Die erfolgreichste Bühne für den exaltierten Designer aus Berlin ist derzeit ein deutscher Homeshopping-Kanal. Dort verkauft er die Kreationen seines Label “Pompöös“. Doch Harald Glööckler expandiert. Nach den japanischen sind jetzt die britischen Fernsehzuschauer an der Reihe.
Hier soll er wohnen? An dieser Hauptstraße? In diesem grauen Klotz? Und dann auch noch über einer Steakhouse-Filiale? Das ist zwar hier ziemlich West-Berlin, aber pompös, das ist etwas anderes.
Ein kritisches Studieren aller Namenstafeln, ein kaltes Treppenhaus und einen nostalgischen Fahrstuhl später öffnet sich eine Tür, und plötzlich stürzt so viel Pomp auf einen ein, dass die Sinne rotieren. Der Blick huscht vom schreiend neonfarbenen Gemälde zum goldenen Rahmen zum funkelnden Lüster zur drallen Putte zum gigantischen Blumenarrangement und in die Atemluft sickern betäubender Lilienduft und irgendein schweres Parfum.
Allen giftigen Kritikern zum Trotz
Dann: Auftritt Harald Glööckler. Weit oben die Galerie entlang, tänzelnd die Treppe hinunter. Seine Wohnung, seine Bühne. Obwohl, wenn man mal ehrlich ist, ist die eigentlich überall, wo der exaltierte Designer auftritt. Die erfolgreichste Bühne ist zurzeit jedoch definitiv der Homeshopping-Kanal HSE24, auf dem Glööckler regelmäßig sein Label „Pompöös“ zwischen Programmpunkten wie „Renovieren mit Wagner“ und „Schlankstütz-Kollektion“ präsentiert.
Und das, allen giftigen Kritikern zum Trotz, sogar richtig gern: „Das fand man ja ganz furchtbar und ganz peinlich, dass ich Teleshopping angefangen habe“, erzählt er und wiederholt noch einmal lauter mit Betonung der ersten Silbe: „PEInlich!“
Er sitzt in einem silbernen Fauteuil und man weiß nicht, wen man angucken soll: den Sessel, ihn oder den seltsamen Vorhang aus Silberplättchen an einem der Fenster, der da im Augenwinkel schillert. Überhaupt: eine ganz krude Mischung aus Bling-Bling und bürgerlichem 80er-Jahre-Style in dieser riesigen Altbauwohnung, die sich über drei Etagen erstreckt.
Glööckler ist es einfach mal total egal, was andere über ihn denken. „Take me or leave it“, sagt er. Und er weiß, dass sein Erfolg gerade in diesen wirtschaftlich schweren Zeiten viele Spötter mundtot macht. Tausende Homeshopping-Stammkunden vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind bekennende Fans des Labels mit der Krone. Den Schmuck von Glööckler gibt es überdies in 16 Malls in Dubai zu kaufen.
Kundin und Freundin Bonnie Tyler
„Warum soll man ein Vermögen ausgeben für ein Outfit, wenn man es günstig haben kann? Ich habe bewiesen, dass man eine Jacke machen kann, die sehr hochwertig und couturig ist und einen kleinen Preis kostet“, sagt Glööckler und erzählt von Kundin und Freundin Bonnie Tyler, die auch gern mal Couture-Teil mit TV-Schnäppchen mixe. Der Designer geht sogar so weit, für sich in Anspruch zu nehmen, das Teleshopping reformiert zu haben, da erst er Kunden an dieses Medium herangeführt habe, die dort vorher nie gekauft hätten. Niemals!
Tatsächlich ist mit diesen regelmäßigen Gastspielen in München, wo HSE24 seinen Sitz hat, auch für ihn ein Wunsch in Erfüllung gegangen, wie er in einer seiner reizenden Anekdoten zum Besten gibt: „Ich bin immer oben mit den Engeln im Gespräch, und ich habe dort eine Bestellung abgegeben. Ich wollte immer gern Lizenzen machen, mein Vorbild war Pierre Cardin. Und ich habe den Engeln gesagt: Ich hätte gern überall Läden und eine TV-Show.“
Und so ist es jetzt ja auch irgendwie. Alle wollen den unterhaltsamen Harald mit dem schwarz gefärbten Haar und den dicken Ringen, die er je nach Gusto aufsetzt und bei denen er nicht unterscheidet, ob sie 10.000 oder 5 Euro wert sind („Der Modeschmuck strengt sich ja viel mehr an!“).
