S-Bahn-Krise

Junge-Reyer kämpft um ihre politische Zukunft

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Gilbert Schomaker

Foto: picture-alliance

Berlins Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) galt als politisch angeschlagen. Es gab erste Rücktrittsforderungen aus der eigenen Partei. Doch durch ihr Handeln in der S-Bahn-Krise scheint sich die 62-Jährige gefangen zu haben. Junge-Reyer kämpft – und findet in der SPD nun neue Unterstützer.

Ein Satz sollte ihre Zukunft ins Wanken bringen. Als erster Politiker innerhalb der Berliner SPD forderte der Haushaltsexperte, der Kreuzberger Abgeordnete Stefan Zackenfels, Mitte Juli, den Rücktritt der Senatorin. „Wie bei der Finanzverwaltung könnte eine Senatsneubesetzung im Bereich Stadtentwicklung ein guter Impuls für Berlin sein“, sagte Zackenfels. Die Attacke richtete sich gegen Junge-Reyer, die von vielen in der SPD nicht mehr als gestaltend, sondern als verwaltend wahrgenommen wurde. Anlass war die Verjüngung in der Linkspartei, wo im Oktober im Arbeits- und Sozialressort Fraktionschefin Carola Bluhm (46) auf Heidi Knake-Werner (66) folgt. Seit dieser ersten öffentlichen Rücktrittsforderung galt Junge-Reyer als mögliche Wechselkandidatin. Doch die Senatorin kämpfte – und nutzte die Krise bei der S-Bahn, für den Versuch, Führungsstärke zu beweisen.

Sie inszenierte einen Nahverkehrs-Gipfel und lud die Verantwortlichen von S-Bahn, BVG und Deutscher Bahn in ihre Verwaltung am Fehrbelliner Platz ein. Bewusst mit Fototermin. Junge-Reyer unterbrach dafür ihren Ostseeurlaub – auch um dem Eindruck entgegenzuwirken, dass der Senat sich in die Ferien verabschiedet hatte. Die Bilder sollten zeigen: Die Senatorin hat die Bewältigung der Krise zur Chefsache gemacht.

Nach heftiger Kritik der Opposition am Verkehrsvertrag mit der S-Bahn, will sie nun auch diese offene Flanke schließen. Der Vertrag soll im Herbst nachverhandelt werden, um höhere Strafzahlungen bei großen Pannen zu ermöglichen. Und selbst als die S-Bahn ihr Minimalziel erreichte, stahl die Senatorin den Bahn-Managern den Erfolg. Anstelle von Wirtschaftssenator Harald Wolf kam Junge-Reyer am vergangenen Dienstag kurzfristig in die Pressekonferenz nach der Senatssitzung, um die wichtige Nachricht zu verkünden, dass die S-Bahn die Ost-Westlinie wieder ab dieser Woche bedient. Die Bahn habe „ihrem Drängen nachgegeben“ und fahre ab Montag wieder auf der Stadtbahn, teilte Junge-Reyer mit und kam damit einer Pressemitteilung der Bahn um einige Minuten zuvor. In der Tat hatte Junge-Reyer viel gedrängt. Der eigentliche Druck auf die S-Bahn kam aber offenbar aus der Vorstandsetage des Bahn-Towers am Potsdamer Platz, wo die Führung des Mutterkonzerns residiert.

Neue Unterstützer

Auch bei einem anderen Thema, das in der Berliner SPD umstritten ist, kämpft die Senatorin. Junge-Reyer fordert den Ausbau der Autobahn 100 von Neukölln nach Treptow. Der vergangene Parteitag lehnte mit knapper Stimmenmehrheit dieses Vorhaben ab. Junge-Reyer, die eigentlich auf dem linken Parteiflügel zu Hause ist, erhält nun Unterstützung von dem parteiinternen Konkurrenten des rechten Flügels. Der Aufbruch, die Vereinigung der SPD-Rechten, plädiert in seinem neuen Rundschreiben dezidiert für den Ausbau der Autobahn. Der Neuköllner Bundestagskandidat Fritz Felgentreu verweist auf die Verkehrsentlastung in seinem Bezirk und die stadtentwicklungspolitische Sprecherin in der Fraktion, die Abgeordnete Ellen Hausdörfer, legt ausführlich den Weiterbau der A 100 als „Teil eines verkehrspolitischen Gesamtkonzeptes“ dar.

Junge-Reyer wird das freuen. Sie weilt noch im Urlaub. Am 10. August will sie wieder im Büro sein. Ihr Terminkalender sieht dann den nächsten Bahn-Gipfel vor.