Die Polizei hat in Berlin einen erst zwölf Jahre alten Jungen, der Rauschgift in seinem Besitz hatte, auf frischer Tat ertappt und festgenommen. Der Junge war gerade dabei, 150 Heroinkügelchen und rund 200 Euro in bar in einem Erdloch in einem Park an der Skalitzer Straße in Kreuzberg zu verbuddeln.
Eine Zivilstreife erwischte ihn mit den Drogen und dem Bargeld. Als er zu fliehen versuchte, nahmen ihn die Beamten in der Nähe des Tatorts fest. Anschließend übergaben die Beamten das in einem Wohnheim lebende Kind einem Betreuer. Wie aus Ermittlerkreisen zu erfahren war, gestalten sich die Ermittlungen zur Identität des in einem Wohnheim lebenden Jungen äußerst kompliziert. Er ist nach unbestätigten Meldungen arabischer Herkunft. Es wird nicht ausgeschlossen, dass der Zwölfjährige zu einer Dealerbande gehört, die nahe dem Kottbusser Tor tätig ist. Dort werden immer wieder minderjährige Jungen als Verkäufer eingesetzt, damit die wahren Hintermänner unerkannt bleiben können. Bestraft werden können Minderjährige erst mit 14 Jahren. Bis 21 Jahre gilt das Jugendstrafrecht.
Mit diesem Fall ist nach Ansicht der Neuköllner Jugendrichterin Kirsten Heisig eine „Dimension noch nicht bekannten Ausmaßes“ in der Jugendkriminalität erreicht worden. „Das zeigt“, so Heisig, „dass wir mehr geschlossene Heime brauchen.“ Die Jugendrichterin fordert schon seit Langem ein konsequentes Vorgehen gegen Eltern, wenn sie ihrer Fürsorgepflicht nicht nachkommen, lehnt eine Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf zwölf Jahre aber ab.
CDU fordert Verschärfung
CDU-Fraktions- und Parteivorsitzender Frank Henkel hingegen hält das für unerlässlich. „Ich vermisse von Rot-Rot Lösungen in dieser Frage“, sagt Henkel, der die Forderungen von Kirsten Heisig unterstützt, in diesem Punkt aber darüber hinausgeht. „Der Senat ist aufgefordert, im Bundesrat eine Initiative zur Herabsetzung der Strafmündigkeit zu ergreifen.“ Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Kleineidam hält davon nichts: „Zwölfjährige in den Knast zu stecken, hilft nicht weiter.“ Die Debatte über die Bekämpfung der Jugendkriminalität ist damit neu entbrannt.
Polizeibeamte beobachten die Szene am Kottbusser Tor bereits seit Monaten. Im Verlauf mehrerer Schwerpunkteinsätze nahmen die Beamten zuletzt mehr als zehn Personen vorübergehend fest und leiteten Strafermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittel- sowie gegen das Waffengesetz ein. Zudem werden regelmäßig Platzverweise für den Bereich des Kottbusser Tors ausgesprochen, wenn Personen auffällig werden. Die Polizisten beschlagnahmten diverse Betäubungs- und Arzneimittel.
Gegenüber auffälligen Personen werden regelmäßig Platzverweise für den Bereich des Kottbusser Tors ausgesprochen. Die Polizisten beschlagnahmten diverse Betäubungs- und Arzneimittel sowie ein Einhandmesser.
Anwohner, die ebenfalls seit geraumer Zeit auf die Zustände und die Drogenproblematik am Kottbusser Tor aufmerksam machen, gründeten eine Bürgerinitiative. Laut einem Ermittler wird man die Dealer und die Konsumenten jedoch bestenfalls vertreiben können. Bereits 2007 hatten Drogenfahnder am U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße in Mitte einen 12 Jahre alten Dealer gemeinsam mit seinen 21, 14 und 13 Jahre alten Komplizen festgenommen. Die 21 und 14 Jahre alten Dealer wurden einem Haftrichter vorgeführt. Die 13 und zwölf Jahre alten Kinder, die in einer Betreuungseinrichtung leben, wurden dort ihrem Erzieher übergeben. Vor einem Jahr hatten Berliner Polizisten in Mitte bei einem 15 Jahre alten Schüler 200 Szenekugeln mit Heroin gefunden. Auch er hatte seine Ware in einem Erdloch auf einem Hof an der Alten Schönhauser Straße versteckt.
Einführung der Schülerdatei
Der Senat hofft, mit der Einführung einer Schülerdatei schneller an gefährdete Kinder und Jugendliche herankommen zu können – und an ihre Eltern. In der Datei sollen unter anderem die Herkunftssprache, unentschuldigte Fehlzeiten und der sonderpädagogische Förderbedarf erfasst werden. Auf die Daten hat aber auch die Polizei Zugriff.
Jugendrichterin Heisig verweist aus eigener Erfahrung vor allem auf die Einhaltung der Schulpflicht hin. Kriminelle Karrieren beginnen oft mit Schulschwänzen. Sie habe jüngst erst Strafanzeigen gegen einen deutschen Vater wegen Verletzung der Fürsorgepflicht erstattet, der sein Kind nicht zur Schule schickte. In der Zeit verübte der Junge Straftaten. „Es geht um die Kinder. Wir müssen aufpassen, dass sie uns nicht verloren gehen“, so die Jugendrichterin. „Familiengerichte müssen schneller Sorgerechtsentscheidungen treffen, wenn die Eltern nicht mitziehen.“ Das könne schon jetzt unter Anwendung bestehenden Rechts geschehen, wenn das Kindeswohl gefährdet sei.