Neue Sendung im englischen Fernsehen
Im Mai war er für zwei Sendungen in Japan beim „Shop Channel“ zu Gast, der im Land der aufgehenden Sonne mehr als 22 Millionen Haushalte erreicht. Die Zuschauer mochten Glööcklers barocke Mode, begeistert waren sie aber vor allem von der Show des exotischen „Gurökuraa-san“, dessen Namen sie so schlecht aussprechen können. „Als ich in Deutschland mit Homeshopping anfing, haben die gesagt, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Top oder Flop. Bei Japan war ich mir sicher, dass es ein Erfolg wird, denn die stehen auf extravagante Menschen.“
Ähnliches erhofft er sich auch für London, wo er jetzt bei QVC an den Start geht. Glööckler wird durch zwei jeweils einstündige Sendungen führen und man kann sicher sein, dass seine Verkaufsdarbietung auch in englischer Sprache keine Wünsche offen lassen wird - nicht die der nach Zerstreuung suchenden Kundinnen und schon gar nicht die der Produzenten. Ein Dreijahresvertrag ist bereits unterschrieben, eigentlich wollten die Briten ihn sogar fünf Jahre haben.
„Alles was sie in Deutschland in Sachen Mode schaffen, schaffen sie im Ausland zehnmal leichter. Deutschland ist der schwierigste Fall, das ist unsere Mentalität“, sagt Glööckler. Hier habe man immer ein Problem mit Menschen und Dingen, die anders seien, mit allem, was nicht in eine Schublade passe. „Exzentrisch ist man ja schon, wenn man sagt, was man will. Man hat am liebsten die, die nicht so aus der Reihe tanzen. Aber in der Mode muss man aus der Reihe tanzen.“
So gefällt es ihm, dass er wegen seines Aus-der-Reihe-Tanzens als ein Vorbild für die Kinokunstfigur „Brüno“ gehandelt wird, tatsächlich war zur Inspiration auch Brüno-Darsteller Sacha Baron Cohen schon einmal im Charlottenburger Domizil zu Gast. Elementarer ist für den Designer der Zuspruch seiner treuen Kundinnen, deren harter Kern um die 50 Jahre alt ist und deren Kleidergröße mitunter auch in diesem Bereich liegt. „Die Frauen werden gefragt, warum sie bei mir kaufen, und sie kaufen bei mir, weil ich ihnen so viel Mut mache, und sie sich nach der Stunde mit mir einfach gut fühlen.“
Autogramme gleich für drei Generationen
Glööckler bittet seinen Assistenten, doch einmal eine Auswahl der vielen Dankesschreiben aus dem Büro zu holen, was dieser auch sehr prompt und sehr artig erledigt. An die in sorgfältiger Schreibschrift verfassten Briefe sind immer wieder Fotos geheftet. Eine Dame mittleren Alters sitzt sorgfältig frisiert und mit durchgedrücktem Kreuz auf einem Sofa, von Kopf bis Fuß in Pompöös. Dann ein süßes Kätzchen vor einem Pompöös-Kissen. Manchmal schreibt der Designer Autogramme gleich für drei Generationen, für Oma, Mutter und Tochter. Sie alle sollen sich „reich“ fühlen, nachdem sie telefonisch, via Internet oder Katalog ein Teil „Star Couture“ von ihm erworben haben, das kann auch ein Spannbettlaken mit Kronenstickerei für 19,99 Euro sein. „Das ist mein Erfolg: Ich gehe nie dahin, weil ich Geld machen will, sondern erst einmal, weil ich etwas Tolles machen will. Schon mit sechs war meine Idee, alle Menschen schön zu machen.“
Das sagt der Mann aus dem schwäbischen Maulbronn nun wirklich nicht zum ersten Mal, doch wie er da so sitzt, Louis-XIV.-Look hin oder her, glaubt man ihm das irgendwie. Weil Sätze wie „Für mich ist jede Frau schön“ und „Es gibt keine hässlichen Menschen“ und „90-60-90 – das ist keine Schönheit. Schönheit kommt durch die Seele“ zwar nicht originell sind, aber unheimlich angenehm fürs Gemüt. Und weil er halt einfach so sympathisch rüberkommt, mit seinen dunklen, braunen Augen, die sein Lachen so oft nicht erreicht. Sein Wesen war neben KaDeWe-Kaviar und Champagner ganz sicher auch der Hauptgrund, warum er sich unlängst beim „Perfekten Promi-Dinner“ durchsetzen konnte – Rolf Eden wirkte bei so viel Charming Boy auf der gegenüberliegenden Tafelseite bloß wie ein frustrierter Grantler.
