer geführt. Zwar flogen auch in den Vorjahren Brandsätze, aber früher sei ein Tatnachweis nicht möglich gewesen, erläuterte der Ankläger die veränderte Situation. Das Verfahren der Polizei zur Feststellung von Straftätern sei wesentlich professioneller geworden, argumentierte Albers.

Seit Anfang September sitzen zwei weitere Schüler auf der Anklagebank, die ebenfalls in Kreuzberg einen Molotowcocktail Richtung Polizei geschleudert haben sollen. Der Brandsatz hatte eine Frau getroffen, die schwere Brandverletzungen erlitt. Die Angeklagten im Alter von 17 und 19 Jahren bestreiten ebenfalls den Vorwurf des Mordversuchs. Sie machen eine Verwechslung geltend.

Die Gewaltausbrüche um den 1. Mai waren schlimmer als in den Vorjahren. 289 Randalierer wurden zunächst festgenommen. 479 Polizisten wurden verletzt. In den bisherigen Strafverfahren hatte die Justiz zum Teil harte Strafen zur Abschreckung verhängt. Verteidiger Dreyling warnte davor, auf öffentlichen Druck konservativer Kreise mit der Brechstange zu hantieren. Steinewerfer sind aus Sicht des Anwalts gefährlicher. Die feuerfesten Kampfanzüge der Polizisten würden tödliche Verbrennungen unmöglich machen, sagte Dreyling.

( dpa/ddp/sh )