Der Aufsichtsrat der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) will am 29. Juni über den Kauf von 99 neuen Straßenbahnen des Typs Flexity Berlin entscheiden. Die Zustimmung zu dem Millionengeschäft mit dem Hersteller Bombardier gilt als wahrscheinlich. Weniger Einigkeit gibt es nach Informationen von Morgenpost Online allerdings in der Frage, wie lang die neuen Fahrzeuge sein sollen.
Seit dem vergangenen Herbst werden vier Prototypen im Linienbetrieb der BVG getestet. Zwei sind knapp 31 Meter lang, zwei 40 Meter lang. Dem Vernehmen nach sahen ursprüngliche Pläne die Bestellung von 59 kurzen und 40 langen Flexity-Bahnen vor, nach internen Diskussionen geht BVG-Sprecherin Petra Reetz inzwischen von 48 bis 50 langen Modellen aus.
Selbst die nachgebesserte Aufteilung sei ein „fundamentaler Fehler“, kritisiert der Fahrgastverband Igeb. „Berlin braucht dringend lange Straßenbahnen.“ Igeb-Chef Christfried Tschepe verweist auf steigende Fahrgastzahlen auf vielen zentralen Tram-Linien und fordert den BVG-Aufsichtsrat zum Umdenken auf. Auf zahlreichen wichtigen Strecken seien mit den kurzen Flexity-Zügen „keine nennenswerten Verbesserungen für die Fahrgäste erreichbar“, so Tschepe.
Derzeit sind bei der BVG etwa 240 alte Tatra-Bahnen mit einer Länge von 19 Metern und etwa 150 jeweils 27 Meter lange Niederflurbahnen des Modells GT6N im Einsatz. Die Tatra-Bahnen sollen bis 2017 ausgemustert und durch die neuen Züge ersetzt werden.
Auf zentralen Linien wie der M4 werden zur Hauptverkehrszeit häufig zwei Tatra-Bahnen gekoppelt. Ein 40 Meter langer Flexity-Zug könne diese sogenannten „Doppeltraktionen“ ersetzen, rechnet Tschepe vor. Ein 31-Meter-Zug hingegen nicht. Auch auf anderen Hauptlinien wie der M2 und der M10, die derzeit mit Niederflur-Bahnen befahren werden und im Berufsverkehr oft überfüllt sind, würden die kurzen Flexitys kaum mehr Platz für die Fahrgäste schaffen. Besonders betroffen seien bereits jetzt Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwagen.
Fazit des Fahrgastverbandes: Zumindest bei der ersten Bestellung müsse die BVG ausschließlich lange Züge ordern. „Den etwas höheren Anschaffungskosten stehen Einsparungen durch wegfallende Doppeltraktionen und erhebliche Qualitätsverbesserungen im Betrieb gegenüber“, sagt Tschepe.
Weniger Züge als geplant
Die Verkehrsbetriebe weisen die Kritik zurück. „Wir müssen bedarfsgerecht bestellen“, sagt Unternehmenssprecherin Reetz. Sie räumt ein, dass Züge auf Hauptlinien zur Rush-Hour oft überfüllt seien. Es gebe aber eben auch „andere Linien und andere Uhrzeiten“ auf denen die kurzen Züge völlig ausreichend seien. Zudem sei die Igeb-Rechnung ohnehin nicht korrekt, weil auch die kurzen Flexity-Züge durch ihre größere Breite deutlich mehr Platz böten als die bisherigen Fahrzeuge. Jede andere Entscheidung sei „rausgeschmissenes Geld“, so Reetz.
Zum Preisunterschied zwischen den langen und kurzen Zügen will sich das Unternehmen vor der Aufsichtsrats-Entscheidung ebenso wenig äußern wie zum Gesamtauftragsvolumen. Jenes dürfte aber wohl unter der ursprünglich kalkulierten Summe von 500 Millionen Euro liegen, denn die Bestellung fällt mit zunächst 99 Fahrzeugen kleiner aus als zuletzt angekündigt. Noch im März war von 140 Flexity-Zügen in der ersten Lieferung ab 2011 die Rede. Inzwischen wird erwartet, dass die Gesamtzahl der Neubestellungen bis 2017 nur wenig über 130 liegen wird. Sie wurde noch im Herbst vergangenen Jahres mit bis zu 206 Bahnen angegeben, zuletzt war von maximal 148 Bahnen die Rede.
Unbestritten ist hingegen, dass die Flexity-Züge sich im Testlauf grundsätzlich bewährt haben. Fahrgäste bewerteten alle vier Prototypen in einer ersten Befragung im Durchschnitt mit einer Schulnote von 1,6. Nach BVG-Angaben ist das die beste Bewertung, die jemals für ein neu eingeführtes Schienen-Fahrzeug der Verkehrsbetriebe vergeben wurde. Die GT6N-Niederflurbahnen etwa bekamen bei ihrer Einführung in den 1990er-Jahren lediglich die Note 2,3. Und auch bei der BVG ist man zufrieden mit den modern designten Zügen. Größere technische Probleme habe es bislang nicht gegeben, heißt es.