Für ihn ist Zeit Luxus
Dank jener Fernsehsendung weiß man auch, dass Glööckler nicht immer so aufgedreht ist und auch nicht immer so aussieht, als habe gerade ein Stylist Hand angelegt. „Ganz unprätentiös“ sei er zu Hause, auch mal locker-leger in Jogginghose und Sweatshirt. „Ich könnte mein Leben auch ändern und ganz anders leben, zum Beispiel einen Bauernhof haben. Ich brauche die Öffentlichkeit nicht.“ Das fällt in der Tat etwas schwerer zu glauben. Und es kommen einem so doofe Bilder in den Sinn wie kleine rosa Ferkel mit blinkenden Diademen auf dem Kopf. „Luxus ist immer das, wovon man am wenigsten hat. Für mich ist es Zeit“, sagt Glööckler. Zeit, um Freunde zu treffen zum Beispiel, prominentestes und viel zitiertes Exemplar ist vielleicht der italienische Filmstar Gina Lollobrigida. „Das Wichtigste an Freunden ist, dass man lange Zeit dieselben Interessen hat und denselben Weg geht. Das nächste ist: Man darf nicht neidisch sein.“ Man finde eben bestimmte Menschen zu einem Zeitpunkt, und irgendwann lebe man sich dann wieder auseinander, so sei es nun einmal.
Wie sehr seine eigene Kindheit im Gegensatz zu seiner jetzigen Welt steht, konnte man erst kürzlich ausführlich in der Boulevard-Presse verfolgen. Geboren in Maulbronn, der Vater Gastwirt, der die Mutter geschlagen und sie schließlich, als der Sohn im Teenageralter war, die Treppe hinuntergestoßen habe, woraufhin sie wenige Tage später starb. Trotzdem sagt der heute Erwachsene: „Ich glaube, dass der Mensch von Natur aus gut sein will. Er wird böse, weil er überfordert ist.“
Glööckler will Gutes tun, deswegen engagiert er sich seit einigen Jahren für das Deutsche Kinderhilfswerk. „Ich rede auch offen mit den Kindern über meine eigene Kindheit. Sie sind alle Kämpfernaturen, aber man muss ihnen eine Stütze geben.“
Erste Schritte als Verkäufer
Eine Kämpfernatur muss auch Harald Glöckler gewesen sein. Als Verkäufer in einem Modegeschäft - damals noch ohne den um ein Zusatz-Ö aufgehübschten Namen – tat er die ersten Schritte in der Branche. Es folgte der eigene Laden, dann das Label und Glööckler wurde durch die Inszenierung aufwendiger Schauen und die seiner selbst bekannt - vor allem aber auch durch die prominenten Damen, die seine Entwürfe trugen. In seinem der Wohnung angeschlossenen Atelier stehen unter Kronleuchtern Kleiderpuppen mit opulenten Roben, wie eine gesichtslose Abendgesellschaft aus Damen, die darauf warten, zum Tanz aufgefordert zu werden. Lange Schleppen, viktorianisch angehauchte Schößchen, der Rückenausschnitt eines schwarzen Kleides verschwenderisch umrahmt von großen Swarovski-Kristallen. In Glasvitrinen drapiert ist der beifallheischende Pompöös-Schmuck, in einem Einbauregal auffällige Handtaschen – und dazwischen Homeshopping-Auszeichnungen.
Sehr gut möglich, dass auch für Glööcklers Auftritte im Ausland irgendwann welche dazukommen. Sehr wahrscheinlich auch, dass Videoausschnitte dieser Auftritte irgendwann im Internet landen und einige über diesen kuriosen „Modeprinzen“ aus Deutschland schmunzeln. Der lehnt sich in seinem silbernen Fauteuil zurück und sagt: „Es ist eine Lebensaufgabe, dass man so weit kommt und sagt: Ich akzeptiere mich so wie ich bin. Man muss nicht perfekt sein, man muss nur wissen, was man will.“ Und wenn der Wunsch sei, wie eine Prinzessin auszusehen, was er selbst gern jeder Frau unterstellt, dann sei das eben so: „Warum nicht Diadem tragen? Was soll passieren, außer das einer sagt: bekloppt! Dann hat man wenigstens mal eins aufgehabt.“