Der Mann macht die Rohrdommel. „Uuup, uuup“, ruft er. Und noch ein Mal: „Uuup, uuup!“ Spaziergänger mustern ihn verstohlen. Klaus Lüdcke schert sich nicht darum. Der Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin versucht, den Ruf der Kleinen Rohrdommel zu imitieren, der in Berlin selten erklingt. Die bedrohte Vogelart lebt im Schilf am Grunewaldsee zusammen mit Drosselrohrsängern, Teichrohrsängern und „noch nicht degenerierten Stockenten“, wie Lüdcke sagt.
Die Vögel sind einer der Gründe, warum Berliner Förster vor einigen Wochen 100 Meter des drei Kilometer langen Ufers mit einem Zaun abgesperrt haben. Und sich so den Unmut der Halter auf sich gezogen, deren Hunde dort badeten.
So spaziert Lüdcke mit seinem dreijährigen Entlebucher Sennenhund Leo, Forstamtsleiter Grunewald Elmar Kilz und dessen Chef Elmar Lakenberg zwecks Öffentlichkeitsarbeit rund um den See. An sonnigen Wochenenden ist es so voll auf den Wegen, dass sogar die Tiere sich versehentlich anrempeln. Der Weg vor dem Gasthaus ist zehn Meter breit. „Es waren mal 3,50 Meter“, sagt Kilz. Aber die Ränder wurden abgenutzt, abgetragen, abgefressen.
Der Förster zeigt auf den Stamm einer dicken, 150 Jahre alten Eiche. Über dem Boden ist die Rinde braun. Ab Kniehöhe wird sie grün vom Algenbelag, „Urin hat den Belag weggeätzt. Urin tötet Bäume. Nur Eichen halten das aus“, sagt Kilz. Die Hunde am Grunewaldsee hinterlassen 5000 Hektoliter Urin und 80 Tonnen Kot im Jahr. „Selbst wenn sie ihr Geschäft nicht im Wasser verrichten, spült der nächste Regen es hinein“, sagt Lakenberg.
Den Status als Badegewässer hat der See vor fünf Jahren verloren, so schlecht ist die Qualität. Kein Mensch springt da mehr hinein, nur Hunde. 750.000 pro Jahr hat Nadine Pirch am Grunewaldsee gezählt, für ihre Diplomarbeit an der Technischen Universität Berlin 2005. Ein Hund pro drei Menschen – mit der Quote hat der See die höchste Dichte im 870 Hektar großen Hundeauslaufgebiet. Am Schlachtensee beträgt sie 1 zu 19.
Es ist nicht allein die Anzahl der Tiere, die den Förstern, dem Ufer und dem Wasser so zu schaffen macht. Auf Tafeln informieren sie darüber, dass ein einziger Hund pro Besuch mit seinen vier Pfoten 100 Gramm Sandboden in den See trägt. Die Folge: Die Uferbefestigungen werden abgetragen, die Wege unsicher für Fußgänger und für Fahrzeuge von Forstarbeitern und der Feuerwehr. Das Argument von Hundehaltern, die Förster hätten mit Baumfällungen die Abspülung beschleunigt, lassen Kilz wie Lakenberg nicht gelten. „Wir brauchen Sichtachsen zum Jagschloss und auf den See. Wer will denn nur Grün sehen?“
Kilz würde gern etwas anderes sehen, genau wie Lüdcke: einen Führerschein für Hundehalter, ein Qualitätszertifikat für Hundeauslaufservices. „Das größte Problem ist“, sagt Kilz, „dass zehn Prozent der Hundhalter ihre Tiere nicht im Griff haben“. Wie zum Beweis schlägt sich hinter ihm ein Hund am abgezäunten Ufer durchs Unterholz und bellt. Kilz spricht die nächste Passantin an. Sie hat sich mehrere Leinen um den Hals gelegt. „Sehen Sie nicht, wo ihr Hund ist? Da stehen Zäune, damit Hunde nicht am Ufer lang laufen.“ Die Frau antwortet spitz: „Warum baut man solche Zäune, über die Hunde springen können?“ Kilz ist fassungslos. Lüdcke auch, sein Leo bleibt brav auf dem offiziellen Weg. Kilz hebt die Stimme. „Wie wäre es, wenn Sie mal ihren Hund da raus rufen?“ Die Frau schweigt, geht weiter, ruft später nach dem Tier.
„Es macht mir keinen Spaß hier“, sagt Kilz. Er setzt sich mit Hundebesitzern auch vor Gericht auseinander, weil sie ihn bedroht haben. Kilz ist der Förster. Förster bauten den Zaun. Förster sind die Buhmänner. „Manche behaupten, wir würden ihren Hunden den Zugang zum Ufer verwehren“, sagt Kilz. Doch nicht der ganze See liegt im Naturschutzgebiet, sondern nur die Südseite. Die untere Westseite und die Ostseite des Sees sind zugänglich für Tier und Mensch.
Auf einem schmalen Sandstreifen dürfen die Hunde toben. Ein Stück dahinter ist abgesperrt mit Ursus-Zaun. Seine Maschen verengen sich nach unten, um auch kleine Tiere abzuhalten. „Der Zaun soll der Vegetation zur Ruhe verhelfen, damit sie wieder wachsen kann und damit die Wurzeln der Pflanzen den Sandboden festhalten“, erklärt Lakenberg. So wie auf der Südwest-Seite. Hinter Zäunen ist der Boden grün, Holunderbüsche sprießen. Auf der Seite zum Wald, durch den Mensch wie Hund nach Belieben laufen, sieht es kahl aus und braun unter den alten, meterhohen Bäumen. „Wahrscheinlich werden wir das auch einzäunen“, sagt Lakenberg. Was für die Förster zählt, ist der Wald. Was für Lüdcke zählt, ist der Tierschutz. Da gehen ihm in diesem Fall seltene Vogelarten vor.