Sicherheitsvorkehrungen in Berlin

Al-Qaida droht Deutschland mit Terroranschlägen

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Günther Lachmann und Florian Flade

Foto: dpa / dpa/DPA

In einem neuen Terrorvideo droht al-Qaida-Terrorist Bekkay Harrach Deutschland mit Terror - wenn die Deutschen mit der Wahl nicht den für einen Abzug aus Afghanistan stimmen. Auch in Berlin wurden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Die Bundespolizei partouilliert unter anderem verstärkt am Hauptbahnhof.

Es sind die bislang schärfsten Drohungen des Terrornetzwerks al-Qaida gegen Deutschland: Wenn die Bundestagswahl nicht zu einem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan führe, drohe dem Land ein „böses Erwachen“. In einer neuen Video-Botschaft warnt der Deutsch-Marokkaner Bekkay Harrach vor einem lang andauernden Konflikt, sollten die deutschen Soldaten nicht abgezogen werden. Das Video stammt nach Informationen von Morgenpost Online von der zu al-Qaida gehörenden „Al-Fajr Media“. Das Drohvideo füge sich "ein in die allgemein gestiegene Gefährdungslage vor der Bundestagswahl“, hieß es von deutschen Sicherheitsbehörden.

ISollten die Deutschen ihre Parteien bei der Wahl nicht zu einem Abzug aus Afghanistan zwingen, dann werde es nach den Wahlen „ein böses Erwachen“ geben, sagt Harrach in dem Video, das Morgenpost Online vorliegt. „Entscheidet sich das deutsche Volk jedoch für eine Fortsetzung des Krieges, dann hat es sein eigenes Urteil gefällt und obendrein noch der ganzen Welt demonstriert, dass in einer Demokratie die Zivilisten dennoch nicht unschuldig sind.“ Die Bundestagswahl findet am 27. September statt.

Den deutschen Muslimen rät er für den Fall, dass die deutschen Soldaten in Afghanistan bleiben, sie sollten „in den zwei Wochen nach der Wahl von allem nicht Lebensnotwendigen fern bleiben“. Wörtlich sagt er: „Behaltet in dieser Zeit eure Kinder in eurer Nähe.” Und weiter: „An die Jugend des Islam in Deutschland sage ich: Meine lieben Brüder im Islam. Sollte der Dschihad in Deutschland beginnen, so lasst erst al-Qaida machen. Sollte danach noch Bedarf sein und wir zur nächsten Phase übergehen müssen, dann werden wir euch mitteilen, was jeder von euch tun kann, um sich am Dschihad in Deutschland zu beteiligen.“ Al-Qaida hatte und habe an einem Konflikt mit Deutschland kein Interesse, behauptet Harrach.

Merkwürdige Äußerungen zu Kiel

Der aus Bonn stammende Islamist, der nun den Alias-Namen „Abu Talha“ benutzt, ist den deutschen Sicherheitsbehörden bereits bekannt. Der Mittdreißiger soll als einziger Deutscher zur Planungsebene von al-Qaida gehören. Harrach hatte sich bereits zweimal mit Videobotschaften an die Deutschen gewandt. Im Januar 2009 sprach er von einem „Rettungspaket“ für Deutschland, im Februar äußerte er sich zum Islam und zur Finanzkrise. Das aktuelle Video, in der er mit schwarzem Anzug, weißem Hemd und blauer Krawatte auftritt, trägt den Titel „Sicherheit – ein geteiltes Schicksal“.

Rätsel gäben Harrachs Aussagen zur Stadt Kiel auf. „Die Stadt Kiel bleibt, unabhängig davon, wie lange der Konflikt in Deutschland dauert, eine sichere Stadt“, sagt Harrach, der sich Abu Talha nennt. Dafür stehe er mit seinem Namen.

„Zusammengefasst kann ich dem deutschen Volk eine Faustregel der al-Qaida nur ans Herz legen: Sicherheit ist ein geteiltes Schicksal“. Mit Abzug des letzten deutschen Soldaten werde auch der letzte Mudschahedin aus Deutschland abgezogen.

Wie schon in den beiden zuvor veröffentlichten Videos bemüht sich Harrach um einen intellektuellen Eindruck. Er wirkt zwar konzentriert, verliert sich jedoch in endlos verschachtelten Sätzen. Teilweise sind seine Aussagen zusammenhangslos.

Verschäfte Sicherheitsmaßnahmen auch in Berlin

Die deutschen Sicherheitsbehörden haben bereits reagiert. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden in Berlin und deutschlandweit verschärft.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte am Freitag vor Bekanntwerden des Videos im Ausschuss für Verfassungsschutz im Abgeordnetenhaus: „Wir haben bestimmte Sicherheitsmaßnahmen hochgefahren." Einzelheiten nannte er nicht. Die Hauptstadt folge damit einer Lageeinschätzung des Bundes.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte bereits am vergangenen Dienstag auf einer Sicherheitskonferenz in Berlin auf die Gefahr von Terroranschlägen gegen Deutsche vor der Wahl hingewiesen. Es gebe zwar keine Erkenntnisse über konkrete Anschlagsplanungen, aber Drohungen im Internet und Hinweise der Nachrichtendienste, sagte er damals.

Dann bestätigte die Bundesregierung das Auftauchen einer neuen Terrordrohung gegen Deutschland. Zunächst teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen IntelCenter am Freitag mit, in der Botschaft werde Deutschland ein „böses Erwachen“ angedroht, wenn die Deutschen bei der Bundestagswahl nicht für einen Regierungswechsel stimmen. „Die seit Jahresbeginn verstärkt auch unmittelbar gegen Deutschland gerichteten Drohungen von al-Qaida und anderen islamistischen Organisationen erreichen eine neue Qualität“, stellte die Bundespolizei in Potsdam fest. Dann wurde die Nachricht vom neuen Drohvideo bekannt.

Bundespolizisten mit Maschinenpistolen

Auf allen Flughäfen und an einigen Bahnhöfen patrouillieren nun seit Freitag Bundespolizisten mit schweren Schutzwesten und Maschinenpistolen. „Es geht um die Präsenz, wir wollen den Reisenden Sicherheit geben“, sagte eine Sprecherin des Bundespolizeipräsidiums. „Die Sicherheit der Bürger allgemein und die der Reisenden und Bediensteten unter anderem an den Flughäfen und Bahnhöfen ist dabei unser gesetzlicher Auftrag.“ Die Bundespolizisten seien angehalten, noch aufmerksamer gegenüber vermeintlichen Störungen zu sein. Die Anweisung für die Bundespolizisten auf Streife gilt der Sprecherin zufolge zunächst unbefristet.

„Spiegel Online“ zitierte aus einer vertraulichen Lagebewertung des Bundeskriminalamtes, in der von verstärkten Attentatsdrohungen gegen Deutschland die Rede ist: „Deutschland ist nach den USA erst der zweite Staat, dessen Bevölkerung durch al-Qaida und ihr nahe stehende Organisationen in dieser Unmittelbarkeit in der Landessprache angesprochen wird“, heißt es.

Nach ZDF-Informationen erwarten die Sicherheitsbehörden in den nächsten Tagen auch eine Botschaft des im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet vermuteten Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden.

mit sh