Der seit Monaten schwelende Verdacht auf unlautere Geschäftspraktiken bei der Bundesdruckerei scheint sich zu erhärten. Bereits im Januar 2009 waren Hinweise auf Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe im Zusammenhang mit Lieferaufträgen für den Staat Venezuela bekannt geworden. Am Donnerstag durchsuchten Polizeibeamte Geschäftsräume der Bundesdruckerei an der Oranienstraße in Kreuzberg.
Anlass sind aktuelle Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue gegen einen leitenden Mitarbeiter der Bundesdruckerei, bestätigte Sprecher Martin Steltner. Der Verdächtigte soll im Jahr 2007 einen Summe von 1,375 Millionen Euro an ein Partnerunternehmen in Panama überwiesen und die Bundesdruckerei damit finanziell erheblich geschadet haben. Bei der Durchsuchung stellten neun Polizeibeamte und zwei Wirtschaftreferenten mehrere Leitz-Aktenordner sowie den E-Mail-Verkehr des Beschuldigten sicher. Zeitgleich hätten drei Polizeibeamte im Zuge der Ermittlungen auch eine Privatwohnung in Bayern durchsucht, ergänzte der Sprecher.
Nach Informationen von Morgenpost Online soll es sich bei dem Verdächtigen um den Geschäftsführer der BIS Bundesdruckerei International Services GmbH, handeln. Über das Tochterunternehmen BIS wickelt die Bundesdruckerei die weltweite Beschaffung von Aufträgen zur Herstellung von Ausweisen und Pässen ab.
Zahlung ohne Gegenleistung
Nach Erkenntnissen der Ermittler hatte die BIS 2007 für die Bundesdruckerei einen Auftrag zur Lieferung von 1,5 Millionen fälschungssicheren Personaldokumenten an die venezolanische Regierung eingefädelt. Obwohl das Geschäft mit der südamerikanischen Regierung nicht zu Stande gekommen ist, soll der genannte siebenstellige Euro-Betrag für Lohnarbeiten an ein kleines Unternehmen in Panama geflossen sein: „Empfänger war offenbar die Firma Billingsley Global Corporation, die davon lebt, Personaldaten für die Herstellung von Ausweisen einzugeben, sozusagen für Schreibarbeiten“, erläutert Martin Steltner. Die 1,375 Millionen Euro seien jedoch nie an die Bundesdruckerei zurückgeflossen. Sofern sich der Verdacht gegen den BIS-Manager weiter bestätigt, wäre damit der Tatbestand der Untreue gegeben.
Darüber hinaus soll nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft von Berlin aus Geld an zwei weitere Firmen als Provisionen und Honorare nach Panama geflossen sein. Die Bundesdruckerei hatte zu Jahresbeginn Vorwürfe zu finanziellen Unregelmäßigkeiten im Südamerika-Geschäft zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde bestätigt, die besagten Firmen in Panama hätten Service- und Vermittlungsdienstleistungen erbracht.
Tatsächlich hatte die Bundesdruckerei seit 2005 mehrere Großaufträge in Venezuela eingefädelt und teilweise auch ausgeführt. Die Geschäfte liefen unter dem Decknamen „Trinidad“. Vier dieser Projekte kamen zum Tragen. Nur die beiden letzten und größten Projekte über die Lieferung von Passkarten für 1,5 Millionen maschinenlesbaren Reisepässe und ein System zur Personalisierung der Karten für die Pässe scheiterten schließlich vor dem endgültigen Abschluss. Die Aufträge „Trinidad V“ und „Trinidad VI“ wurden nie realisiert. Das Auftragsvolumen war mit 46 Millionen Euro veranschlagt. Bei einem Gesamtumsatz von etwas mehr als 300 Millionen Euro im Jahr 2007 ein erheblicher Anteil.
Dennoch hatte die Bundesdruckerei am 16. Februar 2007 das Geschäft als „Auslandserfolg“ angepriesen. Das Unternehmen werde Venezuela als erstes lateinamerikanisches Land mit maschinenlesbaren Pässen versorgen. In der Mitteilung war zudem von einem jährlichen Bedarf des Staates von etwa 2,5 Millionen E-Pässen die Rede.
Probleme bei der Privatisierung
Die aktuellen Durchsuchungen sind ein weiterer Tiefpunkt in der jüngeren Geschichte der Bundesdruckerei, deren Privatisierung und Rückkauf durch den Bund das Unternehmen stark gebeutelt hat.
Der Bund hatte sich für einen kompletten Wiedereinstieg bei dem Hersteller von Banknoten, Pässen und Ausweisen entschieden, nachdem das Unternehmen 1994 privatisiert und im Jahr 2000 an den Finanzinvestor Apax verkauft worden war. 2002 ist Apax aus der in Authentos umbenannten Firmengruppe ausgestiegen, die damals knapp einer Insolvenz entging. Dann stiegen Treuhänder ein. Nach einem Einbruch im Telekommunikationsmarkt und erheblichen Belastungen bei einem damaligen Tochterunternehmen geriet die Bundesdruckerei selbst in finanzielle Bedrängnis.
Der Bund hatte daraufhin Sicherheitsbedenken angemeldet und erste Pläne zum Rückkauf geprüft. Es hatten sich bei einer Ausschreibug nur ausländische Firmen für die Übernahme der Bundesdruckerei gemeldet. Zunächst wollte der Bund sich nur mit 25,1 Prozent beteiligen, schließlich folgte die Komplettübernahme. Der Verkauf der Bundesdruckerei gilt seitdem als Desaster.
Die Bundesdruckerei – als „Reichsdruckerei“ 1879 gegründet – zählt zu den weltweit führenden Anbietern von Dokumenten wie Ausweisen und Reisepässen. Darüber hinaus fertigt die Bundesdruckerei Banknoten und Briefmarken an. 2007 kam das Unternehmen nach eigenen Angaben auf 300 Millionen Euro Umsatz. Die Zahl der Beschäftigten wird mit derzeit rund 1300 angegeben. Die Sanierung des Unternehmens gilt inzwischen als abgeschlossen. Jetzt folgt offenbar die juristische Aufarbeitung der Druckerei.